Wir haben in Rheinland-Pfalz also die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer. Das erklärte der Landesrechnungshof dieser Tage. Im vergangenen Jahr hätten wir uns noch brüsten und auf die Saarländer zeigen können. In diesem Jahr müssen wir den Zeigefinger dann doch auf uns richten. Und da brauchen wir auch nicht der Corona-Pandemie die Schuld zu geben.

3035 Euro pro Kopf müssen wir stemmen. Das sind knapp 1000 Euro weniger als der Durchschnittsdeutsche brutto verdient – außer er arbeitet in der IT, im Finanzsektor oder bei Energieversorgern. Diese Arbeitnehmer müssten wohl „nur“ einen Monat auf ihr Nettogehalt verzichten und wären aus der Sache draußen. Bekanntlich arbeiten wir aber nicht alle dort. 

Die Lage ist ernst im Kreis Kusel

Viel ernster scheint die Lage jedoch im Kreis Kusel zu sein. Wir müssen 5800 Euro pro Kopf stemmen. Mit Bescheidenheit hat das wenig zu tun. Aber ich sage bewusst wir, denn ich lebe in diesem Landkreis, der das traurige Ranking im Landkreisvergleich von Rheinland-Pfalz anführt. Da müssen dann auch Banker und IT-Experten länger arbeiten gehen, um diese Schulden zu tragen. Nicht jeder hat Biontech im Gewerbegebiet stehen – so wie Mainz oder Idar-Oberstein, die dank des Entwicklers des Impfstoffes Comirnaty regelrecht in Gewerbesteuereinnahmen schwimmen – quasi Dagobert Ebling im Geldspeicher.

Aber werfen wir doch wieder den Blick in den beschaulichen Landkreis Kusel. Wie lebt es sich mit dem meisten Pro-Kopf-Schulden? Dem Klischee nach klingt das Ganze vermutlich nach Kriminalität wie am Frankfurter Hauptbahnhof oder auf dem Kiez. Um nun alle Leser*innen zu beruhigen: Ich kann nicht an jeder Ecke illegale Drogen oder Waffen kaufen. Ich wüsste nicht einmal, wo ich überhaupt welche kaufen könnte. So schlimm kann es hier also gar nicht sein. 

Rund 70.000 Menschen teilen sich im Kreis Kusel 573,58 Quadratkilometer. Seit 2018 leben wir nach verschiedenen Fusionen in drei Verbandsgemeinden. So viel zu den Fakten – was ist nun so lebenswert hier? Wer so viele Schulden auf dem Buckel hat, muss schließlich einen Grund haben, dort zu leben. Daher möchte ich heute eine Lanze für meine Heimat brechen.

So schlimm ist es nun auch wieder nicht

Ich selbst könnte mich täglich fragen, warum ich nach meinem Studium in Mainz wieder zurückgekehrt bin. Frei nach dem Motto „Mainz bleibt Mainz“ ist es die schönere Gegend – indiskutabel. Punkt. Gegen den Rhein kann der kleine Fluss Glan leider nicht mithalten. Und doch: Es ist schön im Kreis Kusel. Wir haben mit der Burg Lichtenberg ein geschichtsträchtiges Gebäude, auf dessen Turm mit Sicherheit jede*r Schüler*in mindestens einmal hinaufgehetzt wurde.

Aber auch der Süden des Kreises kann sich sehen lassen. Zwischen den Dörfern Gries und Schönenberg-Kübelberg liegt der idyllische Ohmbachsee. Dort findet jedes Jahr das „Romantische Seefest“ statt. Zugegeben: In der Vergangenheit haben Komasäufer*innen und andere Straftäter*innen dafür gesorgt, dass es vor dem Aus stand. Aber Glück im Unglück: Es ging weiter – dann kam Corona. So ziemlich jede*r hier hofft, dass die Pandemie nicht das endgültige Aus für das traditionsreiche Fest bedeutet.

Für die Fußballfans: Weltmeister und Rekordtorschütze Miroslav „Miro“ Klose ist ein Kuseler. Kulturfans dürfte der Name Fritz Wunderlich ein Begriff sein. Der Opernsänger widmete seiner geliebten Heimat sogar ein eigenes Lied – das „Kusellied“. Wir können uns zwar nicht mit Namen wie Bruce Willis (geboren in Idar-Oberstein) oder Mark Forster (ein Winnweilerer) brüsten. Aber müssen wir damit angeben, was wir haben? 
Ich könnte jetzt noch zahlreiche weitere Vorteile meiner Heimat aufzählen. Aber Bescheidenheit schadet nicht.