Datenerfassung von Mitarbeitenden muss nicht gleich Spionage sein Technisch ist viel möglich In vielen Wirtschaftszweigen einsetzbar Rechtliche Lage in Deutschland setzt Grenzen Videoüberwachung ist manchmal zulässig Tesla, der Automobilhersteller aus den USA, kontrolliert offenbar mit den Zutrittsausweisen, ob Angestellte ins Büro kommen – und verschickt dann an einige eine nicht ganz so freundliche Erinnerung. Wie die WirtschaftsWoche berichtet, ging diese E-Mail offenbar automatisch an alle Angestellten von Tesla in den USA, die an mehr als 16 Tagen nicht ihre Mitarbeitskarte genutzt hatten, um in eines der Büros zu gelangen. Auch hierzulande ist der Kontrollwunsch mancher Arbeitgeber groß. Doch ist eine solche Überwachung in Deutschland zulässig?  Datenerfassung von Mitarbeitenden muss nicht gleich Spionage sein Ohne Zustimmung und Kontrolle geht in Deutschland in Sachen Datenkontrolle durch den Arbeitgeber nicht sonderlich viel. Dabei ist der Einsatz digitaler Überwachung keineswegs die Ausnahme. 23 Prozent der deutschen Unternehmen setzen Software für die Mitarbeiterüberwachung ein. Das hat der kostenloser Online-Marktplatzanbieter Capterra, der als Vermittler zwischen Käufer*innen und Technologieanbieter*innen in der Softwarebranche fungiert, in einer Befragung ermittelt. Capterra führte im Februar 2022 eine Online-Umfrage mit 708 Mitarbeiter*innen aus deutschen Unternehmen durch, um die Verbreitung der Mitarbeiterüberwachung am Arbeitsplatz zu untersuchen. Die überwachten Befragten gaben an, dass es vor allem um die folgenden Daten geht, die an ihrem Arbeitsplatz gesammelt werden:  Anwesenheit (Anmelde-/Abmeldezeitpunkt, aktive/inaktive Zeit, Anwesenheit, Krankheitstage): 74 Prozent Zeitmanagement (auf einzelne Aufgaben verwendete Zeit, auf Projekte verwendete Zeit): 54 Prozent Arbeitslastmanagement (Aufgabenlisten, Arbeitsplan, Ziele und Leistungskennzahlen): 36 Prozent Computeraktivitäten (Internetzugriff, Zeiterfassung, Web-Browsing): 27 Prozent Digitale Kommunikation (E-Mails, Chatnachrichten, Videokonferenzen): 20 Prozent Arbeitsbereich (Videoüberwachung durch Webcams, Zeitraffer-Fotos oder Screenshots): 13 Prozent Audiogespräche (Telefonnutzung): 11 Prozent Aktive und inaktive Zeit: (Mausbewegungen, Erfassung von Tastatureingaben, Anmelde-/Abmeldezeitpunkt): 10 Prozent Soziale Medien (Nutzung persönlicher Konten): 5 Prozent Standort (GPS und Fahrzeugverfolgung): 5 Prozent Im Mittelpunkt der Datenkontrolle am Arbeitsplatz stehen Informationen für die Personalverwaltung. Das sind zwar sensible Daten, die aber durchaus das Arbeitsleben erleichtern. Insofern gibt es viel Zustimmung bei den Betroffenen, die Daten auf elektronischem Weg zu sammeln. Auf Platz zwei, und ebenfalls relevant, sind die Zeiten, die für Arbeitsaufträge aufzuwenden sind. Wichtige sind diese Werte für Kalkulationen und Rechnungen, sie können aber ebenso dazu dienen, die Leistung der Mitarbeiter*innen zu kontrollieren und mit anderen zu vergleichen. Weniger häufig im Einsatz sind Computeraktivitäten oder gar Keylogger, also die Erfassung von Tastatureingaben. Egal ob der Firmencomputer im Homeoffice oder auf dem Schreibtisch in der Firma steht, einen großen Unterschied gibt es nicht. Technisch ist viel möglich Technisch ist fast alles möglich: Unternehmen könnten auf Dienstrechnern Software installieren, die ausnahmslos jede Aktivität überwacht, jeden Tastendruck, jede besuchte Website, jedes ausgeführte Programm. Bei der Überwachung von Telefon und E-Mails im Büro und Homeoffice müssen Arbeitgeber*innen zwischen Daten und Inhalten unterscheiden. Die Dauer und den Zeitpunkt von Telefonaten oder Internetzugriffen dürfen sie überwachen, deren Inhalte allerdings nicht. Das Aufzeichnen oder Abhören von Gesprächen ist unter Umständen sogar strafbar, wenn der oder die Gesprächspartner*in nicht eingewilligt hat (§ 201 Strafgesetzbuch - StGB). Die Mitarbeiterüberwachung von dienstlichen E-Mails und dienstlicher Internetnutzung ist gesetzlich erlaubt, private E-Mails hingegen sind tabu. Besteht vertraglich ein Verbot zur privaten Nutzung von Internet und Telefon, musst du davon ausgehen, dass dieses Verbot eingehalten wird. Der Software-Anbieter Celonis, nach Angaben der FAZ, Deutschlands am höchsten bewertetes Start-up und Marktführer, bietet Betrieben einiges in Sache Mitarbeiterüberwachung. Mit der Software "Task Mining" kann der Betrieb auf den Rechnern der Beschäftigten eine effiziente Überwachungssoftware installieren. Bildschirminhalte, Tastatureingaben, Mausklicks, Scroll-Vorgänge und sogar der Inhalt der Zwischenablage können damit aufgezeichnet werden. Gleiches gilt für versandte E-Mails, Aufrufe von Websites oder Interaktionen mit Anwendungen wie Excel. Die meisten Auswertungen beziehen sich auf Gruppen, Teams, Abteilungen oder Firmenstandorte. Das System kann aber ebenso Ranglisten der Beschäftigten namentlich anzeigen – gereiht nach dem Grad der Pünktlichkeit der Auslieferung der von ihnen bearbeiteten Bestellungen. Neben Auswertungen und Analysen bietet Celonis auch Funktionen, die Arbeitnehmende in Echtzeit Arbeitsaufgaben zuweisen, vorschlagen oder erteilen. Bei dieser Form des algorithmischen Managements wirkt die Verarbeitung personenbezogener Daten direkt auf die Arbeitstätigkeit zurück. In vielen Wirtschaftszweigen einsetzbar Im Handel und der Gastronomie sind die Kassendaten ein fast unendlicher Daten-Fundus. Sie ermöglichen Rückschlüsse auf die Arbeitstätigkeiten. Erfasst sind neben Bezahlvorgängen Daten über die mit dem Barcode-Lesegerät gescannten Produkte an Supermarktkassen oder über aufgenommene Bestellungen in Restaurants. Ein System des IT-Giganten Oracle überwacht Kassendaten laufend zur Diebstahl- und Betrugserkennung. Als verdächtig eingeschätzte Kassen-Mitarbeiter*innen sind auf Knopfdruck namentlich in Listenansichten dargestellt. Für jeden Bezahlvorgang kann der zeitlich passende Ausschnitt eines Überwachungsvideos eingesehen werden. Gleichzeitig stellt Oracle auf Basis der gleichen Daten umfassende Leistungsauswertungen für Kassen-Mitarbeiter*innen und Verkaufspersonal zur Verfügung. Ein anderer Hersteller wertet Bewegungen von Beschäftigten in Geschäftsräumen mithilfe automatisierter Videoanalyse aus. Fü den Bereich der Produktion und Fertigung vermarktet Celonis unter dem Schlagwort "Process Mining" auch eine Software zur Analyse, Optimierung und Automatisierung betrieblicher Abläufe. Es geht um Daten über die Arbeitstätigkeit von Beschäftigten. Auf Basis von Aktivitätsdaten aus eingesetzten betrieblichen Systemen von Herstellern wie SAP, Oracle, Microsoft oder Salesforce geht es darum, ineffiziente und unerwünschte Abläufe und Arbeitsschritte zu identifizieren und zu beseitigen. Rechtliche Lage in Deutschland setzt Grenzen Die Arbeitgeber*innen haben bei der Mitarbeiterüberwachung immer die individuellen Rechte von Arbeitnehmenden, die Mitbestimmung des Betriebsrats und den Datenschutz zu berücksichtigen. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) regelt in Paragraf 26die "Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses". Mit Art. 88 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist es den Mitgliedsstaaten möglich, spezifischere Vorschriften im Umgang mit Mitarbeiterdaten zu erlassen. BDSG und DSGVO sind die Grundlage dafür, was Vorgesetzte in Sachen Mitarbeiterkontrolle dürfen und was nicht. Die Mitarbeiterüberwachung darf nicht gegen das Persönlichkeitsrecht, das Selbstbestimmungsrecht und das Recht am eigenen Bild verstoßen. Das ergibt sich aus dem Grundgesetz (GG). Dort steht unter anderem: "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt." Ein solcher Grundrechtseingriff muss daher immer verhältnismäßig sein. Der Einsatz von "Keyloggern", also Softwareprogramme, die bei Dienstcomputern ohne Einwilligung des Mitarbeitenden Tastatureingaben erfassen und speichern oder Screenshots anfertigen, ist nur erlaubt, wenn der konkrete Verdacht einer Straftat oder schwerer arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen besteht. Videoüberwachung ist manchmal zulässig Um zu beurteilen, ob eine Videoüberwachung zulässig ist, ist es wichtig zu unterscheiden, ob der oder die Mitarbeitende von der Überwachung Kenntnis hat oder nicht. Eine offene Kameraüberwachung am Arbeitsplatz ist dann erlaubt, wenn sie einen legitimen Zweck verfolgt. Dieser liegt beispielsweise vor, wenn Arbeitgeber*innen im Einzelhandel die Ware vor Diebstählen schützen wollen. Die Überwachung darf nach gängiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) die Mitarbeitenden nicht schikanieren oder unter Beobachtungsdruck setzen und sie muss im Einzelfall verhältnismäßig sein (Urteil vom 14.12.2004, Az.: 1 ABR 34/03). Bei offener Kameraüberwachung im öffentlichen Raum ist es außerdem wichtig, auf die Aufnahme hinzuweisen. Eine offene Mitarbeiterüberwachung ist dann möglich, wenn dein*e Arbeitgeber*in ein berechtigtes Interesse nachweisen kann. Dies liegt beispielsweise dann vor, wenn:  Arbeitgebende ihr öffentliches Betriebsgelände per Video überwachen, um Diebstahl vorzubeugen, Callcenter-Betreiber*innen Gespräche mit der Kundschaft mitschneiden, um die Qualität der Beratung zu dokumentieren, Arbeitgebende die Arbeitszeit durch Stundenzettel kontrollieren, Arbeitgebende die Mailnutzung kontrollieren für den Fall, dass die private Nutzung verboten ist, Arbeitgebende eine Standortbestimmung für den Arbeitsprozess benötigen, etwa im Logistik-Bereich, und dafür GPS-Tracking nutzen. Offene Überwachungsmaßnahmen und Datenspeicherungen brauchen die Zustimmung der Mitarbeitenden. Das gilt auch für die Veröffentlichung von Fotos der Mitarbeiter*innen auf der Firmenwebsite.  Verdeckt installierte Videokameras darf dein*e Arbeitgeber*in grundsätzlich nicht verwenden - weder, um das Eigentum und andere Rechtsgüter vor unredlichen Arbeitnehmenden zu schützen, noch, um die Arbeitsleistung der Mitarbeitenden zu kontrollieren. Besteht ein konkreter Verdacht auf strafbare Handlungen oder rechtswidriges Verhalten der Arbeitnehmer*innen und gibt es keine alternative Überwachungsmöglichkeit, darf dein*e Arbeitgeber*in aber verdeckt kontrollieren (BAG; Urteil von 27.3.2003, Az.: 2 AZR 51/02). Im öffentlichen Raum ist eine verdeckte Kameraüberwachung grundsätzlich verboten. Auch im Bereich der Mitarbeiterüberwachung durch Detektive muss ein konkreter Straftatverdacht vorliegen. Diese umfassen Testkäufe durch Detektive, welche allerdings nur eingeschränkt erlaubt sind. Darüber hinaus dürfen Leibesvisitationen sowie Taschenkontrollen nur unter Zustimmung des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz BetrVG) und mit der Einwilligung der betroffenen Mitarbeiter*innen durchgeführt werden. Fazit Wenn die Firma auf den Dienstrechnern unbedingt eine Überwachungs-Software installieren will, merken die Mitarbeitenden hiervon meistens nichts. So weit sollte es aber nicht kommen. Firmen, die ein halbwegs intaktes Betriebsklima haben und ihre Mitarbeitenden wertschätzen, verzichten auf rechtlich bedenkliche Überwachungs-Software. Und in jedem Fall sollte für alle Betriebe gelten: Alle Mitarbeiter*innen sollten über alle Arten von gesammelten personenbezogenen Daten informiert werden.