Über 4000 Whiskyflaschen lagern im Burgkeller Mit dabei: Keepers of the Quaich und andere Expert*innen Raritäten, die nie für den Verkauf bestimmt waren Die Sackpfeife quetscht ihre Melodien in die Hunsrück-Luft am Kyrburg-Hang über dem Landstädtchen Kirn. Das bildet den Auftakt zum Whisky-Tasting im Whiskymuseum Kyrburg. Zweimal pro Woche, meist freitags und samstags, lädt Horst Kroll (67), ehemaliger Burgherr und Chef des Whiskymuseums, zuerst in den Burghof: Das Holzfeuer brennt in den Metallkörben, die Gäste haben alle bereits einen Tumbler in der Hand. Gleich geht es ins Restaurant, dann in den Keller. Über 5200 Flaschen ruhen dort und bergen ihre Schätze bis zum letzten Tropfen. Europas Whisky-Hauptstadt liegt in der Provinz Bei dieser Anzahl müssen sogar die großen Sammlungen in Schottland passen: Europas Whisky-Hauptstadt ist ein Kleinstädtchen in Deutschland. Seinen Anfang nahm die Riesen-Sammlung ganz schlicht. Um dem deutschen Wehrdienst zu entgehen, setzte sich der junge Koch Horst Kroll nach Großbritannien ab. Er verliebte sich in Whisky, Land und Leute. Als er später zurückkehrte, folgte ihm seine britische Braut. Als dann in den späten 80er Jahren der Stadt Kirn ihr Wahrzeichen, die Kyrburg, zu teuer wurde, mietete er sich als Burgherr ein - und entschloss sich, nach seiner Frau Sally nun auch den Whisky von der Insel an die Nahe zu holen. Seitdem schlummert im Keller der Burg der Whisky, während darüber, im Garnisonshaus, dem letzten bewohnbaren Gebäude der früheren Residenz der Wildgrafen, auf hohem Niveau gekocht wird. Das Whiskymuseum bietet Einsteiger*innen-Tastings genauso wie Whisky-Proben für Fortgeschrittene - zu entsprechenden Preisen. Vor dem Tasting gibt es ein Drei-Gänge-Menü: Ein Geschäftsmodell, das Whiskyfreunde aus der ganzen Republik nach Kirn lockt und so die Existenz des Restaurants mit sichert. Das gilt auch noch heute, in Zeiten, in denen Horst Kroll das Restaurant längst an Sascha und Leonie Bronnenkant übergeben hat. Das Museum jedoch leitet Kroll weiter - seit langem bereits mit tatkräftiger Unterstützung des neuen Burgherren, Dirk Möller, der ebenfalls ein Whisky-Afficionado ist. Ihm ist es zu verdanken, dass die Ursprungssammlung von über 3000 Flaschen auf die heutige Größe anwuchs. Nach dem Menü geht es hinunter in den Keller, dessen Wände dort, wo ausnahmsweise einmal keine Whiskyflaschen stehen, allerlei Instrumente und Werkzeuge aus der Whisky-Herstellung zieren, dazu Whisky-Werbefiguren und ganze Fässer. An langen Holzbänken wird serviert: Nur ein kleiner Schluck ist es. Die Aromen zu schmecken, sie zu beschreiben und die Geschmacksknospen zu trainieren: Darum geht es. Wie unterscheidet sich rauchig von torfig, wo sind Algen zu schmecken, wo ist es Salz, wo Aromen wie Rosen oder Pflaume? Kroll leitet durch die Tastings, die oftmals bis in den späten Abend andauern. Zu außergewöhnlichen Anlässen kommen auch andere Whisky-Experten auf die Burg. Oftmals Keepers of the Quaich wie Kroll selbst oder gar Brennmeister. Einem Keeper of the Quaich wird von der schottischen Whiskyindustrie besonderes Fachwissen rund um den Brand aus dem Norden Großbritanniens bescheinigt. Der Durst nach jedem Tasting ist groß Nach Ende des Tastings haben die meisten Teilnehmer*innen in der Hauptsache eines: Durst. Über Stunden nehmen die Whisky-Freund*innen nur winzige Mengen Flüssigkeit zu sich. Höchstens mal ein paar Tropfen stilles Wasser kommt im Nosing-Glas dazu, um so die Aromen besser zu entfalten. Gut, dass im Keller auch eine Bar ist. Denn diese wird nach dem Tasting oft gestürmt, um mit großen Mengen Kirner Biers die trockenen Kehlen anzufeuchten. Wer dann noch Zeit und Muße hat, kann beim Spätimbiss Raritäten bestaunen: zum Beispiel die vielen Parlamentswhiskys, die jeweils unterschiedliche Brennereien exklusiv fürs britische Parlament bereitstellen. Auf verschlungenen Pfaden fanden sie bisher zumeist ihren Weg in den Burgkeller. Oder ein kleines Fläschlein mit Bleikapsel als Verschluss und mit gerade noch lesbarem handschriftlichen Etikett: Ein Whisky, der aus einem im 18. Jahrhundert gesunkenen Schiff geborgen wurde. Selbstverständlich fehlen auch nicht die Flaschen dieser beiden anderen großen Whiskynationen, Irland und Japan, in der Sammlung. Ja, selbst vietnamesischer Schlangenwhisky, der so heißt, weil sich der Whisky das Flascheninnere mit einem toten Reptil teilt, ist zu sehen - eben die ganze Welt des Whiskys. Infos zu Tastings beim Restaurant und Whiskymuseum Kyrburg, Auf der Kyrburg 1, 55606 Kirn, Telefon 06752/911 90, E-Mail: reservierung@kyrburg.de Zum Weiterlesen:  Whisky oder Whiskey: Der Unterschied liegt nicht nur in der Schreibweise