Das Modell der offenen Beziehung bekommt immer mehr Aufmerksamkeit. Doch was genau kann man sich darunter vorstellen? Wir haben die Antworten!

Immer mehr Menschen interessieren sich für alternative Beziehungsmodelle. Vielleicht befinden auch Sie sich unter diesen Menschen. Die offene Beziehung ist eine interessante Abwechslung zur klassischen, monogamen Partnerschaft. Wir erklären, wie eine offene Beziehung aussehen kann und was die Vor- und Nachteile dieses Beziehungsmodells sind. 

Eva-Maria Hesse, Expertin:
Expertin Eva-Maria Hesse

Eva-Maria Hesse ist systemische Paar- und Familientherapeutin. Sie berät in ihrer Praxis in Nürnberg Singles und Paare sowohl zum Umgang mit Trennung und Krisen als auch zu Achtsamkeit, gelingender Partnerschaft und Resilienz. Als gefragte Expertin hält sie Vorträge und beantwortet in verschiedenen Medien Fragen zu Beziehungsthemen. Detaillierte Informationen finden Sie auf ihrer Homepage. 

Was bedeutet „offene Beziehung“? 

Verfechter der offenen Beziehung gehen davon aus, dass der Mensch nicht für Monogamie, also sexueller Treue, gemacht ist. Dadurch seien Beziehungsprobleme wie Fremdgehen vorprogrammiert. Die Lösung dafür scheint logisch: Du führst eine Partnerschaft, in der neben dem gemeinsamen Sexleben Seitensprünge erlaubt sind. Der Unterschied zur Polyamorie besteht darin, dass es bei Dates mit anderen nur um Sex gehen soll. Im Bereich Gefühle und Liebe bleibt ihr euch treu.  

Eva-Maria Hesse, Paar- und Familientherapeutin:
Expertin Eva-Maria Hesse

Eine offene Beziehung ist von der Definition her eine Beziehung, wo beide Partner besprochen haben, also auch klar das Einverständnis gegeben haben, dass sexuelle Kontakte außerhalb der Beziehung gelebt werden dürfen. Also dass es andere Sexualpartner geben darf. 

Für wen ist die offene Beziehung geeignet? 

Viele Singles sind explizit auf der Suche nach einer offenen Beziehung. Das macht die Sache leichter, da die Bedingungen von Anfang an bekannt sind. Doch auch Paare, die schon länger monogam zusammen sind und ihr Sexleben vielleicht zu langweilig finden, können sich für eine offene Beziehung begeistern. Das Wichtigste dabei ist gegenseitiges Vertrauen. Nur, wer sich der gegenseitigen Liebe sicher ist, sollte das Experiment starten. Auch Sie sollten sich bewusst machen, dass offene Beziehungen mehr Zeit erfordern. Zum einen müssen Sie beide genug Freiraum für Dates mit anderen haben, zum anderen sind ausgiebige und ehrliche Gespräche über die Situation und aufkommende Gefühle wichtig.  

Eva-Maria Hesse, Paar- und Familientherapeutin:
Expertin Eva-Maria Hesse

Meiner Meinung nach kann eine offene Beziehung nur gelebt werden, wenn eine Beziehung stabil ist. Wenn eine Beziehung instabil ist oder wenn jemand auf die Idee kommt, es könnte die Beziehung retten, rate ich dringend davon ab, weil es dann nur schiefgehen kann. 

Offene Beziehung und Eifersucht 

Das größte Problem an offenen Beziehungen ist die Eifersucht. Den meisten Menschen fällt es schwer, Sex und Liebe zu trennen. Viele glauben, dass man bei wahrer Liebe zu einer Person gar nicht mit anderen schlafen will. Somit wird Fremdgehen als Zeichen mangelnder Zuneigung gesehen. Dabei entsteht das Gefühl, dass die Person, mit der Sie Ihr Partner betrogen hat, etwas hat, das in Ihrer Beziehung fehlt. Das nagende Gefühl der Eifersucht tritt auf. Da diese Prägungen so tief sitzen, können Sie die Eifersucht trotz der Erlaubnis für Sex mit anderen nur schwer ablegen. Daher ist die Kommunikation sehr wichtig. Sie sollten immer offen über unangenehme Gefühle sprechen können. Auch Regeln können bei Eifersucht helfen. 

Eva-Maria Hesse, Paar- und Familientherapeutin:
Expertin Eva-Maria Hesse

Es gibt eine hohe Gefahr, die andere Person zu verletzen. Es ist im Leben nicht alles planbar und nicht kontrollierbar. Das ist so und man kann sich hundertmal vornehmen: Nur bis hierhin und nicht weiter. Aber das kann sich auch anders entwickeln. Also, da ist einfach ein gewisses Risiko dabei, und ich finde es einfach sehr, sehr wichtig in diesen offenen Beziehungen, dass man über die Frage spricht und sich über die Frage Gedanken macht: Woher kommt dieser Wunsch?

5 Regeln für eine offene Beziehung 

Eva-Maria Hesse, Paar- und Familientherapeutin:
Expertin Eva-Maria Hesse

Es muss klar über Regeln gesprochen werden. Wie sieht es aus? Diese Transparenz muss da sein. Willst du es wissen oder willst du es nicht wissen? Wann willst du es wissen? Es braucht eine ganz hohe Kommunikationsbereitschaft und Offenheit in Bezug auf diese Absprachen. Das Paar muss die Fähigkeit haben, gut über Gefühle sprechen zu können und die Gedanken auch auszutauschen. 

Wenn Sie eine offene Beziehung ausprobieren möchten, sollten Sie sich vorher intensiv mit sich selbst und Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin auseinandersetzen. Dabei müssen Grenzen gesetzt werden. Folgende Regeln können zum Gelingen einer offenen Beziehung beitragen:  

  • Sexpartner. Wie dürfen die Seitensprünge aussehen? Sollen es nur One-Night-Stands sein oder sind wiederholte Treffen ok? Wie sieht es bei Sex mit Bekannten aus, die ihr beide kennt? Ist Ihre gemeinsame Wohnung für entsprechende Dates tabu? 
  • Verhütung. Wer monogam lebt, nutzt oftmals Verhütungsmethoden, die nur eine Schwangerschaft verhindern. Wer wechselnde Sexpartner hat muss aufpassen, dass keine sexuell übertragbaren Krankheiten in die eigene Beziehung gebracht werden. 
  • Kommunikation. Was wollen Sie Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin erzählen? Was will er oder sie überhaupt wissen? Andererseits müssen auch Sie herausfinden, was Sie alles wissen wollen. 
  • Gemeinsame Zeit. Gefährlich wird es, wenn die eigene Beziehung unter den Abenteuern leidet. Daher sollten feste Zeiten, Urlaube und Dates vereinbart werden, bei denen Sie auch sexuell exklusive Zeit zu zweit verbringen.
  • Time out. Es sollte beiden Partnern möglich sein, das Experiment „offene Beziehung“ jederzeit abzubrechen, wenn er oder sie sich damit nicht mehr wohlfühlt. 
In unserem Magazin erfährst du mehr über die offene Beziehung!