Trinken, übergeben, weitertrinken: Ein neues Phänomen ist es nicht, das Jugendliche auf TikTok derzeit für sich entdecken. Das "taktische Kotzen", auch "Zwischenkotzer" genannt, wird als super Party-Trick gefeiert, durch den man mehr Alkohol trinken kann. Einige Nutzer schwören sogar darauf, dass der Kater am nächsten Morgen dadurch gemildert wird.

Sogar auf Hilfe-Portalen wie Gutefrage ist der Trend angekommen. "Bringt taktisches Kotzen beim Saufen wirklich was?", fragt ein Nutzer. "Hilft es, wenn man kurz kotzt, um noch mehr Alkohol konsumieren zu können?" Ob man wirklich von "helfen" sprechen kann, ist jedoch fraglich. Der Zwischenkotzer kann gefährliche Folgen für die Gesundheit haben.

"Taktisches Kotzen": Arzt warnt vor TikTok-Trend

"Diese Art des Saufens ist sehr gefährlich", warnt der Berliner Arzt Dr. Siegfried Fritzsche im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung. Der Neurologe und Psychiater war früher selbst Alkoholiker und bekam dadurch eine Speiseröhren-Erkrankung. Aus dieser Erfahrung heraus hat er sich auf die Suchttherapie spezialisiert und gibt unter anderem Seminare zum Schutz vor Alkohol.

Wenn absichtliches Erbrechen zur Gewohnheit wird, ist das grundsätzlich problematisch. Aber selbst wenn es "nur" nach ein paar Drinks als Präventivmaßnahme genutzt wird, kann es unserem Verdauungstrakt schaden. "Viermal im Monat reicht da schon", sagt Fritzsche. Denn wenn jemand "taktisch" kotzt, kommt nicht nur Alkohol raus. Auch Magensäure, verdaute und unverdaute Speisereste sind mit dabei. Und das muss "alles durch die Speiseröhre", so der Mediziner. Die Magensäure verursache dabei eine "ordentliche Entzündung" in der Speiseröhre. "Wenn Essen mit dabei ist, kann es auch passieren, dass es in der Speiseröhre zu kleinen Rissen kommt. Das dadurch entstehende Barrett-Syndrom kann zu Krebs führen"

Das Barrett-Syndrom tritt hauptsächlich bei Menschen auf, die häufig Sodbrennen haben oder an der Refluxkrankheit leiden. Wenn ständig Magensäure durch die Speiseröhre läuft, reizt das nicht nur die Schleimhaut - die Zellen können sich dadurch verändern und wuchern. Der sogenannte Barrett-Ösophagus ist daher eine Vorstufe zum Krebs, erklären auch die Experten der Apotheken Umschau.

Krebsrisiko steigt: So gefährlich ist absichtliches Erbrechen beim Saufen

Mehrere Studien haben erwiesen, dass das Syndrom das Krebsrisiko deutlich steigern kann. Speiseröhren-Krebs ist zwar vergleichsweise selten, dennoch ist das Barrett-Syndrom einer der häufigsten Auslöser dafür und sollte daher ernst genommen werden. Tumore in der Speiseröhre sind zudem meistens bösartig und wachsen schnell. Wird die Zellveränderung rechtzeitig erkannt, kann der Krebs noch verhindert werden. Das Gefährliche am Barrett-Syndrom ist jedoch, dass es keine spürbaren Symptome hat. Für die Diagnose ist eine Gewebeprobe notwendig. 

Auch die Ösophagitis, eine Speiseröhrenentzündung, kann das Risiko einer Krebserkrankung steigern - und wird durch häufiges Erbrechen gefördert. Wird das Organ regelmäßig Magensäure und Alkohol ausgesetzt, begünstigt das laut Fritzsche eine Entzündung. Neben dem Krebsrisiko kann es zu bleibenden Schäden oder einer Lungenentzündung kommen. "Zudem besteht das Risiko der Aspiration, als sich zu verschlucken oder Speisereste in den falschen Hals zu bekommen", so der Arzt weiter. Den Zähnen kann "taktisches Kotzen" ebenfalls schaden. Die Nebenwirkung ist auch von Bulimie-Patienten bekannt. Beim wiederholten Erbrechen gelangt die Magensäure in den Mund und greift den Zahnschmelz an. Auf Dauer werden die Zähne empfindlicher und es können Karies oder Zahnfleischentzündungen entstehen.

Zu viel Alkohol kann übrigens noch weitere Krankheiten auslösen: Eine Liste findest du hier.