Fehlendes Fluggepäck vermasselt Geburtstagsparty Airline unternahm nichts, um für einen stornierten Flug Ersatz zu beschaffen Schadensersatz für nachgewiesene psychische Erkrankung Der Kummer mit den verspäteten Anschlussflügen Wer haftet für den geklauten Koffer? Gleich fünf Urteile zum Reiserecht verbessern die Rechte von Fluggästen bei Problemen mit den Airlines. Insbesondere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sorgen für Überraschungen und sind die Vorlage zur Umsetzung für die nationalen Gerichte. Fehlendes Fluggepäck vermasselt Geburtstagsparty Fehlende Gepäckstücke am Zielflughafen sind ausgesprochen ärgerlich und können letztlich sogar den Reisezweck aushebeln. Informiert die Airline ihre Kund*innen nicht rechtzeitig, müssen sie für die Kosten aufkommen - und neuerdings sogar einen Teil des Flugpreises erstatten. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschieden (Urteil vom 20.10.2022, Az.: 11 U 9/22). Wenn ein Flugunternehmen damit rechnen muss, Passagiergepäck nur erheblich verzögert zum Zielort transportieren zu können, hat es die Reisenden vor der Buchung darauf hinzuweisen. Unterbleibt das, muss die Fluggesellschaft den Reisenden die entstandenen Schäden ersetzen. Und das war der Fall: Eine Familie hatte einen Flug von Hannover nach Kenia gebucht, um dort einen 50. Geburtstag zu feiern. Das Gepäck einschließlich der festlichen Garderobe für die Feier traf mit einwöchiger Verzögerung ein. Die Flugreisenden verklagten die Airline - mit Erfolg. Und so argumentiert das Gericht: Die Beförderungsleistung für den Hinflug sei wertlos, weil die zeitnahe Gepäckbeförderung für den Fluggast von wesentlicher Bedeutung war. Die Ersatzbeschaffung für den Gepäckinhalt erfordere in Kenia – soweit überhaupt möglich – einen deutlich höheren Zeitaufwand. In der Konsequenz sei die Erreichung des eigentlichen geplanten Reisezwecks nachhaltig gestört. Der Rückflug sei aber zu bezahlen, wobei der Senat angedeutet hat, dass dies bei einer Pauschalreise möglicherweise anders zu beurteilen sei. Die Kosten für die Ersatzbeschaffung, also den Inhalt des Gepäckstücks, musste das Luftfahrtunternehmen bereits nach einem Urteil des Landgerichts (LG) Hannover ersetzen. Sonstige Ansprüche hatte das LG aber abgewiesen. Mit ihrer Berufung vor dem OLG verlangten die Passagiere nun den Flugpreis zurück. Airline unternahm nichts, um für einen stornierten Flug Ersatz zu beschaffen Bei einem von der Airline stornierten Flug haben Passagiere Anspruch auf Ersatzbeförderung. Kümmert sich die Fluggesellschaft nicht zeitnah darum, können Reisende selbst auf die Suche nach alternativen Flügen gehen und sich Mehrkosten dafür erstatten lassen. Die Kosten muss die Airline selbst in dem Fall übernehmen, wenn die ersatzweise gebuchten Flüge eine höhere Kategorie haben und von einem anderen Flughafen starten als die stornierte Verbindung. Dies entschied das Landgericht Köln (Urteil vom 13.4.2022, Az.: 4 O 440/20). Und das war der Fall: Kläger war ein Mann, der mit seiner Frau von Singapur nach Deutschland fliegen wollte. Seine Airline hatte den Flug storniert. Daraufhin hatte das Ehepaar vergeblich per E-Mail und Telefon um Informationen gebeten, wie es weitergehen solle. Ein Angebot für eine Ersatzbeförderung machte die Airline nicht. Nach den vergeblichen Kontaktversuchen nahmen die Fluggäste die Organisation selbst in die Hand. Zu der Zeit drohten wegen der Corona-Pandemie schon Schließungen von Flughäfen und der stornierte Flug wäre schon am folgenden Tag abgehoben. Das Ehepaar war zu dem Zeitpunkt in Thailand. Es hatte Flugtickets nach Singapur gebucht, um dort den stornierten Flug nach Deutschland zu erwischen. Das Problem: Von Singapur gab es keine Ersatzflüge mehr am geplanten Abflugtag.  Deshalb suchte das Ehepaar nach Flügen von Thailand nach Deutschland und fand nur noch Verbindungen in der Businessclass statt Premium Economy. Die Reisenden buchten Tickets und stornierten die selbst gebuchten Zubringer-Flüge von Thailand nach Singapur. Im Nachgang zahlte die Airline das Geld für die stornierten Singapur-Deutschland-Flüge in Höhe von rund 2.500 Euro zurück. Doch der Kläger forderte von der Airline auch eine Beteiligung an den Mehrkosten für die selbst ersatzweise gebuchten Businessclass-Flüge von Thailand nach Deutschland, die gut 5.000 Euro gekostet haben. Zu Recht, entschied das Landgericht. Die Airline sei in diesem Fall schadenersatzpflichtig. Die Reisenden haben einen Anspruch auf Erstattung der Kosten im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung (§ 8). Dem stehe weder der andere Abflugort noch die höhere Sitzklasse entgegen. Das nicht erfolgte Angebot der Airline für zeitnahe Ersatzflüge stellt laut Gericht eine Pflichtverletzung dar. Worauf der Kläger sitzen bleibt, sind die Stornokosten für die Flugtickets von Thailand nach Singapur. Das lag laut Gericht nicht im Kenntnis- und Einflussbereich der beklagten Airline. Schadensersatz für nachgewiesene psychische Erkrankung Fluggäste können für eine psychische Beeinträchtigung, die sie durch einen Unfall an Bord oder beim Ein- oder Aussteigen erlitten haben, Schadensersatzansprüche gegen die Fluglinie geltend machen. Voraussetzung dafür ist, dass die psychische Beeinträchtigung medizinisch nachweisbar und behandlungsbedürftig ist und damit einer Körperverletzung entspricht. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 20.10.2022, Az.: C-111/21). Der österreichische Oberste Gerichtshof hat einen Rechtsstreit zwischen einer Flugreisenden und der Gesellschaft Laudamotion zu entscheiden. Eine Flugreisende verlangt von der Fluggesellschaft Laudamotion Schadensersatz wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sie bei einer Notfallevakuierung des Flugzeugs erlitten hat und deretwegen sie sich in ärztlicher Behandlung befindet. Sie hatte das Flugzeug über einen Notausstieg verlassen und war durch den Jet Blast des rechten Triebwerks, das noch in Bewegung war, mehrere Meter durch die Luft geschleudert worden. Laudamotion wollte nur für die Körperverletzungen, nicht aber für die psychischen Beeinträchtigungen aufkommen. Das beurteilte der EuGH anders. Der verletzte Fluggast müsse dazu aber ein medizinisches Gutachten und Belege für eine ärztliche Behandlung vorlegen. Der Kummer mit den verspäteten Anschlussflügen Enthält eine Flugreise mehrere Transporte, die von verschiedenen Luftfahrtunternehmen durchzuführen sind, kann man bei großer Verspätung von einem der Flüge eine Entschädigung verlangen. Es handelt sich um "direkte Anschlussflüge", auch wenn die Luftfahrtunternehmen rechtlich nichts miteinander zu tun haben, so der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 06.10.2022, Az.: C-436/21). Hintergrund ist der Fall eines Fluggasts, der mit insgesamt drei einzelnen Flügen von Stuttgart nach Kansas City wollte. Diese Reise buchte er über ein Reisebüro, wo er einen elektronischen Flugschein kaufte. Den ersten Flug führte Swiss International Air Lines durch, während die anderen beiden über American Airlines liefen. Auf dem Flugschein war aber nur American Airlines als Dienstleistungserbringerin angegeben und er enthielt eine einheitliche Buchungsnummer für die gesamte Strecke. Das Reisebüro stellte eine Rechnung aus, die den Gesamtpreis sowohl für den Hin– als auch den Rückflug beinhaltete. Die Reise verlief nicht reibungslos. Die ersten beiden Flüge waren zwar pünktlich – beim dritten und letzten Abschnitt von Philadelphia nach Kansas City kam der Reisende jedoch mit einer Verspätung von vier Stunden an. Der Mann trat daraufhin seine durch diese Verspätung entstandenen Ansprüche an Flightright ab, einem Legal-Tech-Anbieter, der Ansprüche der Reisenden nach der Fluggastrechte-Verordnung durchsetzt. Der EuGH beschäftigte sich mit dem Begriff der "direkten Anschlussflüge". Er ist der Ansicht, dass darunter ein Beförderungsvorgang fällt, der in einem Mitgliedstaat der EU startet, aber aus mehreren Flügen besteht – die auch von unterschiedlichen und rechtlich nicht miteinander verbundenen Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden. Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei aber, dass die Flüge Gegenstand einer einzigen Buchung sind, also von einem Reiseunternehmen zusammengefasst sind, das dafür einen Gesamtpreis in Rechnung stellt und einen einheitlichen Flugschein ausgegeben hat. Nur dann handele es sich um "direkte Anschlussflüge".   Wer haftet für den geklauten Koffer? Flugpassagiere können keinen Schadensersatz von Flughafenbetreibern verlangen, wenn ihre Koffer beim Entladen von Personen gestohlen werden, die keine Flughafenangestellten sind. Das hat das Landgericht Frankfurt am Main (LG) entschieden (Urteil vom 7.10.2022, Az.: 2-28 O 238/21). Das war der Fall: Als ein Mitarbeiter eines Flughafens Gepäck entladen hatte, kamen ihm zwei Männer in schwarzen Hosen und gelben Warnwesten zur Hilfe. Sie waren mit einem Kleinwagen zum Abfertigungsbereich gefahren, zu dem nur berechtigte Personen Zugang haben. Die beiden Männer hatten den Mitarbeiter der Flughafenbetreiberin dann veranlasst, fünf Koffer von seinem Gepäckwagen abzuladen und haben diese mitgenommen. Die Eigentümer der Koffer sahen diese nicht wieder - und klagten. Sie gaben an, dass der Inhalt mit hochwertigen Kleidungsstücken sowie der Koffer der Marke Louis Vuitton einen Gesamtwert von 300.000 Euro hätte. Gesondert versichert hätten sie das Gepäck nicht. Daher verlangten sie Schadensersatz von der Flughafenbetreiberin. Das LG sah keine Grundlage für einen Schadensersatzanspruch und wies die Klage zurück. Die Flughafenbetreiberin habe keine Verkehrssicherungspflichten verletzt. Das Gepäck sei nicht unbeaufsichtigt an einem leicht zugänglichen Ort abgestellt worden. Selbst eine Videoüberwachung hätte den Diebstahl nicht verhindern können, da die Personen wie übliche Mitarbeiter aussahen, erklärte das Gericht. Schließlich könne der Flughafenbetreiberin ebenfalls nicht vorgehalten werden, sie hätte ihren Gepäckmitarbeiter nicht ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht. Die Täter hätten sich trickreich verhalten und waren deshalb erfolgreich. Fazit Das Reiserecht im Sinne der Verbraucher*innen hat sich durch die Rechtsprechung in Europa gut entwickelt. Gerade bei den Flugreisen gibt es mehr grenzüberschreitende Rechtssicherheit, Schutz vor der Willkür ökonomisch mächtiger Airlines. Europarecht kann also eine ziemlich gute Sache sein. Daran solltest du dich erinnern, wenn es mit dem Flieger in den nächsten Urlaub geht.