Die Frage wird seit Jahrzehnten diskutiert, die Emotionen kochen immer wieder hoch, die Fronten sind verhärtet: Sollte Cannabis in Deutschland legalisiert werden? Befürworter und Gegner streiten heftig, oft völlig losgelöst von Fakten. Dabei wird so getan, als sei noch keine Antwort auf die Frage gegeben worden, noch keine Entscheidung gefallen. Doch wenn man genauer hinsieht, wird klar: Die Legalisierung von Cannabis ist praktisch kaum noch aufzuhalten. Die Frage ist nicht mehr, ob, sondern nur noch wann und wie.

Marlene Mortler: Der Kampf gegen Windmühlen

Daran ändert auch nichts, dass sich die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, die fränkische CSU-Politikerin Marlene Mortler, vehement gegen die Legalisierung ausspricht: Auf die Frage, warum Cannabis verboten ist, antwortete sie einst: Weil es illegal ist.Am Donnerstag stellte sie den neusten Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung in Berlin vor.

 

Ihr Credo auch diesmal: Man darf Cannabis nicht verharmlosen, weil es gefährlich ist. Der Schritt von Kanada, die Droge als zweites Land der Welt (nach Uruguay) komplett freizugeben, bezeichnete sie als "Kapitulation".

 

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) springt ihr zur Seite: Es sei ein Irrglaube, dass die Legalisierung eines verbotenen Stoffes die damit in Verbindung stehende Kriminalität reduziere. Unabhängig davon, dass diese Argumentation für den unbedarften Leser zumindest ein bisschen Paradox klingen mag: Selbst innerhalb der Polizei ist diese Position nicht unumstritten. So forderte der Vorsitzende der Gewerkschaft Bund Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, das Kiffen vollständig zu entkriminalisieren und einen regulierten Markt für Marihuana zu schaffen.

Doch die Diskussion ist sowieso müßig: Der Weg hin zur Legalisierung ist nicht mehr aufzuhalten. Doch warum? Drei Punkte seien dazu angebracht:

1. In der professionellen Drogenarbeit hat (schon lange) ein Umdenken stattgefunden

Drogenbeauftragte und Sozialarbeiter diskutieren mittlerweile die Einrichtung von Räumen, in denen harte Drogen in einem geschützten und betreuten Umfeld konsumiert werden können. Worüber sie nicht oder nur noch selten diskutieren: dass schwache Drogen wie Cannabis legalisiert werden sollten. Nun reicht fachliche Expertise leider nicht immer dafür, dass politische Entscheidungen getroffen werden. Sie machen sie aber zumindest wahrscheinlicher.

2. Die politischen Machtverhältnisse haben sich verschoben

Während es eine Zeit gab, in der die Grünen mit ihrer traditionellen Forderung zur Legalisierung im Bundestag alleine standen, ist dies heute anders: Grüne, Linke und FDP fordern die Freigabe, in der SPD findet die Forderung breite Zustimmung, auch in der CDU gibt es nicht nur Gegner. Die AfD stellt sich nach parteiinternen Debatten gegen die Legalisierung. Damit wäre innerhalb des Bundestags eine Mehrheit für eine irgendwie geartete weiterführende Legalisierung oder Entkriminalisierung zu haben.

Gleichzeitig gibt es auch auf internationaler Ebene einen Prozess: Neben Uruguay und Kanada haben bereits viele Länder eine Entkriminalisierung vorangetrieben. In den USA wurde Cannabis in neun Staaten freigegeben. Marlene Mortler fürchtete deswegen bereits eine internationale Einflussnahme in Deutschland, die die Legalisierung vorantreibe.

3. Der Legalisierungsprozess ist bereits gestartet

Der wohl entscheidende Punkt ist jedoch, dass es auch in Deutschland bereits Schritte zur Legalisierung von Cannabis gab und gibt. Politische Veränderungen werden nur selten auf "einen Schlag" umgesetzt. Mit Modellprojekten, Aufklärungsarbeit und schrittweisen gesetzlichen Veränderungen wird zunächst der Diskurs verändert und Erfahrungen gesammelt.

Genau dies passiert bereits seit Jahren in Deutschland: Cannabis gibt es mittlerweile auf Rezept, in den Ländern wird über eine gemeinsame Eigenbedarfsgrenze gesprochen. Außerdem werden Modellprojekte gefordert. Dies schlägt sich auch in den Umfragen nieder: Der Anteil der Menschen in Deutschland, die für eine Legalisierung oder Entkriminalisierung von Cannabis sind, steigt laut Umfragen seit Jahren.

Wie geht es nun weiter?

Dass sich Marlene Mortler als CSU-Politikerin irgendwann für eine Legalisierung von Cannabis einsetzt, ist nicht zu befürchten, beziehungsweise zu hoffen. Kurz- bis mittelfristig wird es keine vollkommene Legalisierung von Cannabis in Deutschland geben.

Was es hingegen mit ziemlicher Sicherheit geben wird: Umfangreiche Modellprojekte in Städten und Regionen. Eine Anhebung der entkriminalisierten Eigenbedarfsmenge. Eine sinkende Zahl von Strafprozessen wegen Cannabis.

Und irgendwann die Legalisierung in einem engen rechtlichen Rahmen, der Jugendschutz und Suchtprävention ernst nimmt. Denn die Frage ist nicht mehr, ob, sondern eben nur noch wann und wie die Legalisierung von Cannabis kommt.