Der Mindestlohn galt lange als Job-Killer. Klar machen Arbeitgeber keine Freudensprünge, wenn sie mehr Lohn zahlen sollen. Doch über Jahre wurde vor einer ökonomischen Katastrophe gewarnt, die durch die Einführung eines Mindestlohns in Deutschland drohen würde. Und das eben nicht nur von einschlägigen Arbeitgeberverbänden, sondern auch von unabhängigen Experten und Medien. Nun liegt die Einführung des Mindestlohns in Deutschland mehr als sieben Jahre zurück. Zeit also, zurückzuschauen: Welche Folgen hatte der Mindestlohn auf den Arbeitsmarkt? Dies hat jetzt die Mindestlohnkommission getan - ein von der Bundesregierung eingerichtetes unabhängiges Gremium. Das Fazit: Der Mindestlohn hat in Deutschland vielen Beschäftigten höhere Löhne gebracht - negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gab es kaum. Mindestlohn hatte kaum negative Auswirkungen - im Gegenteil Die Untersuchungen der Stunden- und Monatslöhne haben demnach gezeigt, dass die Lohnungleichheit seit der Einführung des Mindestlohns abgenommen hat. Nach der Einführung des Mindestlohns seien in betroffenen Betrieben leichte negative Effekte auf die Beschäftigung nachgewiesen worden. Bei den dann folgenden Mindestlohnerhöhungen habe es keine weiteren negativen Effekte mehr gegeben. Unterm Strich nannten die Wissenschaftler einen Rückgang um rund 76.000 Beschäftigungsverhältnisse durch den Mindestlohn bis einschließlich 2020.  Sicher, 76.000 verlorene Jobs sind nicht nichts. Doch von der großen Katastrophe für die deutsche Wirtschaft, von der im Vorfeld orakelt wurde, ist dies jedoch ein ganzes Stück entfernt. 76.000 Jobs in mehr als fünf Jahren - das entspricht einem Anstieg von nicht einmal 0,2 Prozent. In manchen Bereichen, so die Mindestlohnkommission, seien sogar positive Effekte auf die Zahl der Beschäftigten festgestellt worden.  Zum 1. Juli stieg der Mindestlohn nun von 9,82 Euro auf 10,45 Euro pro Stunde. Zum 1. Oktober folgt nach dem Wunsch der Politik ein außerplanmäßiger einmaliger Sprung auf 12 Euro pro Stunde. Das hat der Bundestag bereits beschlossen. Und wieder wird vor einer ökonomischen Katastrophe gesprochen. So führte beispielsweise das Handelsblatt aus, dass die geplante Erhöhung des Mindestlohns die Inflation weiter antreiben werde.  Das Schreckgespenst der Inflation  Statt Arbeitslosigkeit ist es nun also die Inflation, die als Schreckgespenst höhere Löhne im Niedriglohnsektor verhindern soll. Als seien die aktuellen Preissteigerungen auf höhere Löhne zurückzuführen und nicht auf Lieferengpässe und gestiegene Energiekosten durch den russischen Krieg in der Ukraine. Die Warnung, der steigende Mindestlohn würde den Konsum derart anheizen, dass die Preise weiter explodieren, ist angesichts der realen Probleme der Menschen an Zynismus kaum noch zu überbieten.  Auch die "konzertierte Aktion", die von SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz ins Leben gerufen wurde und in der die Bundesregierung gemeinsam mit Arbeitgebern und Gewerkschaften Maßnahmen gegen die Inflation entwickeln will, muss man unter diesem Gesichtspunkt kritisch betrachten. Noch hält sich Scholz bedeckt, was genau die Bundesregierung mit der Aktion eigentlich erreichen will. Doch ein Blick in die Geschichte hilft: In Folge der "konzertierten Aktion" Ende der 1960er Jahre verzichteten die Gewerkschaften auf höhere Lohnforderungen trotz steigender Preise, um der Inflation Herr zu werden. Allerdings unter der Bedingung, dass Lohnerhöhungen in den Folgejahren nachgeholt würden. Dies geschah nicht. Ergebnis: Die Reallöhne sanken, die Unternehmensgewinne stiegen.  Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist dank Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg derzeit sehr angespannt. Doch daraus abzuleiten, dass sich ausgerechnet jene zurückhalten sollen, die durch die steigenden Preise am härtesten getroffen werden, ist absurd. Stattdessen könnte man ja überlegen, ob nicht jene Unternehmen einen Beitrag zum Kampf gegen die Inflation leisten könnten, die trotz oder gerade wegen der Krisen hohe Gewinne eingefahren haben. Doch eine "Übergewinnsteuer" fand zuletzt keine politische Mehrheit. Die FDP beispielsweise warnte: Eine solche Steuer sei ungerecht und würde die Inflation weiter antreiben. Und natürlich - man ahnt es - Arbeitsplätze kosten.  Ich würde stark dafür plädieren, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Von mir aus können wir dann in ein paar Jahren eine unabhängige Kommission berufen, die die Folgen einer solchen Steuer ebenso wie die Folgen der Mindestlohnerhöhung analysiert. Ich bin schon jetzt sehr gespannt. mit dpa