Lerne die Geschichte des Freistaates Flaschenhals kennen, ein Gebiet, das aufgrund eines Planungsfehlers nach dem Ersten Weltkrieg isoliert war und eine eigene Infrastruktur entwickelte.

Der Freistaat Flaschenhals entstand 1919 durch einen Planungsfehler nach dem Ersten Weltkrieg und umfasste Städte und Gemeinden wie Lorch und Kaub, die vom Rest Deutschlands abgeschnitten waren.

Die Versorgung und Verwaltung war schwierig, so führte das politische Oberhaupt, Edmund Pnischeck, ein Notgeld ein und sorgte für eine provisorische Infrastruktur. Trotz Herausforderungen lehnten die Einwohner eine Besetzung ab. 1923 endete die Existenz des Freistaates durch Besetzung der französischen Armee. Heute erinnern touristische Aktivitäten und Sammlerobjekte an den Freistaat Flaschenhals.

Die Entstehung des Freistaates Flaschenhals

Der Erste Weltkrieg war zu Ende. Die Landkarte veränderte sich drastisch. Alte Bündnisse und Staatengebilde verschwanden, neue Länder entstanden; beispielsweise Finnland, Estland, die Tschechoslowakei und Jugoslawien. Das Deutsche Reich musste Teile seines Territoriums abgeben, Österreich-Ungarn existierte als solches nicht mehr. Andere Staaten vergrößerten sich; zum Beispiel Belgien, Italien und auch Frankreich. Bei aller Planung geschah dann etwas, was als eine Art Treppenwitz der Geschichte gilt.

Es begann mit dem Waffenstillstand von Compiègne, am Ende des Ersten Weltkriegs. Die Armeen der Alliierten besetzten deutsche Gebiete. Ziel war es, eine erneute Aufrüstung zu verhindern. Östlich des Rheins wurden rund um Köln, Koblenz und Mainz halbkreisförmige Brückenköpfe mit einem Radius von etwa 30 Kilometern errichtet. In Koblenz saßen die USA, die Franzosen in Mainz. Dazu gab es noch einige Besatzungszonen. Nun berührten sich die Brückenköpfe bei Laufensfelden im Taunus. Das hatte zur Folge, dass dort ein schmaler Streifen unberührtes Gebiet entstand, eben ein Flaschenhals

Das hatte fatale Folgen, denn dieser "Flaschenhals" war kein völkerrechtlich anerkannter Staat. Vom Rest Deutschlands, der neu gegründeten Weimarer Republik, war das Gebiet abgeschnitten. Dort lebten circa 8000 Menschen in den Städten Lorch und Kaub, sowie in den Gemeinden Lorchhausen, Sauerthal, Ransel, Wollmerschied, Welterod, Zorn, Strüth und Egenroth. Besonders schwierig war die Versorgung, die Orte waren über das Straßennetz kaum erreichbar. Alle Straßen, die in den Flaschenhals hineinführten, waren an den Grenzen blockiert und man benötigte einen speziellen Pass, um sie passieren zu können. Es fuhren zwar Züge hinein, hielten aber nicht an den Bahnhöfen an. Teilweise existierten so gut wie keine nutzbaren Verkehrsverbindungen zwischen den einzelnen Orten.

Leben im Flaschenhals und das Ende

Auch die Verwaltung des Gebietes war schwierig. Pro forma lag diese beim Landrat des Kreises Limburg, der nächstgelegenen nicht besetzten Kreis- und Gerichtsstadt. Allerdings war diese von den Orten im Flaschenhals kaum zu erreichen. So wurde der Lorcher Bürgermeister Edmund Pnischeck zum Vertreter des Landrates ernannt und quasi zum politischen Oberhaupt des Flaschenhalses. Er führte ein Notgeld ein. Damit bekam der Flaschenhals eine eigene Währung, welche mit Sprüchen bedruckt war, beispielsweise "Nirgends ist es schöner als in dem Freistaat Flaschenhals". Pnischeck ließ eine provisorische, teilweise nur mit Holzknüppeln befestigte Straße nach Limburg bauen und mithilfe des dortigen Telegrafenamtes auch eine Telegrafenleitung errichten. Schon bald konnte eine offizielle Postverbindung mittels Pferdefuhrwerken nach Limburg eingerichtet werden. Vorher waren Briefe, wie auch Lebensmittel, per Schmuggel in das Gebiet gelangt. 

Das Leben dort war, wie man sich vorstellen kann, nicht einfach. Trotzdem waren die Einwohner*innen strikt gegen eine Besetzung des Gebietes. Man war lieber frei, trotz aller Unsicherheiten. Allerdings war gerade den Franzosen der Freistaat ein Dorn im Auge, vor allem durch den nicht zu verhindernden Schmuggel zwischen dem Flaschenhals und den besetzten Gebieten. Zusätzlich war der Flaschenhals ein beliebter Fluchtweg für geflüchtete Kriegsgefangene in die unbesetzte Weimarer Republik.

Am 25. Februar 1923 kam das Ende für den Freistaat. Durch die ausbleibenden Reparationszahlungen hatte die französische Armee das Ruhrgebiet besetzt und auch die Ortschaften des Flaschenhalses. Bürgermeister Pischneck und der Limburger Bürgermeister Marcus Krüsmann wurden wegen diverser Vergehen, unter anderem wegen Nichteinhaltung der Reparationszahlungen, zu Haftstrafen verurteilt. Die Einwohner*innen leisteten, wie von Berlin gefordert, passiven Widerstand, der bis zum 24. November 1924 andauerte. Dann zogen die französischen Truppen ab, die Besatzung war beendet. Pro forma existierte der Freistaat noch bis zum 30. Juni 1930, dem endgültigen Ende der Rheinland-Besatzung.

Und heute?

Auch wenn es nie einen offiziellen Freistaat gegeben hat, so ist dieser in den Köpfen der dort heute lebenden Menschen immer noch präsent. Man machte daraus eine Geschäftsidee. 1994 wurde die sogenannte "Freistaat-Flaschenhals-Initiative" von Winzern und Gastronomen der Region zu touristisch-kommerziellen Zwecken gegründet. Diverse Hinweisschilder lassen die Erinnerung an die Zeit des Flaschenhalses weiterleben, so zum Beispiel am Rheinufer bei der Ausfahrt von der Fähre von Niederheimbach nach Lorch und am Ortseingang von Zorn.

Auch gibt es noch Geldscheine aus der Zeit, die heute beliebte Sammlerobjekte sind. Lokale Sehenswürdigkeiten und lokale Sehenswürdigkeiten sind darauf abgedruckt. Zu erwähnen ist der rote Spaßpass "Freistaat Flaschenhals" mit gastronomischen Empfehlungen, der eindeutig als Werbung für die Lokale der Region zu verstehen ist. 

Zu finden ist der "Freistaat" inmitten des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal. Als besonderen Gag kann man einen Pass erwerben, in welchem man die doppelte Staatsbürgerschaft eintragen kann. Damit wird man offiziell "Freistaatbürger". Doch schmuggeln muss man heute nicht mehr.

Fazit

Die Geschichte des Freistaates ist eine Anekdote der Geschichte. Es war mit Sicherheit für die Menschen damals nicht so lustig, dort zu leben. Heute kann man darüber schmunzeln und die dort damals lebenden Einwohner*innen ein wenig mit dem kleinen gallischen Dorf vergleichen, die sich gegen eine Übermacht im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Wehr setzten. Oder machten sie aus der Not eine Tugend und gründeten eben einfach einen eigenen Staat? Auf jeden Fall ist es eine Geschichte, die erzählenswert ist.

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