Geschwisterkinder in Deutschland Verschiedene Positionen Studie und Ergebnisse Fazit Junge oder Mädchen? Eine Frage, die werdende Eltern häufig gestellt bekommen. Handelt es sich um das zweite Kind, ist das Geschlecht oftmals gleich noch spannender: Immerhin wird es gleichzeitig mit der Geburt Bruder oder Schwester. Ob das Geschlecht des Geschwisterkindes für die Identität des anderen Kindes eine Rolle spielt, und wenn ja, welche, haben Wissenschaftler*innen untersucht. Geschwisterkinder in Deutschland und die vorherrschenden Ansätze Einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes von April 2022 zufolge wächst eine Mehrzahl der Kinder in Deutschland mit Geschwistern auf. Dabei haben ganze 6.532.000 Kinder ein Geschwisterkind; 3.359.000 Kinder haben keines und 2.590.000 sogar zwei. Insgesamt haben damit mehr als drei Viertel der Kinder mindestens einen Bruder oder eine Schwester. Doch welche Rolle spielt es für die Persönlichkeit, welches Geschlecht das Geschwisterkind hat? Diese Frage stellen sich sicherlich nicht nur Eltern, sondern auch die Geschwisterkinder selbst. Ob das Geschlecht einen Einfluss auf die Charakterbildung nimmt, ist umstritten. In der psychologischen Forschung beschäftigen sich Forschungsteams schon seit über einem halben Jahrhundert mit der Frage, welchen Unterschied es macht, ob Menschen mit Schwestern oder aber mit Brüdern aufwachsen. Eine Ansicht ist beispielsweise jene, dass das Aufwachsen mit einer Schwester vermehrt zu der Aneignung von Eigenschaften führt, die gesellschaftlich als weiblich angesehen werden. Im Gegenteil führe das Aufwachsen mit einem Bruder zu der vermehrten Aneignung männlich gelesener Charakterzüge.  Im Gegensatz dazu wird vermutet, dass sich gegengeschlechtliche Geschwister nicht angleichen. Bei dieser Position wird eher davon ausgegangen, dass sich die Kinder aufgrund ihrer Geschwisterrivalität im Zuge der Identitätsentwicklung voneinander differenzieren. Welcher der verschiedenen Denkansätze tatsächlich stimmt, hat ein Forschungsteam rund um den Wissenschaftler Thomas Dudek untersucht. Die resultierende Studie der Universitäten Leipzig, Zürich und Wellington wurde im "Psychological Science" Magazin veröffentlicht. Bruder oder Schwester? Studie zur Rolle des Geschwisterkindes Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler*innen Daten von über 85.000 Personen. Ziel war es, herauszufinden, ob das Geschlecht des Geschwisterkindes tatsächlich eine Rolle bei der Persönlichkeitsbildung spielt. Neben dem Geschlecht würden in den repräsentativen Datensätzen aus neun Ländern auf Charaktereigenschaften geachtet. Darunter fallen solche wie Risikotoleranz, Vertrauen, Geduld, Kontrollüberzeugung, Aufgeschlossenheit, Gewissenhaftigkeit, Geselligkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Was festgestellt werden konnte: Weder bei einem jüngeren noch bei einem älteren Geschwisterkind wirkte sich dessen Geschlecht systematisch auf die Persönlichkeit der Proband*innen aus. Eine der Studienautorinnen erläuterte, dass die Ergebnisse die Idee widerlegen, dass das Aufwachsen mit Brüdern oder Schwestern zur Entwicklung von "typisch männlichen" oder "typisch weiblichen" Persönlichkeitseigenschaften führen. Zusammengefasst postuliert die Studie, dass die Relevanz des Geschlechtes des Geschwisterkindes auf die Persönlichkeit überschätzt wird. Ähnlich ist es bei der Geschwisterposition. Hier zeigte eine vorhergehende Studie: Welche Persönlichkeit uns als Erwachsene auszeichnet, hängt nur wenig damit zusammen, welchen Platz wir zwischen unseren Geschwistern in der Geburtenreihenfolge einnehmen. Fazit Betrachtet man die aktuelle Studienlage, liegt es nahe, dass der Einfluss der Geschwisterkinder auf die eigene Persönlichkeit im Erwachsenenalter geringer ist, als man häufig annimmt. Auch, wenn das Ergebnis zunächst schlüssig ist, muss die Studie auch kritisch betrachtet werden: Denn es könnte auch Veränderungen geben, die von der Studie nicht erfasst wurden. Des Weiteren kann es immer individuelle Dynamiken zwischen Geschwisterkindern geben, die einen langfristigen Effekt auf den weiteren Verlauf des Lebens haben.