Nächste Corona-Welle im Winter erwartet: verschiedene Szenarien möglich Neue Varianten umgehen Immunschutz Diese Sublinien sind jetzt im Blick der Forschung: XBB und BQ.1.1 Was bisher über die Mutationen bekannt ist Wie gefährlich wird die nächste Corona-Welle? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit viele Wissenschaftler*innen, in Franken und weltweit. Denn neue Varianten könnten den Infektionsdruck im Winter erhöhen. Das zeigen zum Beispiel Computermodelle, die verschiedene Szenarien berechnen, wie die Pandemie weiter verlaufen könnten. Neue Corona-Varianten: Wie wird die nächste Infektionswelle? Alexander Kuhlmann, Gesundheitsökonom und Juniorprofessor an der Universität Halle-Wittenberg, beschäftigt sich mit solchen Modellen. Er koordiniert einen bundesweiten Forschungsverband, das Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten. Derzeit sehen die Berechnungen noch gut aus. Durch die Corona-Impfungen und das vorangegangene Infektionsgeschehen seien große Teile der Bevölkerung grundlegend immunisiert. "Deshalb gehen wir von einem relativ guten Schutz gegen einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion mit den aktuell in Deutschland verbreiteten Varianten aus", erklärt Kuhlmann. "Sollte eine neue Virusvariante auftreten, die den erworbenen Immunschutz der Bevölkerung teilweise umgeht, könnte sich die Situation jedoch verschärfen." Nicht nur ein steigendes Infektionsrisiko wäre gefährlich, sondern auch eine höhere Krankheitslast. Das Modellierungsnetz hat drei Szenarien durchgerechnet, wie sich eine neue Variante auswirken könnte. Das Ergebnis zeigt deutlich, dass diese zwei Eigenschaften verheerende Folgen hätten: Die bisher erreichten Spitzenwerte der Krankenhausbelastung in der Pandemie könnten deutlich überschritten werden, teilte das Netzwerk mit. Ist die neue Variante "nur" ansteckender, wäre die Belastung ähnlich wie in der Welle Anfang 2022. Genaues ließe sich aber erst sagen, wenn sich tatsächlich eine neue Variante durchsetze. Derzeit ist in Deutschland noch die Variante BA.5 vorherrschend. Ihr Anteil liegt seit Wochen zwischen 95 und 97 Prozent, wie die Zahlen des Robert-Koch-Instituts zeigen. Zumindest sind Menschen, die dreifach geimpft sind und sich seit Anfang des Jahres mit einer der Omikron-Varianten angesteckt haben, jetzt besser geschützt, sagt Christoph Spinner. Das liege wahrscheinlich auch daran, dass sich eine sogenannte "Hybridimmunität" einstelle, so der Pandemiebeauftragte des Klinikums rechts der Isar der TU München laut BR. Wer mit einer anderen Omikron-Variante infiziert war, ist dadurch auch vor BA.5 geschützt. "Ob das auch für zukünftige Virustypen noch so gilt, das ist allerdings unklar", betont Spinner. "Variantensuppe": Welche Sublinien jetzt eine Rolle spielen Die Mutation von Coronaviren hat sich im Vergleich zum Beginn der Pandemie verändert. Statt großer Sprünge, gebe es nun eine "eher allmähliche Entwicklungsdynamik", erklärt der Spezialist für Virus-Evolution Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel in einem Interview. Das führt dazu, dass wir nicht mehr nur eine Variante haben, die sich durchsetzt, sondern mehrere nebeneinander existieren. Cornelius Römer, ein Mitarbeiter Nehers, spricht im BR vor einer regelrechten "Variantensuppe". Es würden überall ähnliche Mutationen, aber auf unterschiedlichen Stammlinien geben. Es gibt quasi Kinder-, Enkel- oder auch Cousin-Viren. Diese müsse man alle gleichzeitig beobachten. Das Interessante dabei: Viele der Omikron-Nachkommen, die derzeit beobachtet werden, entwickeln die gleichen Mutationen des Spike-Proteins, berichtet der britische Virologe Tom Peacock im Fachmagazin "Nature". Das Spike-Protein ist die Stelle, mit der das Virus in die menschlichen Zellen eindringt. Solche "Immunflucht"-Varianten setzen sich aber nicht automatisch durch. So bereitete die Variante BA.2.75.2 den Fachleuten vor einigen Wochen noch große Sorgen. "Das war für eine gewisse Zeit die sich am schnellsten ausbreitende Variante auf der Welt", so Cornelius Römer. Vor allem in Asien steckten sich viele Menschen damit an, in Deutschland liegt der Anteil jedoch immer noch bei weniger als einem Prozent. Schnell rückte dann eine neue Sublinie in den Fokus: XBB. Sie ist aus zwei verschiedenen Corona-Strängen entstanden und in Singapur inzwischen die dominante Variante. In Europa breitet sich dagegen BQ.1.1 aus, ein Nachfahre von BA.5. Römer gab auf Twitter die Einschätzung ab, dass BQ.1.1 noch vor Ende November eine Infektionswelle in Europa und Nordamerika verursachen werde. Dabei stützt sich der Bioinformatiker auf die schnelle Zunahme der Variante binnen kurzer Zeit. BQ.1.1 ist ansteckender - auch Krankheitslast höher? Die Immunologin Christine Falk teilte auf Anfrage der dpa mit, dass die Mutationen von BQ.1.1 zwar auf eine möglicherweise effektivere Ansteckung schließen ließen, aber nicht auf ein Unterlaufen aller Abwehrlinien. Allein auf das Spike-Protein bezogen, gebe es keine Hinweise auf eine Veränderung der Krankheitslast. Noch fehlen aber aussagekräftige Daten, um das zu überprüfen. Sollte es sich aber bewahrheiten, wäre das eine gute Nachricht. Da BQ.1.1 und XBB ebenfalls verwandt sind und viele gleiche Mutationen aufweisen, könnte das sogar für beide Covid-Varianten gelten.  Der Schutz vor schwerer Erkrankung dürfte laut Immunologen mit den empfohlenen Impfungen in der Regel standhalten. Als problematisch sehen Fachleute vielmehr die drohenden Personalausfälle an, wenn sich sehr viele Menschen auf einmal anstecken. Und das könnte mit beiden neuen Sublinien geschehen. Laut Cornelius Römer zeigt sich bereits jetzt, dass eine Infektion mit den bisherigen Varianten kaum mehr Schutz bietet. "Deswegen breitet sich dieses Virus schneller aus. Es ist kein Zufall, dass es diese Reinfektionen gibt. Das ist genau der Mechanismus, warum wir jetzt diese Varianten sehen", so Römer. Warum BQ.1.1 und XBB ansteckender sind und wie sie das Immunsystem genau umgehen, muss noch erforscht werden. Im Moment müssen wir also noch abwarten, welche Variante sich durchsetzt. Das könnte eine der genannten Sublinien sein - aber auch eine neue Mischung. Erst dann sehen wir, in welchem Szenario der Pandemie wir stecken und können entsprechend reagieren. Wird das Virus ansteckender, sorgt jedoch nicht für mehr schwere Erkrankungen, wird der Winter wahrscheinlich ähnlich wie Anfang 2022. Wichtig bleibt dabei aus Sicht der Fachleute die Impfung. Besonders Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen sollten sich die vierte Impfung mit einem der neuen Impfstoffe holen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) äußert sich ähnlich. Derzeit werden 300 Subvarianten des Coronavirus beobachtet. Aber egal welche komme, gebe es Werkzeuge, um mit dem Virus umzugehen. Diese müssten nur angewendet werden: zum Beispiel mehr impfen, Maske wo nötig, Abstand halten, lüften. mit/mit dpa