Der Herbst ist da und der Winter lässt nicht lange auf sich warten. Damit steigt auch die Sorge vor einer neuen Corona-Welle, und auch davor, wie gefährlich diese für uns sein könnte. Derzeit zeichnet sich ab, dass besonders eine Variante des Virus in der kalten Jahreszeit den Ton angeben könnte: BQ.1.1. Der Omikron-Nachfolger ist in den sozialen Medien auch unter dem Namen "Cerberus" bekannt, der Höllenhund aus der griechischen Mythologie. Aber wie gefährlich ist die "Höllenhund-Variante" wirklich?

Der Anteil von BQ.1.1 habe in einer Stichprobe von vorvergangener Woche (Stand: Freitag, 11. November 2022) bei mehr als vier Prozent gelegen, heißt es im Corona-Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI). "Auch in anderen Ländern ist BQ.1.1 bereits eine der am häufigsten nachgewiesenen Sublinien, wobei mit der Verbreitung von BQ.1.1 bisher keine Erhöhung der Krankheitslast beobachtet wird", schreiben die Autoren. Der Anteil von BQ.1 in der Auswertung war demnach ungefähr gleich groß: mit knapp vier Prozent. "Der Anteil verdoppelt sich etwa jede Woche", erläutert diesbezüglich der Bioinformatiker Cornelius Römer vom Biozentrum der Universität Basel in einem Interview mit dem "Spiegel". Diese rasante Verdopplungszeit zeigt sich auch in Daten aus Amerika, wie der Virologe Martin Stürmer ZDFheute bestätigt. "BQ.1.1 macht ganz schön Dampf. Die Variante breitet sich effizient aus."

"Höllenhund-Variante": Das ist bislang bekannt zum Omikron-Nachfolger BQ.1.1

Bereits Anfang Oktober hatte Römer auf Twitter gewarnt, die Variante nehme in Europa und Nordamerika Fahrt auf und könnte spätestens Ende November eine immense Infektions-Welle lostreten. Er wies zudem darauf hin, dass BQ.1.1 bis zu zehn Prozent ansteckender sein könnte als die bisher vorherrschenden Corona-Varianten.

Zuletzt sind die Infektionszahlen in Deutschland wieder gesunken, Fachleute sind sich aber sicher, dass das nicht lange andauern wird. Denn noch eine Eigenschaft macht BQ.1.1 offenbar so ansteckend. Es handelt sich vermutlich um eine "Immunflucht"-Variante, die Viren können also die Abwehr durch unser Immunsystem besser umgehen. Hinweis darauf sind Mutationen des Spike-Proteins, die auch in anderen Varianten auftauchen. Über das Spike-Protein dringen die Coronaviren in unsere Zellen ein.

Forschende ziehen vor allem einen Vergleich zur Variante BA.2.75.2, die sich im Sommer in Asien ausbreitete. Erste Daten aus China und Schweden zeigen, dass die Variante der Immunantwort von Menschen, die sich kürzlich mit der Omikron-Variante BA.5 infiziert hatten, ausweichen kann. Beide Studien sind bislang nur auf dem Preprint-Server "bioRxiv" erschienen, wurden also noch nicht von einem Fachpublikum geprüft. Richard Neher, Leiter einer Forschungsgruppe zur Evolution des Coronavirus der Universität Basel, bemerkt ebenfalls in einem Interview: "BQ.1.1 hat sich ähnlich wie BA.2.75.2 entwickelt und wird von Antikörpern weniger erkannt." 

Immunflucht: So kann sich "Cerberus" rasant ausbreiten

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnt deshalb, dass sich auch Genesene die neue Variante leicht einfangen könnten. "Wenn sich etwa die Variante BQ.1.1 durchsetzt, würden sich auch diejenigen, die sich im Sommer infiziert haben, wahrscheinlich wieder leicht infizieren können", erläuterte der Sozialdemokrat unlängst in einem Gespräch für die Frankfurter Allgemeine.

Wie wirkt aber die Impfung gegen BQ.1.1.? Komplett schutzlos ist unser Körper auch gegen die "Höllenhund-Variante" nicht. Der Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf scheint durch Impfung oder eine überstandene Infektion weiterhin gegeben zu sein, sagt Martin Stürmer. Diese Einschätzung teilt auch die Virologin Jana Schroeder im Deutschlandfunk. BQ.1.1 könne zwar die Antikörper im Blut gut umgehen, einen anderen Teil des Immunsystems aber nicht. "Die B- und T-Zell-Immunität, also die zelluläre Immunität. Da ist die Chance sehr groß, dass die auch längerfristig und ziemlich variantenstabil bestehen bleibt", so Schroeder. Schwere Corona-Erkrankungen oder Tod durch BQ.1.1 dürften den meisten somit erspart bleiben.

Es sei aber nach wie vor nicht auszuschließen, dass die Fallzahlen wieder ansteigen, heißt es in dem Bericht des RKI. Dieser bezieht sich größtenteils auf die vergangene Woche, als im Großteil der Bundesländer am Montag oder Dienstag Feiertag war. Teils waren auch noch Herbstferien. Diese beeinflussen laut RKI die Kontaktanzahl der Menschen, aber auch das Testverhalten.

Warnung vor hohem Infektionsdruck im Herbst

Im Bericht werden auch einige Daten herangezogen, die unabhängig sind von Labortests - seit kurzem zum Beispiel zur Viruslast im Abwasser. In der vergangenen Woche zeigte sich laut Bericht bei 3 von 12 Standorten ein steigender Trend: in Potsdam, Bad Reichenhall und Hamburg (Süd). Bei den übrigen sei der Trend weiterhin fallend.

Wie bereits in den Vorwochen wird vor einem hohen Infektionsdruck jetzt im Herbst gewarnt - nicht nur mit Blick auf Covid-19, sondern auch wegen anderer Atemwegserkrankungen. Die Grippe- und die RSV-Welle haben bereits begonnen. RSV steht für Respiratorisches Synzytial-Virus. Der weitere Verlauf und der Schutz von Risikogruppen hänge, so schreibt das RKI, "ganz wesentlich" von der Nutzung der Impfungen gegen Covid-19 und Grippe (gemäß Empfehlungen der Ständigen Impfkommission), dem Verhalten und der gegenseitigen Rücksichtnahme ab.