Eine neue Studie will auf die prekäre Situation der Pflege in Deutschland aufmerksam machen. Für die "PflegeStudie 2022" wurden mehr als tausend Deutsche aus der sogenannten Babyboomer-Generation zum Thema Altenpflege befragt - und das Ergebnis ist ernüchternd.

Die Befragung wurden von der "opta data Zukunfts-Stiftung" in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement (IZZ) der Sigmund Freud Privatuniversität Wien durchgeführt. Nach eigenen Angaben liegen die Ergebnisse bislang nur der "Bild"-Zeitung vor. In einem Youtube-Video gibt die Zukunfts-Stiftung aber bereits einen kleinen Einblick in die erschreckenden Ergebnisse. Die Botschaft der Forschenden: Staat und Gesellschaft müssen jetzt handeln, sonst laufen wir "blind in die Pflege-Katastrophe".

Babyboomer-Generation wird zum Problem: Laut aktueller Studie droht Pflege-Katastrophe

Wieso fasst die Studie ausgerechnet Babyboomer ins Auge? Fast 20 Millionen Menschen in Deutschland zählen laut "opta data Zukunfts-Stiftung" zu dieser Altersgruppe. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Generation nicht einheitlich definiert ist. Während manche Statistiker die geburtenstarken Jahrgänge von Mitte der Fünfziger bis Mitte der Sechziger dazu zählen, orientiert sich die aktuelle Studie eher an der Definition des Statistischen Bundesamtes (1955 bis 1970). Die "PflegeStudie 2022" beschäftigt sich konkret mit den Jahrgängen 1955 bis 1969, also den aktuell 53- bis 69-Jährigen.

Doch ob ein Jahrgang mehr oder weniger: Die Babyboomer sind bereits seit den Neunzigern die größte Altersgruppe in Deutschland. "Das sind sie auch heute noch, sie sind aber in das höhere Erwerbsalter gekommen und werden in den nächsten zwei Jahrzehnten aus dem Erwerbsalter ausscheiden", schreibt das Statistische Bundesamt - und genau hier liegt das Problem. Denn nicht nur gehen immer mehr von ihnen in Rente, auch ihr Pflegerisiko steigt. "Uns fehlen 400.000 Pflegekräfte in diesem Zusammenhang", so Thomas Druyen vom IZZ im Video zur Studie. "Das ist nicht nur eine Zahl, sondern eine unglaubliche Dimension."

Wie die "Bild" mit Berufung auf die Studienergebnisse berichtet, wird bis 2030 ein Anstieg der pflegebedürftigen Menschen um 30 Prozent erwartet. Erst vor Kurzem hatte das Institut für Gesundheitswirtschaft vor diesem Problem gewarnt. Zwar ist die Zahl der Pflegekräfte laut Bundesamt für Arbeit gestiegen. Doch die Zahlen "dürfen uns nicht verleiten, uns zurückzulehnen", sagte der Direktor des Instituts, Thomas Busse, der Deutschen Presse-Agentur. Die Lage der Pflege habe sich vielmehr verschärft: Die Zahl der Pflegebedürftigen sei zwischen 2009 und 2019 um 76 Prozent gewachsen.

Zahl der Pflegebedürftigen steigt - doch Pflegekräfte fehlen

Gleichzeitig werden immer mehr Pflegekräfte fehlen, denn im Moment sind fast 30 Prozent der Mitarbeitenden in Pflegeberufen 55 Jahre alt oder älter. "Umso wichtiger war es, herauszufinden, wie diese Generation selbst über Pflege denkt", erklärte Studienleiter Druyen im Gespräch mit der "Bild". Laut den Studienergebnissen denken die Babyboomer aber so gut wie gar nicht über ihre künftige Pflege nach. Rund 84 Prozent der Befragten sehen die Pflege als Schicksal, auf das man sich nicht vorbereiten könne. 78 Prozent planen den Angaben zufolge ihre eigene Pflege zudem nicht.

Weitere Probleme, die die Studie aufgezeigt hat:

  • Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmenden empfindet das Thema Pflege als unangenehm - die fehlende Bereitschaft, sich auf die mögliche Pflegebedürftigkeit vorzubereiten, könnte also durch Schamgefühl befeuert werden.
  • 85 Prozent der Befragten gaben an, sie wollen nicht von Angehörigen gepflegt werden. Die Kosten für Individualpflege, abseits vom staatlich geförderten oder bezuschussten Pflegedienst, können sich aber nicht alle leisten: laut Studie nur etwa jeder Fünfte.
  • Insgesamt ist die Finanzierung der künftigen Pflege ein kritischer Punkt: Gerade mal 6,5 Prozent schätzen den Eigenanteil an den Pflegekosten korrekt ein.
  • Fast 80 Prozent sehen dagegen den Staat in der Pflicht, die Kosten und Organisation für die Pflege zu übernehmen. Doch Druyen warnt: "Das wird der Staat in Bezug auf Pflege und Rente nicht leisten können."

Das Fazit des IZZ-Direktors gegenüber der "Bild" ist eindeutig: "Die Politik muss jetzt schnell handeln und unsere gesamte Gesellschaft braucht ein ganz neues Mindset, sonst laufen wir in eine absolute Katastrophe hinein." Auch viele unserer Politiker sind übrigens von dem drohenden Kollaps betroffen, denn rund 44 Prozent von ihnen zählen zur Babyboomer-Generation. Druyen fordert, die Vision von Pflege neu zu denken und Lösungen zu entwickeln, müsse ein "Zeitwende-Thema" wie die Entscheidung zum Bundeswehr-Etat oder der Klimaschutz werden. Ein erster Schritt zur Vorbereitung auf die eigene Pflege ist, sich über die Pflegeversicherung zu informieren. Hier findet ihr einen Überblick mit den wichtigsten Leistungen und Kosten.

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