"Es stehen uns schwierige Zeiten bevor", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zuletzt mit Blick auf den anstehenden Corona-Herbst und -Winter. Zurück zu festen Grenzwerten, Zwangsschließungen und anderen massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens will man nicht - doch die Angst vor einer neuen Virus-Variante treibt Politiker*innen und wissenschaftliche Expert*innen gleichermaßen um. Daher wird auch Lauterbachs "Pandemie-Radar" immer wichtiger.

Das Bundeskabinett hatte am 24. August einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der vom 1. Oktober bis 7. April 2023 verschiedene Maßnahmen für die Pandemie-Bekämpfung vorsieht. Statt deutschlandweit einheitliche Vorgaben soll es regional angepasste Beschränkungen geben. Diese sollen von den Ländern verhängt und bei kritischer Lage ausgeweitet werden können. Doch was ist eigentlich eine "kritische Lage"?

Lauterbachs "Corona-Radar": Rettungsanker oder Mogelpackung?

Um dies einzuschätzen, ist eine gute Datenlage wichtig. Auch deswegen hatte Lauterbach bereits vor Wochen angekündigt, ein "Pandemie-Radar" aufzubauen. Dabei ging es darum, mehr und genauere Informationen über das Infektionsgeschehen zu sammeln und die Daten in einer zentralen Datenbank den Behörden und Instituten zur Verfügung zu stellen. 

Beispielsweise sollen weitergehenden Daten der Krankenhäuser bessere Vorhersagen über neue Corona-Wellen ermöglichen. "Bislang wissen wir nur, wie viele Betten in den Kliniken frei sind - und das mit Verspätung. Das ist zu wenig", hatte Lauterbach dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gesagt. Tatsächlich scheint es geradezu unglaublich: Auch nach mehr als zwei Jahren Pandemie liegen wichtige Informationen zum Corona-Geschehen nicht oder nur mit Verspätung vor. "Es ist traurig, dass wir nach über zwei Jahren immer noch keine guten, tagesaktuellen Daten bekommen", hatte Lauterbach dazu bereits im Juli im Bundestag gesagt.

So fehlen teilweise Informationen zu Infektions- und Durchimpfungsraten in Gesundheitseinrichtungen, die Vergleichbarkeit der Daten zwischen den Bundesländern ist nicht immer gegeben. Und das, obwohl Gesundheitsexpert*innen schon vor Monaten, ja Jahren, darauf hingewiesen hatten, dass Deutschland hier im Vergleich zu anderen Ländern akuten Nachholbedarf hat. Insofern ist die Verbesserung der Datenbasis zwar ein sinnvoller, aber auch längst überfälliger Schritt. 

Entscheidende Schwachstelle bei neuen Corona-Maßnahmen

Was genau in Lauterbachs "Pandemie-Radar" alles enthalten sein soll, ist aber auch Ende August noch nicht klar. Neben genaueren Daten zur Lage im Gesundheitssystem, wie beispielsweise die tagesaktuelle Bettenbelegung in Krankenhäusern, soll auch die Überwachung des Abwassers ausgebaut werden, da sich darin die Virenkonzentrationen nachweisen lässt und so auch nicht durch Tests belegte Infektionen erfasst werden können.

Eine wichtige Rolle für das "Pandemie-Radar" spielt Demis - das "Deutsche Elek­tro­ni­sche Melde- und Infor­ma­tions­system für den Infek­tions­schutz". Es soll die Datenerfassung beschleunigen und den Zugriff von Behörden auf die Datenbasis regeln und erleichtern. Bereits 2020 wurde das System angepasst und verbessert. Im Herbst soll nun eine weitere "Ausbaustufe" folgen. 

Aber egal, welche Daten genau durch Lauterbachs "Pandemie-Radar" erfasst werden - ein entscheidendes Problem wird so nicht gelöst: Eine verbesserte Datenlage und die Möglichkeit für die Bundesländer, regional auf das Infektionsgeschehen und die Überlastung im Gesundheitssystem zu reagieren, mag flexible Anpassungen an eine neue "Corona-Welle" ermöglichen. Doch allgemeinverständlich und einfacher sind solche Regelungen nicht. Es besteht die Gefahr, dass sich auch im Herbst 2022 ein regionaler Flickenteppich verschiedener Corona-Maßnahmen bilden wird. Für die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung dürfte dies jedoch eine schlechte Nachricht sein.