Deutschland
Fakten-Check

So viele Rentner haben weniger als 1000 Euro im Monat - immer mehr müssen arbeiten

Mit weniger als 1.000 Euro Netto-Einkommen müssen knapp fünf Millionen Rentner*innen im Monat auskommen. Die jüngste Befragung fällt ernüchternd aus.
Kommen auf 100 Beschäftigte demnächst 54 Rentner*innen?
Kommen auf 100 Beschäftigte demnächst 54 Rentner*innen? Foto: CC0 / Pixabay / beauty_of_nature
  • Die harten Fakten: Unter 1.000 Euro monatliches Einkommen ist für viele ältere Menschen Realität
  • Die Standardrente ist nicht mit der Realität kompatibel
  • Immer mehr Rentner*innen müssen arbeiten, viele nicht immer freiwillig
  • Wenn das Geld nicht reicht: die Grundsicherung im Alter
  • Wie viele aktiv Beschäftigte finanzieren die Alterssicherung

Können Menschen im Ruhestand von ihren Altersbezügen auskömmlich leben? Diese entscheidende Frage für die Zukunft unserer Gesellschaft hat das Statistische Bundesamt in gewohnter Nüchternheit mit Zahlen beantwortet. Um es vorwegzunehmen: Es sieht nicht gut aus für viele Rentner*innen und das dahinterliegende System.

Die harten Fakten: Unter 1.000 Euro monatliches Einkommen ist für viele ältere Menschen Realität

1.000 Euro oder noch weniger: Im Jahr 2021 hatten 4,9 Millionen Rentner*innen ein persönliches monatliches Netto-Einkommen von unter 1.000 Euro. Das hat das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden auf Basis von Ergebnissen des Mikrozensus (kleine Bevölkerungszählung) ermittelt. Damit hat gut ein Viertel (27,8 Prozent) von ihnen ein dürftiges Einkommen und ist von Altersarmut bedroht. Frauen sind besonders benachteiligt: Bei ihnen liegt der Anteil in dieser Gruppe noch einmal deutlich höher. 38,2 Prozent hat ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1. 000 Euro, dagegen nur 14,7 Prozent der männlichen Befragten. Frauen in Rente haben also deutlich weniger Geld im Monat zur Verfügung als Männer. Dieser Trend setzt sich unvermindert fort, wenn man das Nettoeinkommen in den anderen Gruppen vergleicht.

Das persönliche monatliche Nettoeinkommen von Rentner*innen

  • Unter 1.000 Euro: Frauen 38,2 %; Männer 14,7 %
  • 1.000 bis unter 1.500 Euro: Frauen 29,8 %; Männer 29,2 %
  • 1.500 bis unter 2.000 Euro: Frauen 17,4 %; Männer 24,4 %
  • 2.000 bis unter 2.500 Euro: Frauen 7,8 %; Männer 14,8 %
  • 2.500 bis unter 3.000 Euro: Frauen 2,9 %; Männer 6,5 %
  • 3.000 bis unter 3.500 Euro: Frauen 1,5 %; Männer 3,8 %
  • 3.500 Euro und mehr: Frauen 1,4 %; Männer 5,8 %

Ein speziellerer Blick auf das Einkommen zeigt, dass kleine Renten die Hauptursache für ein zu geringes Monatseinkommen sind. Die Statistik der Deutschen Rentenversicherung (DRV) differenziert die Gruppe, die bis zu 1.000 Euro monatliche Rente erhalten, weiter aus. Danach hat etwa jede*r Fünfte weniger als 500 Euro Rente im Monat. Diese Zahlen bestätigt eine Antwort des Bundesarbeitsministeriums (BMA) auf eine Abgeordneten-Anfrage im BundestagRund 3,4 Millionen Altersrenten lagen demnach Ende 2020 bei unter 500 Euro, das waren den Angaben zufolge 19,8 Prozent aller Beziehenden. Zu bedenken ist bei diesen Werten, dass die gesetzliche Altersrente oft nicht das einzige Einkommen ist. Nicht berücksichtigt sind zum Beispiel die betriebliche und private Altersvorsorge, Zuverdienst, das Einkommen von anderen Haushaltsmitgliedern und Hinterbliebenenrenten.

Die Standardrente ist nicht mit der Realität kompatibel

Eine Information zum Rentenniveau: Das Rentenniveau liegt derzeit in Deutschland bei 48 Prozent. Deshalb müssen Rentner*innen mit etwas weniger als der Hälfte ihres Einkommens auskommen, das sie als Beschäftigte hatten. Für viele Senior*innen, die in ihrem Berufsleben zu den Geringverdienenden gehörten, reicht dieser Betrag kaum zum Leben. In 38 Industrieländern ermittelt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) das Rentenniveau. Im OECD-Durchschnitt liegt die Quote einer Person mit Durchschnittsverdienst im normalen Rentenalter bei 62,4 Prozent. Deutschland liegt also weit darunter. Man kann sagen: im internationalen Vergleich geht es den deutschen Rentner*innen nur mittelmäßig.

Die prekäre Entwicklung spiegelt sich merkwürdigerweise in der durchschnittlichen Rentenhöhe nicht wider: Die sogenannte Standardrente – auch Eckrente oder fälschlicherweise Durchschnittsrente genannt - liegt der aktuellen Statistik der DRV zufolge in den alten Bundesländern bei 1.620,90 Euro brutto. In den neuen Bundesländern kann ein*e Standardrentner*in mit einer Brutto-Rente von 1.598,40 Euro rechnen (Stand: 1. Juli 2022). Die Standardrente hat aber keine praktische Relevanz, sie ist nur eine Rechengröße. Sie beruht auf den "Eckrentner*innen", was ebenfalls eine fiktive Rechengröße ist. Diese Arbeitenden zahlen 45 Jahre Beiträge in die Rentenversicherung ein. Sie verdienen jedes Jahr das Durchschnittsgehalt aller Versicherten. Beim Rentenbeginn erreichen sie die Regelaltersgrenze, die liegt in diesem Jahr bei 65 Jahren und elf Monaten und steigt bis zum Jahr 2030 auf 67 Jahre. In dieser fiktiven Rechnung haben Eckrentner*innen dann 45 Entgeltpunkte angesammelt und erhalten damit rund 1.600 Euro Altersbezüge.

Die Realität sieht aber komplett anders aus: Auf 45 Beitragsjahre kommen nur sehr wenige Rentner*innen. Abzüge gibt es ebenso, wenn das Gehalt regelmäßig unter dem Durchschnitt liegt. Lücken im Erwerbsleben gibt es häufig und führen ebenfalls zu einer niedrigeren Rente. Die Regelaltersrente spiegelt schon eher die wirkliche Situation wider. Bei Frauen lag sie 2021 nach allen Abzügen im Schnitt bei 809 Euro. Männer erhielten durchschnittlich 1.218 Euro. Männer haben im Schnitt rund 30 Prozent mehr gesetzliche Rente als Frauen.

Immer mehr Rentner*innen müssen arbeiten, viele nicht immer freiwillig

Es gibt noch einen weiteren Trend, der die missliche Lage bei der Rente zeigt. Ältere Menschen sind jetzt deutlich häufiger erwerbstätig als noch vor zehn Jahren: Für immer mehr über 65-Jährige ist die Erwerbstätigkeit eine wichtige zusätzliche Einkommensquelle. Im Jahr 2021 arbeiteten 12,9 Prozent der 65- bis unter 75-Jährigen. Zehn Jahre zuvor waren es noch 7,0 Prozent. Rentner*innen versuchen dadurch der Altersarmut zu entkommen. Nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) arbeiten in Deutschland schon jetzt mehr als 1,3 Millionen Frauen und Männer länger als sie müssten. 

Für 40,8 Prozent der Erwerbstätigen zwischen 65 und unter 75 Jahren war die ausgeübte Tätigkeit sogar die vorwiegende Quelle des Lebensunterhalts. Damit gab es 2021 in dieser Altersgruppe in Deutschland 470.000 Personen, die überwiegend vom eigenen Arbeitseinkommen lebten. Aber die Zahl zeigt auch: Für die Mehrheit der 65- bis unter 75-jährigen Erwerbstätigen war der Job neben der Rente ein willkommener Zuverdienst. Sie lebten in erster Linie von ihrer Rente beziehungsweise von ihrem Erspartem (55,9 Prozent).

Der Mikrozensus des Amtes in Wiesbaden weist weitere Merkmale zu den Nebenjobs aus. Männer und Frauen unterscheiden sich in ihrer Erwerbstätigkeit: Während 2021 von den 65- bis unter 75-jährigen Männern 16,2 Prozent erwerbstätig waren, sind es bei den Frauen nur 9,9 Prozent. Unter den Rentenbezieher*innen mit Hochschulabschlüssen lag der Anteil 2021 mit 20,2 Prozent besonders hoch. Bei Personen ohne einen beruflichen Abschluss betrug er lediglich 10,4 Prozent.

Wenn das Geld nicht reicht: die Grundsicherung im Alter

Besonders prekär ist die Situation für 3,4 Prozent der Senior*innen, die neben der Rente Grundsicherung im Alter erhalten. Eine wachsende Zahl älterer Menschen ist auf diese staatliche Unterstützung angewiesen. 589.000 Menschen, die die Altersgrenze nach dem SGB XII erreicht oder überschritten haben (im Dezember 2021 lag die Altersgrenze für die Grundsicherung im Alter bei 65 Jahren und 10 Monaten), erhielten im Dezember 2021 Grundsicherung im Alter. 

Im Jahr zuvor hatten noch 564.000 Menschen diese Form der staatlichen Unterstützung erhalten. Die Quote unterscheidet sich zwischen den westdeutschen und ostdeutschen Bundesländern. Im Westen beträgt sie 3,7 Prozent, im Osten 2,2 Prozent. 

Sehr deutlich sind die Unterschiede bei der Nationalität: So liegt die Quote der Empfänger*innen von Grundsicherung im Alter bei Deutschen bei 2,6 Prozent, bei Ausländern (das sind Personen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen) hingegen bei 17,5 Prozent. Unterschiede gibt es auch zwischen den Bundesländern: In den westdeutschen Bundesländern liegt die Quote bei 3,7 Prozent, in den ostdeutschen Ländern bei 2,2 Prozent.

Die Zahl der Rentner steigt

In Deutschland leben immer mehr Rentner*innen: Insgesamt bezogen 2021 17,6 Millionen Menschen aus Altersgründen eine Rente. Zehn Jahre zuvor waren es nur 16,6 Millionen. Das "System Alterssicherung" muss also eine immer größere werdende Zahl von Menschen finanzieren. Das kann bei unverändert bleibenden Strukturen nur schiefgehen.  

Die Zahl der älteren Menschen ist binnen zehn Jahren um 11 Prozent gestiegen: In Deutschland leben immer mehr ältere Menschen – sowohl in absoluten Zahlen als auch relativ. So wuchs die Zahl der Menschen, die 65 Jahre und älter sind, von 16,6 Millionen im Jahr 2011 auf 18,4 Millionen in 2021. Das entspricht einer Zunahme von 11 Prozent. Gleichzeitig nahm die Bevölkerung insgesamt um 3,6 Prozent zu: von 80,3 Millionen im Jahr 2011 auf 83,2 Millionen im Jahr 2021. Betrug der Anteil der Generation 65 plus an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2011 noch 20,7 Prozent, 2021 lag dieser Anteil bereits bei 22,1 Prozent. Das hat Auswirkungen auf eine wachsende Zahl von Rentner*innen.

Eine andere Zahl zeigt ebenfalls die Dramatik der Veränderung: 1960 lag die durchschnittliche Dauer des Rentenbezugs bei 9,9 Jahren. 2020 ist daraus eine Bezugsdauer von 20,2 Jahren geworden. Sie hat sich also verdoppelt.

Wie viele aktiv Beschäftigte finanzieren die Alterssicherung?

Die Folgen dieser Entwicklungen zeigen sich: In Zukunft müssen immer weniger Beschäftigte für immer mehr Senioren aufkommen (Altenquotient):

  • 1991 kamen auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 65 Jahre) 24 Rentenbeziehende. 
  • 2021 kamen auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 65 Jahre) 37 Rentenbeziehende. 
  • 2031 kommen auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 65 Jahre) 48 Rentenbeziehende. 
  • 2060 kommen auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 65 Jahre) 54 Rentenbeziehende. 

Angesichts dieser Zahl davon zu sprechen, wie Arbeitsminister Norbert Blüm es regelmäßig in den 1990er-Jahren tat: "Die Rente ist sicher", ist mehr als gewagt. Seitdem hat es schon eine Reihe von Veränderungen gegeben, um das System angesichts höherer Lebenserwartung und sinkender Geburtenrate stabil zu halten.

Doch die Lage bleibt schwierig, die Bundeszuschüsse aus Steuermitteln steigen seit Jahren. Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf fordert nun eine stufenweise Anhebung des Rentenalters auf 70 Jahre. Der Chef des Arbeitgeberverbands, der mit dem Automobilzulieferer ElringKlinger selbst ein größeres Unternehmen leitet, äußert gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wir werden länger und mehr arbeiten müssen."

Fazit

Die neuen Daten der Statistiken aus Wiesbaden lassen nur einen Schluss zu: Die Rente ist alles andere als auskömmlich. Es gibt viele Fragen zum Sicherungssystem im Alter, die dringend plausible Antworten brauchen: Wie viel Eigenversorgung ist notwendig? Ist der Kreis der Versicherten zu erweitern? Kann das Rentenniveau weiter sinken? Soll der Staat noch mehr Geld ins System stecken? Soll das Rentenalter weiter steigen? Alles ungeklärte Fragen. Vor allem fehlt ein überzeugendes Gesamtkonzept. Stückwerk reicht nicht mehr bei der Rente.

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