Die Wellenbewegung bei der Auto-Qualität Gute Optik, aber schlechte Qualität Die Tops und Flops bei den Kleinen Teure Autos sind nicht unbedingt besser Der Takata-Effekt steckt allen noch in den Knochen Der US-Automobilingenieur Sandy Munro, ist Tesla-Fan der ersten Stunde - und zugleich einer der härtesten Kritiker von Elon Musk. Sein Thema sind die Qualitätsmängel bei den Fahrzeugen. Seine Mängelliste bei den Tesla-Fahrzeugen ist lang: Er beanstandet die schlechte Lackierung, Mängel bei den Spaltmaßen oder Rücklichter, die nicht bündig mit der Heckklappe sind. Qualitätsprobleme haben viele Automobilhersteller. Sie zu erfassen und zu bewerten, ist nicht ganz einfach. Der ADAC hat es mit seinem Qualitäts-Autotest gewagt und kommt zu überraschenden Ergebnissen. Die Wellenbewegung bei der Auto-Qualität Zunächst einmal: Wie misst der ADAC überhaupt Qualität? Es geht dem Automobilclub um die Material- und die Verarbeitungsgüte bei 580 Automodellen. Mehr als 300 Prüfpunkte untersuchten die Testingenieure des ADAC Technikzentrums in Landsberg am Lech. Vom Platzangebot über die Sicherheit bis hin zum Schadstoff- und CO₂-Ausstoß reicht die Bandbreite. Das sind die acht Hauptkriterien des ADAC Autotests:  Karosserie und Kofferraum Innenraum Komfort Motor und Antrieb Fahreigenschaften Sicherheit Umwelt Wirtschaftlichkeit Die entscheidende Frage lautet: Wird die Qualität insgesamt schlechter oder besser? Keine leichte Frage, auf die der ADAC eine allgemeine Antwort will. Eine klare Aussage fällt deshalb schwer: "Die Material- und Verarbeitungsqualität ist oftmals Wellenbewegungen ausgesetzt", sagt ADAC Testingenieur Alexander Werner. "Während die Entwickler um eine bestmögliche Qualität bemüht sind, wollen die Controller selbst Centbeträge einsparen, um die Rendite zu steigern." Die Erfahrungen des Automobilclubs zeigen: Wird zu viel gespart und gibt es negative Rückmeldung, gibt es beim Nachfolgemodell einen Kurswechsel. Die Hersteller legen dann bei den Materialien und der Güte der Verarbeitung zu. Gut zu beobachten sei diese Wellenbewegung laut Werner bei den kleinen und mittleren BMW-Baureihen (1er, X1, 3er). Gute Optik, aber schlechte Qualität Qualität hat seinen Preis. Auch in der Automobilherstellung gilt dieser Satz. Auf diese Branche übertragen bedeutet das: Teure Autos sind in der Regel besser verarbeitet, preiswertere weniger gut. Zwei Faktoren bestimmen den Preis: die Wertigkeit der verbauten Materialien und wie präzise die Verarbeitung ist. Das Beispiel des Toyota Aygo verdeutlicht dieses Phänomen: Noch bis April 2022 tauchte das Fahrzeug mit rund 10.000 Euro in den Preislisten auf, hat gewaltigen Kostendruck und viele Mängel auf der ganzen Linie. Der ADAC listet auf: Lackiertes Blech statt angenehmer Stoff an den Türinnenseiten, keine vor Kratzern schützende Verkleidung im Kofferraum, und der Dachhimmel wirkt wie aus einem Eierkarton gemacht. Geärgert hat die Prüfingenieure zusätzlich ein kaum verkleideter Unterboden, dem es zusätzlich an Wachs für die Konservierung fehlt. Ergebnis: Note 4,4. Der direkte Nachfolger Aygo X schlägt mit 6.000 Euro mehr zu Buche. Wer glaubte, den Mehrpreis steckt der Autobauer in eine besser Qualität, täuschte sich. Der Neue schneidet im ADAC-Qualitätstest in der Kategorie Verarbeitungs- und Materialqualität, mit fast identischen Schwächen, mit der Note 4,4 genauso schlecht ab. Dass das Zusammenspiel von Preis und Qualität durchaus funktioniert, zeigt der Test bei den allerdings mehr als dreimal so teuren Modellen BMW i3 (Note 2,1) und Honda e (Note 2,5).  Die Tops und Flops bei den Kleinen Die TOP 5 bei den Kleinst- und Kleinwagen (Modell und Note für die Verarbeitung):  BMW i3: 2,1 Mini Cooper 5-Türer: 2,2 Honda e: 2,5 Skoda Kamiq: 2,6 VW Polo 2,6 Die FLOP 5 bei den Kleinst- und Kleinwagen (Modell und Note für die Verarbeitung):  Toyota Aygo: 4,4 SsangYong Tivoli: 4,2 Hyundai Bayon: 4,2 VW up!: 4,0 Hyundai i10: 4,0 In der Mittelklasse ist nicht alles super Bei den Mittelklassefahrzeugen (zwei Kategorien: untere Mittelklasse und Mittelklasse) sieht es nicht viel anders aus. Der teure Audi A4 mit einer sehr guten Note von 1,2 glänzt. Der Honda CR-V kommt aber nur auf eine 3,0 und teilt sich die hinteren Ränge mit Subaru Outback, Mitsubishi Outlander (Verkauf in Deutschland ist inzwischen eingestellt) und Toyota RAV4/Suzuki Across. Die TOP 5 bei der unteren Mittelklasse (Modell und Note für die Verarbeitung):  Volvo XC40: 1,7 BMW 1er: 2,0 Audi Q3: 2,0 Mazda CX-5: 2,1 Mercedes EQA: 2,1 Die FLOP 5 bei der unteren Mittelklasse (Modell und Note für die Verarbeitung):  MG ZS EV: 3,7 SsangYong Korando: 3,7 Jeep Compass: 3,7 Dacia Duster: 3,6 Nissan Leaf: 3,4 Die TOP 5 bei der Mittelklasse (Modell und Note für die Verarbeitung):  Audi A4/A5: 1,2 BMW 3er/4er: 1,3 Porsche Macan: 1,3 Mercedes EQC/GLC: 1,4 Volvo V60: 1,4 Die FLOP 5 bei der Mittelklasse (Modell und Note für die Verarbeitung): Honda CR-V: 3,0 Tesla Model 3: 2,8 Subaru Outback/Forester: 2,7 Toyota RAV4/Suzuki Across: 2,7 Mitsubishi Outlander: 2,7 (Verkauf eingestellt) Teure Autos sind nicht unbedingt besser Wie stehen Audi und Mercedes da? Die Feststellung des ADAC ist bitter: Dem Anspruch an ein Premium-Modell werden die neue Mercedes C-Klasse sowie der Audi A3 Sportback nicht gerecht. Und das bei gestiegenen Verkaufspreisen. Besonders enttäuscht waren die ADAC-Tester von der Mercedes C-Klasse. "Erfüllte die Materialanmutung des Vorgängers noch höchste Ansprüche (Mini-S-Klasse), sind beim neuen Modell Armaturenbrett, Mitteltunnel und Türverkleidungen nur noch im oberen Bereich mit geschäumtem Kunststoff verkleidet. Und während die Türfächer beim Vorgänger noch aus weichem Kunststoff bestanden, rutscht ein Schlüsselbund in den harten Ablagen der Neuauflage lautstark hin und her", schreiben die Ingenieure in ihrem Report. Es gibt einige Hersteller, die trotz geringer Margen, bemüht sind, der Kundschaft eine gute Materialqualität zu bieten. Der ADAC nennt den Mazda 3, "dem man die Hingabe der Entwickler beim Blick auf das fast schon nobel wirkende Interieur anmerkt." Die TOP 5 bei der oberen Fahrzeugklassen (Modell und Note für die Verarbeitung):  Porsche Panamera/Taycan: 1,0 BMW 5er/7er: 1,1 Mercedes E-Klasse: 1,1 Audi Q7: 1,1 Volvo XC90: 1,1 Die FLOP 5 bei der oberen Fahrzeugklassen (Modell und Note für die Verarbeitung): Toyota Highlander: 3,1 VW T6.1: 3,1 Ford Mustang: 3,0 Chevrolet Camaro: 2,8 Toyota Camry: 2,6 Audi A3 und VW Golf 8 schwächeln Dem VW-Konzern bescheinigen die Tests: Die Qualität lässt gerade nach und das ärgert die Ingenieure. War doch über viele Jahre die Fahrzeugqualität überdurchschnittlich. Beispiel Audi A3: Er gehört im ADAC-Test zu den Absteigern bei der Verarbeitung. Bei der Kompaktklasse sei die Türrahmenverkleidungen eingespart, "unter dem Kofferraumboden kommt das blanke Blech zum Vorschein, und auch im Innenraum kann der A3 mit teils mäßig entgrateten und nachgiebigen Kunststoffen nicht mehr die Solidität einer Burg auf Rädern vermitteln."  Herbe Kritik muss auch der VW Golf 8 einstecken. Die Motorhaube müsse ohne praktische Gasdruckfeder auskommen. Zudem hätten die VW-Controller den Filz im Handschuhfach und den Stoffüberzug an den A-Säulen gestrichen. "Vermeintliche Kleinigkeiten, die in Summe aber den Qualitätseindruck beeinträchtigen", so der ADAC. Beim Kompakt-SUV, dem VW T-Roc, gibt es allerdings eine Gegenbewegung. Die Oberseite des Armaturenträgers sei nun nicht mehr aus glänzendem und kratzempfindlichen Hartplastik, sondern aus weichem Kunststoff. "Damit ist die Materialqualität in Anbetracht der happigen Fahrzeugpreise insgesamt zwar immer noch dürftig, doch zumindest das Cockpit macht nun einen ordentlichen Eindruck." Der Takata-Effekt steckt allen noch in den Knochen Die Zahl der vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) initiierten Rückrufaktionen lag im Jahr 2021 mit 575 im langjährigen Durchschnitt. Betroffen davon waren allerdings 3,4 Millionen Fahrzeuge, 12 Prozent mehr als in 2020. Das berichtet der im Mai veröffentlichte Marktüberwachungsbericht. Dabei fallen ca. 80 Prozent der von Rückruf betroffenen Fahrzeuge in diese vier Baugruppen. Assistenzsysteme (z.B. fehlerhaftes E-Call System) Insassenschutzeinrichtung (z.B. fehlerhafter Airbag) Motor mit Abgasnachbehandlung (z. B. fehlerhafte Motorkomponenten) und damit erhöhter Brandgefahr, unzulässige Abschalteinrichtung Elektronik (z.B. mangelhafte Steckverbindungen) Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) listet in der Bild-Zeitung fünf Punkte auf, warum es Qualitätsprobleme gibt: Die technische Komplexität bei den Fahrzeugen ist in den letzten 20 Jahren gestiegen. Audio- und Sicherheitssysteme führen zu mehr Fehleranfälligkeit. Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist in den vergangenen 15 Jahren deutlich gestiegen. Der wachsende Wettbewerbsdruck zwingt Autobauer, in immer kürzerer Zeit neue Modelle zu bringen. Zyniker sagen: Das Produkt reift beim Kunden. Die Verlagerung von Entwicklung und Produktion auf globale Zulieferer macht es für den Hersteller schwieriger, die Qualität der Prozesse zu kontrollieren. Steigender Kostendruck, der an die Automobilzulieferer weitergegeben wird, birgt die Gefahr nachlassender Produktqualität. Je höher der Kostendruck, umso stärker steigt das Fehler- und damit das Rückrufrisiko. Baukasten- und Gleichteilestrategie führen dazu, dass sich Fehler millionenfach verbreiten. Komponenten sind nicht mehr nur in einem Modell eingebaut, sondern oft in ganzen Modellfamilien über mehrere Konzernmarken. Autoexperte Prof. Ferdinand Dudenhöffer spricht in diesem Zusammenhang vom "Takata-Risiko". Das Online-Magazin Autohaus berichtete über den Fall. Weil Takata-Airbags nicht richtig funktionierten, waren weltweit 2,6 Millionen Autos verschiedener Hersteller teuer nachzubessern. Für entsprechende Rückrufe musste allein Mercedes eine Milliardensumme in der Bilanz zurückstellen. Das japanische Unternehmen ist inzwischen pleite. Fazit Die Automobilhersteller müssen aus den Fehlern der Vergangenheit endlich lernen. Kundinnen und Kunden wollen qualitativ hochwertige Fahrzeuge. Das Produkt "beim Kunden reifen zu lassen" ist zwar möglich, führt aber zur Kündigung der Freundschaft.