Drohen in diesem Winter flächendeckende Stromausfälle wegen der Energiekrise? Wie sicher ist die Stromversorgung in Deutschland? Und was passiert eigentlich bei einem Blackout? Diese Fragen beschäftigen aktuell viele Menschen.  Eine repräsentative Umfrage des Civey-Instituts ergab jüngst, dass eine Mehrheit (53 Prozent) der Bürgerinnen und Bürger deswegen in großer Sorge ist. Bei den 18- bis 29-Jährigen waren es sogar 60 Prozent, wie das Nachrichtenportal "Watson" berichtete. Doch wie wahrscheinlich ist das Szenario Blackout tatsächlich und ab wann wird es wirklich kritisch? Der Oberste Katastrophenschützer hat erst kürzlich seine Einschätzung zu möglichen Stromausfällen gegeben. Stromausfall kann erhebliche Folgen für kritische Infrastruktur haben Ein Blackout, also ein langer, flächendeckender Stromausfall, ist nicht nur im eigenen Haushalt problematisch, sondern kann vor allem für die kritische Infrastruktur erhebliche Auswirkungen haben. Kritische Infrastrukturen (KRITIS) werden als "Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen" definiert, "bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen oder öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden". So heißt es in der "Nationalen Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen" des Bundesinnenministeriums aus dem Jahr 2009. Was passieren kann, wenn wichtige Systeme der kritischen Infrastruktur ausfallen, konnte man am vorletzten Wochenende sehen, als Unbekannte Kommunikationskabel der Deutschen Bahn durchtrennten und in der Folge im Norden Deutschlands der Bahnverkehr für mehrere Stunden ausfiel.  Doch worauf müssen wir uns einstellen, sollte tatsächlich bundesweit der Strom der ausfallen - und das für einen längeren Zeitraum? Die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in Deutschland (AGBF) hat für diesen Fall bereits 2015 ein Arbeitspapier entwickelt. In diesem werden auch die Auswirkungen eines Stromausfalls auf Behörden des Katastrophenschutzes beschrieben. Weiterhin werden sechs Phasen eines Stromausfalls und seiner Folgen dargestellt. Diese sechs Phasen gibt es bei einem flächendeckenden, langen Stromausfall Das Papier der Berufsfeuerwehren, welches inFranken.de vorliegt, dient auch heute noch als Grundlage für kommunale Unternehmen, sollte eine Krise eintreten. "Die Auswirkungen eines Stromausfalles auf die Katastrophenschutzbehörden beginnen unmittelbar und eskalieren schnell", heißt es in dem Arbeitspapier. Um die Brisanz und Schnelligkeit der Ausfälle von kritischen Infrastrukturen und den damit verbundenen Folgen für Feuerwehren, Rettungsdienste oder nicht polizeiliche Leitstellen, werden in dem Papier durch sechs zeitliche Phasen beispielhaft beschrieben:  1. Im Zeitraum von 0 bis 10 Minuten: In den ersten zehn Minuten gehen für gewöhnlich Meldungen und Nachfragen von Privatpersonen und/oder Institutionen ein. Es wird darauf hingewiesen, dass es derzeit zu Problemen kommt. Zudem gibt es die ersten Einschränkungen bei der öffentlichen Telekommunikation, da das Mobilfunk- und Festnetz teilweise ausfällt. Das heißt auch, dass die Kommunikation mit anderen Behörden der Gefahrenabwehr (Polizei, Feuerwehr, etc.) gestört ist. Aus steckengeblieben Aufzügen kommen die ersten Hilferufe.  2. Im Zeitraum von 10 bis 60 Minuten: Als Folge von Betriebsstörungen werden die ersten automatischen Brandmeldeanlagen ausgelöst. Aufgrund anlaufender Notstromaggregate kann es zu Meldungen von Bränden kommen. Die öffentliche Kommunikation (Handy-Netze) brechen durch Überforderung zusammen. Das liegt vor allem daran, dass zeitgleich viele Menschen versuchen, private Termine zu verschieben. Im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) mit Elektroantrieb kommt es zu Störungen. Zudem kommt es auch auf den Straßen zu Chaos. Einerseits wird das damit begründet, dass Ampelanlagen ausfallen und andererseits damit, dass sich wegen der liegengebliebenen öffentlichen Verkehrsmittel noch mehr Menschen ins Auto setzen. 3. Im Zeitraum von einer bis zwei Stunden: Bei der Versorgung von Patienten im privaten Bereich kommt es zu den ersten Einschränkungen. Mit Strom angetriebene Geräte, wie Beatmungsmaschinen, Sauerstoff- oder Dialysegeräte, funktionieren nicht mehr. Es kommt zu ersten "Hilfeersuchen", heißt es. Ein weiteres Problem tritt in dieser Phase auf: Je nach Witterung machen sich Ausfälle von Heizungen und Klimaanlagen bemerkbar. 4. Im Zeitraum von zwei bis acht Stunden: In der vierten Phase nehmen die Hilferufe von nicht mehr versorgten Patienten deutlich zu. Der BOS-Funk, den Sicherheitsbehörden in Deutschland und Österreich sowie die Bundeswehr nutzen, fällt aus, weil der Akku der Basisstationen leer wird. Die öffentliche Telekommunikation fällt komplett aus - die Infrastruktur für Mobil- und Festnetztelefonie bricht zusammen. Weiterhin zeigt der "Ausfall von Komponenten der Wasserversorgung" erste Auswirkungen. Es kommt zu ersten Problemen bei der Massentierhaltung. 5. Im Zeitraum zwischen acht und 72 Stunden: Gefahrenmeldeanlagen und Brandmeldeanlagen fallen aus. Es kommt zu massiven Problemen bei der Massentierhaltung und die ersten Autos bleiben liegen, weil es an Tankstellen keinen Sprit mehr gibt. Bei der Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln kommt es zu ersten Engpässen. Da der Strom ausgefallen ist, versuchen immer mehr Menschen Feuer zu machen. In der Folge des unsachgemäßen Umgangs kommt es zu Bränden. Nahezu Kräfte lokaler Katastrophenschutz-Einrichtungen sind im Einsatz.  6. Im Zeitraum ab 72 Stunden Stromausfall: Es kommt jetzt zu "massiven Versorgungsengpässen bei allen Gütern des täglichen Bedarfs, auch in den Haushalten, die Vorsorge getroffen haben". Viele öffentliche Dienstleistungen sind nun funktionsunfähig. Folglich kommt es zu einer Destabilisierung gesellschaftlicher Strukturen. Der lokale Katastrophenschutz hat keine Ressourcen mehr, er muss überregional Hilfe anfordern.  Wie sieht es mit der Notstromversorgung in Krankenhäusern aus? In dem Szenario eines flächendeckenden Stromausfalls der Berufsfeuerwehren werden die Auswirkungen auf Polizeibehörden nicht beschrieben. Diebstähle, Einbrüche und Plünderungen würden die "polizeilichen Ressourcen parallel erheblich binden", heißt es. Weiterhin kommt die AGBF zu der Erkenntnis, dass die Notstromaggregate der Katastrophenschutzbehörden nicht ansatzweise ausreichen würden, um im Falle eines Blackouts "auch nur die Bedarfe zu decken, die zur Vermeidung von schweren Personen- oder Sachschäden erforderlich wären". Ebenfalls nicht berücksichtigt im Notfall-Papier der Berufsfeuerwehren ist die Notstromversorgung in Kliniken. Die Überbrückung mit Notstrom reicht laut einer aktuellen Umfrage zufolge bei mehr als der Hälfte der Krankenhäuser (59 Prozent) nur für wenige Tage. Das ist das Ergebnis einer Erhebung des Deutschen Krankenhaus-Instituts (DKI), die der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag (18. Oktober 2022) vorlag. 21 Prozent der Kliniken könnten demnach bei einem Stromausfall nur wenige Stunden durchhalten. Jedes Krankenhaus sei aber in der Lage, zwischenzeitlich zu überbrücken.  Sollte es zu einem mehrtägigen Stromausfalls kommen, könnten laut Umfrage bloß 14 Prozent der befragten Krankenhäuser hinsichtlich ihrer Patientenversorgung normal agieren - rund 40 Prozent der Kliniken nur mit deutlichen Einschränkungen oder nur mit der Notfallversorgung. Bei 7 Prozent der Krankenhäuser müsste die Versorgung demnach sogar eingestellt werden. Wie wahrscheinlich ist ein Blackout in Deutschland? Doch wie wahrscheinlich ist das Ganze überhaupt? Der Strommarktexperte Christian Rehtanz geht nicht von einer größeren Stromausfall-Gefahr in diesem Winter aus. "Das Stromsystem wird in der Spitze durch Gaskraftwerke abgesichert, um die benötigte Leistung zu decken", sagt der Professor für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der Technischen Universität Dortmund. Auch Strommarktexperte Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool befürchtet in diesem Winter in Deutschland keinen Blackout, also einen unkontrollierten Zusammenbruch der Elektrizitätsversorgung. "Möglich ist allenfalls ein sogenannter Brownout, bei dem die Übertragungsnetzbetreiber einzelne Großverbraucher oder Regionen stundenweise vom Netz nehmen müssten", sagt Huneke. Dies könne bei großer Kälte etwa am frühen Abend geschehen, wenn der Haushaltsstromverbrauch stark zunehme. Fazit: Müssen wir uns auf das Szenario Blackout einstellen? Sollte es zu lokalen Stromausfällen kommt, wie es immer mal wieder vorkommen kann, besteht kein Grund zur Panik. Kritisch wird es erst, wenn der Strom bundesweit länger als ein paar Stunden ausfallen würde. Die oben beschriebenen Phasen setzen einen flächendeckenden Stromausfall über einen längeren Zeitraum voraus.  Der Bundesnetzagentur wurden 2020 bundesweit exakt 162 224 Stromausfälle in 868 Stromnetzen bekannt, etwa 2400 mehr als 2019. Bezogen auf den einzelnen Kunden bedeutete das im Schnitt 10,73 Minuten lang keinen Strom, wohlgemerkt im ganzen Jahr. Dies war die bisher geringste Ausfallzeit seit der ersten Erhebung durch die Behörde 2006. Der Mittelwert der Jahre 2010 bis 2020 liegt bei 14,05 Minuten. Die Bundesnetzagentur sprach bei der Veröffentlichung der Zahlen von einem "konstant hohen Niveau" der "Versorgungszuverlässigkeit". "Aufgrund der immensen Wichtigkeit des Stromsektors wird man alles tun, um dieses lauffähig zu halten", erklärt Christian Rehtanz. Er geht davon aus, dass sogar im Fall einer Gasknappheit Gas vorrangig zur Stromerzeugung eingesetzt wird und eher Industriekunden nicht mehr mit Gas versorgt werden. dn/mit dpa