Das Wahlsystem in Deutschland gilt nicht gerade als einfach und verständlich. Erst- und Zweitstimme, Direktmandate, Überhang- und Ausgleichsmandate - das Wahlrecht auf einem Bierdeckel zu erklären, dürfte relativ schwerfallen. Doch das Wahlsystem ist nicht nur kompliziert, es führt auch zu einem immer größer werdenden Bundestag. Und das ist nicht nur seltsam, sondern auch richtig teuer: Über 400 Millionen Euro sollen die aktuell 138 Überhang- und Ausgleichsmandate im Bundestag kosten, rechnete der WDR vor.  Insagesamt sitzen derzeit 736 Abgeordnete im Bundestag. Eigentlich sollten es nur 598 sein - der Rest sind Überhang- und Ausgleichsmandate. Und die gibt es vor allem wegen der CSU. Wenn nun also die Ampel-Regierung Ernst macht und das Wahlrecht noch vor Ende des Jahres reformieren will, trifft das vor allem die CSU und Markus Söder hart. In Zukunft könnten es einige CSU-Politiker dann nicht mehr in den Bundestag schaffen - auch wenn sie in ihrem Wahlkreis das beste Ergebnis erreichen sollten. Wahlrechtsreform: Um was geht es eigentlich? Bei der Bundestagswahl haben die Menschen Erst- und Zweitstimme. Die Erststimme gibt man dem oder der Kandidat*in im eigenen Wahlkreis. Die Zweitstimme gibt man hingegen einer ganzen Partei. Entscheidend ist aber eigentlich nur die Zweitstimme: Sie legt letztlich fest, welches Gewicht die Parteien am Ende im Bundestag haben. Doch was, wenn die Partei mehr Wahlkreise gewinnt, als sie anhand der Zweitstimmen bekommen dürfte? Dann erhält die Partei Überhangmandate. Bei der CSU waren das 2021 allein 11 - denn trotz eines relativ schlechten Zweitstimmenergebnisses gewann die CSU 45 von 46 bayerischen Wahlkreisen für sich. Doch dadurch hätte die CSU insgesamt ja wieder zu viele Stimmen im Bundestag. Um dies auszugleichen, gibt es Ausgleichsmandate. Der Name ist hier also Programm: Die anderen Parteien bekommen so viele zusätzliche Mandate, bis das Stimmenverhältnis im Bundestag wieder exakt dem Zweitstimmenanteil entspricht. Das klingt nicht nur kompliziert, es ist auch äußerst unpraktisch - weshalb die Parteien bereits seit vielen Jahren über eine Reform des Wahlrechts streiten beziehungsweise sich schon mehr oder weniger erfolglos daran versuchten. Was ist der Plan? Einen genauen Plan gibt es noch nicht. Bereits im Mai hatten die Ampelparteien einen Vorschlag für das künftige Wahlrecht vorgelegt. Die Idee: In Zukunft sollen die Menschen drei statt zwei Stimmen haben - und dafür Überhangmandate entfallen. Doch ob das Einführen einer zusätzlichen Stimme das Wahlsystem wirklich vereinfacht? Zumindest hat sich die Regierung bisher nicht auf einen endgültigen Entwurf für ein neues Wahlrecht festgelegt. Sicher ist aber, dass das Hauptziel die Abschaffung der Überhang- und Ausgleichsmandate sein soll. Das bedeutet: In Zukunft soll es immer 598 Bundestagsabgeordnete geben.  Die Parteien bekommen dann genau so viele Mandate, wie ihnen nach dem Zweistimmenergebnis zustehen.  Doch genau darin liegt das Problem. Und dies ist auch der Grund, warum die Unionsparteien schon einmal angekündigt haben, notfalls vor dem Verfassungsgericht gegen die geplante Reform vorgehen zu wollen. Denn wenn sich die Mandate allein nach den Zweitstimmen richtet, dann kommen unter Umständen Wahlsieger aus manchen Wahlkreisen trotzdem nicht in den Bundestag. Was bedeutet das für die CSU und Bayern? Besonders betroffen wäre wie gesagt die CSU. Sie würde, wenn sonst alles gleich bliebe, bei der nächsten Wahl ihre 11 Mandate verlieren. Hätte also statt 45 nur noch 34 Abgeordnete im Bundestag - also gut ein Viertel weniger Einfluss. Das dürfte weder der CSU noch Ministerpräsident Markus Söder gefallen. Besonders dürfte es jedoch den CSU-Kandidat*innen der bayerischen Städte missfallen. Denn nach dem Vorschlag der Ampel entfallen für die Parteien dann jene Direktmandate aus Wahlkreisen, in denen sie das schlechteste Ergebnis erreichen konnten.  In der Regel sind dies jedoch die Städte, da hier die Basis der CSU deutlich schwächer als auf dem Land ist.  Welche Wahlkreise in Bayern würden ihren Bundestagsabgeordneten verlieren? Schaut man auf die Ergebnisse der Bundestagswahl 2021 und überlegt sich, was passiert wäre, wäre die geplante Reform damals schon umgesetzt worden, zeigt sich folgendes Ergebnis: Die CSU hätte 11 Abgeordnete weniger, als sie mit den Überhangmandaten hat. Die 11 Abgeordneten, die aus dem Bundestag fliegen würden, wären jene, die ihren Wahlkreis mit dem schwächsten Ergebnis gewonnen hatten. 2021 wären das gewesen: München-Nord:  Loos, Bernhard Siegfried (25,7%) München-West/Mitte: Pilsinger, Stephan Nikolaus (27,0%) Augsburg-Stadt: Ullrich, Dr. Volker Michael (28,1%) Nürnberg-Nord: Brehm, Sebastian (28,5%) Oberallgäu: Wittmann, Mechthilde (29,7%) Passau: Scheuer, Andreas Franz (30,7%) München-Ost: Stefinger, Dr. Wolfgang Dieter (31,7%) Fürth: Winkler, Tobias (33,5%) Nürnberg-Süd: Frieser, Michael (34,4%) Schwandorf: Englhardt-Kopf, Martina (35,1%) Rottal-Inn: Straubinger, Max (35,1%) Vor allem die Abgeordnete der Städte Nürnberg und München hätten es also nicht in den Bundestag geschafft. Auch Andreas Scheuer hätte seinen Sitz verloren. Doch ob die Reform so wie geplant umgesetzt werden kann, oder noch am politischen und juristischen Widerstand scheitert, bleibt abzuwarten.