Schneeschippen ist gerecht auf die Mieter zu verteilen Dachlawine: Hauseigentümer haftet bei Schäden Auf Schleichwegen keine Räumungspflicht Keine Streupflicht zwischen parkenden Autos Räumpflicht reicht nur bis zur Grundstücksgrenze Ein 79-jähriger Mann ist im oberbayerischen Murnau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen auf einem vereisten Gehweg ausgerutscht und gestorben. Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten zur Todesursache und zur Frage, ob Dritte wegen Verstoßes gegen die Streupflicht eine Schuld an dem Unfall tragen könnten. Die Streupflicht und die Frage, wer für Stürze auf schlecht geräumten Gehwegen haftet, beschäftigt immer wieder die Gerichte.  Schneeschippen ist gerecht auf die Mieter zu verteilen Wer im Erdgeschoss wohnt, ist naturgemäß am nächsten dran an Schnee und Eis auf den Hauszugängen und dem Bürgersteig vor dem Haus. Doch rechtfertigt das, dass die Erdgeschossbewohner*innen die Arbeit alleine machen müssen? Eine Regelung in der Hausordnung eines größeren Objekts mit 24 Mietparteien, dass nur die Erdgeschossmieter den Winterdienst übernehmen müssen, benachteiligt diese unangemessen. Das entschied das Amtsgericht (AG) Köln (Urteil (AG vom 14.9.2011, Az.: 221 C 170/11). Die Mieterin teilte dem Vermieter mit, dass sie wegen ihres Alters und einer Krankheit nicht mehr in der Lage ist, den Winterdienst zu übernehmen. Sie bat den Vermieter, für Ersatz zu sorgen. Weil der Vermieter das ablehnte, klagte die Mieterin auf Feststellung, dass sie nicht zum Winterdienst verpflichtet sei. Das AG Köln gab der Mieterin recht. Die in der Hausordnung enthaltene Regelung, dass nur die Erdgeschossmieter Schnee und Eis entfernen müssen, sei unwirksam. Dies sei eine unangemessene Ungleichbehandlung der Mieterin und deshalb gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam. Als unerheblich befand das AG, dass die Mieterin den Winterdienst bisher ausgeführt hat. Aus dieser faktischen Übernahme lasse sich keine Verpflichtung herleiten.  Dachlawine: Hauseigentümer haftet bei Schäden Wird ein parkendes Auto von einer Dachlawine beschädigt, können Schadenersatzansprüche gegen den Hauseigentümer entstehen. Dieser ist verpflichtet, selbst in schneearmen Gebieten vor den Gefahren zu warnen. Dass er nicht vor Ort wohnt, entlastet ihn nicht. Der Fahrer eines Toyota hatte sein Fahrzeug an einem schneereichen Januartag am Straßenrand geparkt. Eine Schneelawine stürzte von einem Dach und beschädigte das Auto. Das Dach war nicht mit Schneefanggittern gesichert. An dem Fahrzeug entstand ein Sachschaden von 6.000 Euro. Das Landgericht (LG) Magdeburg verurteilte die Hauseigentümerin wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht zur Zahlung des halben Schadens (Urteil vom 10.11.2010, Az.: 5 O 833/10). Begründung: Wer eine Gefahrenlage schaffe, müsse alle zumutbaren Vorkehrungen treffen, um diese zu vermeiden. Schneefanggitter seien zwar nicht notwendig, gleichwohl müssten die Straßenbenutzer bei ungewöhnlich starkem Schneefall vor den Gefahren gewarnt werden. Wer nicht vor Ort ist, muss Vorkehrungen treffen oder diese entsprechend organisieren. Zudem sei der Schneefall nicht plötzlich aufgetreten, sondern bestand schon seit einiger Zeit. Dennoch bleibt der Kläger zu 50 Prozent auf seinem Schaden sitzen, weil er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen muss. Er kannte nämlich auch die Wetterlage und die Gegebenheiten des Dachs, da er schräg gegenüber wohnte. Daher war es ihm zuzumuten, an einer ungefährlichen Stelle zu parken. Auf Schleichwegen keine Räumungspflicht Im kalten Winter siegt oft die Bequemlichkeit und Schleichwege verkürzen den Nachhauseweg. Doch muss ein "Schleichweg" von Schnee und Eis befreit sein? Für einen Privatweg, den Passant*innen mit Kenntnis des Eigentümers unbefugt als Abkürzung nutzen, gilt nicht dieselbe Verkehrssicherungspflicht wie für einen öffentlichen Weg. Ein Kläger verlangte von einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) Schadensersatz und Schmerzensgeld. Er behauptete, bei Schnee und Eis auf einem Garagenvorplatz der WEG gestürzt zu sein und sich hierbei erhebliche Verletzungen zugezogen zu haben. Die Klage hatte vor dem Oberlandesgericht (OLG) keinen Erfolg. Der WEG ist keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen (Urteil vom 16.5.2013, Az.: 6 U 178/12). An die Sicherungspflichten dürfen Nutzer*innen bei bloßer Duldung privaten Verkehrs keine allzu hohen Anforderungen stellen. Die üblichen Regeln, die an öffentliche Gehwege zu stellen sind, gelten hier nicht. Vielmehr muss der unbefugte Nutzer die private Verkehrsfläche grundsätzlich so hinnehmen, wie er sie vorfindet. Daher besteht in der Regel keine Räum- und Streupflicht für private Wege, die rein der Abkürzung oder Bequemlichkeit dienen. Keine Streupflicht zwischen parkenden Autos Die Streupflicht auf einem Supermarktparkplatz erstreckt sich nicht auf den Bereich zwischen den abgestellten Fahrzeugen. Es reicht, den Weg von und zu den Autos schnee- und eisfrei zu halten. Im Übrigen enthebt die Erwartung, bei winterlichen Witterungsverhältnissen ordnungsgemäß geräumte oder gestreute Wege vorzufinden, den Fußgänger nicht von der eigenen Verpflichtung, Wege sorgfältiger als sonst zu nutzen. Beim Aussteigen aus ihrem Auto rutschte eine Kundin zwischen den parkenden Fahrzeugen auf einer Eisfläche aus, die sich über Nacht gebildet hatte, stürzte und zog sich Verletzungen zu. An der Unfallstelle war nicht gestreut. Die Kundin meinte, der Supermarktbetreiber und der Winterdienst hätten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt und seien zum Schadensersatz verpflichtet. Die Klage auf Schadensersatz hat keinen Erfolg, entschied der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 2.7.2019, Az.: VI ZR 184/18). Es lag keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Im Bereich zwischen den Fahrzeugen gab es keine Streupflicht. Von markierten Stellflächen geht bei einer Glättebildung regelmäßig eine eher geringe Gefahr aus, weil die Fahrzeuginsassen diesen Bereich nur beim Ein- und Aussteigen betreten müssen und sich am Fahrzeug festhalten können. Es ist daher grundsätzlich nicht erforderlich, einen Parkplatz so zu streuen, dass bereits beim Aussteigen aus jedem Fahrzeug abgestumpfter Boden betreten werden kann. Das gilt auch für einen öffentlich zugänglichen Kundenparkplatz. Es reicht aus, den Kunden zu ermöglichen, ihr Fahrzeug unbeeinträchtigt von einer Glättebildung zu be- und entladen und eine Möglichkeit zu schaffen, den Platz gefahrlos zu verlassen, beziehungsweise die Fahrzeuge gefahrlos zu erreichen. Räumpflicht reicht nur bis zur Grundstücksgrenze Der Mieter einer Wohnung in München verlangte von seiner Vermieterin Schadensersatz wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Er war beim Verlassen des Hauses auf dem öffentlichen Gehweg vor dem Haus gestürzt. Die Stadt München, die die Räum- und Streupflicht für den Gehweg oblag, hatte den Gehweg geräumt und gestreut, allerdings nicht auf der ganzen Breite und nicht im direkten Zugang zum Haus. Es blieb ein schmaler, ungeräumter Bereich. Die Vermieterin hatte keinerlei Räumarbeiten vorgenommen, weil sie ihrer Meinung nach nicht dazu verpflichtet war. Die Klage hat keinen Erfolg. Seine Vermieterin war nicht verpflichtet, den öffentlichen Gehweg vor dem Haus zu räumen, entschied der BGH (Urteil vom 21.2.2018, Az.: VIII ZR 255/16). Im konkreten Fall ist der Mieter nicht auf dem Grundstück, sondern auf dem öffentlichen Gehweg gestürzt. Die dem Vermieter seinen Mietern gegenüber auferlegte Verkehrssicherungspflicht beschränkt sich auf den Bereich des Grundstücks. Dies lag für den öffentlichen Gehweg vor dem Haus bei der Stadt München und nicht bei der vom Winterdienst befreiten Vermieterin. Es war dem Mieter zumutbar, mit der gebotenen Vorsicht den schmalen ungeräumten Streifen des Gehweges zur überqueren, um in den geräumten Bereich zu gelangen. Streupflicht nur bei Glättebildung Wann und unter welchen Umständen musst du überhaupt räumen und streuen? Auch diese Frage hatte der BGH auf dem Tisch. Sind auf einem Grundstück nur vereinzelte Glättestellen ohne erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr vorhanden, ist nicht von einer umfassenden Glättebildung auszugehen, die eine Streupflicht begründet, entschied der BGH (Urteil vom 12.6.2012, Az.: VI ZR 138/11). Die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes verlangte von einer Grundstückseigentümerin Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen eines Sturzes. Sie kam zu Fall, weil sie auf einer Eisfläche von ca. 20 x 30 cm ausrutschte. Der Weg zum Hauseingang war nicht gestreut. Die Klägerin meinte, die Grundstückseigentümerin habe die Räum- und Streupflicht verletzt. Der BGH wies die Schadensersatzklage ab. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (hier: Räum- und Streupflicht) war nicht festzustellen. Die Grundvoraussetzung für die Räum- und Streupflicht auf Straßen oder Wegen ist das Vorliegen einer allgemeinen Glätte und nicht nur das Vorhandensein einzelner Glättestellen. Grundsätzlich bestehen Räum- und Streupflichten regelmäßig für die Zeit des normalen Tagesverkehrs, das heißt an Sonn- und Feiertagen ab 9:00 Uhr. Bei Auftreten von Glätte im Laufe des Tages ist allerdings dem Streupflichtigen ein angemessener Zeitraum zuzubilligen, um die erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Glätte zu treffen. Vorliegend war nicht von einer allgemeinen Glättebildung, sondern nur von einzelnen Glättestellen auszugehen. Dies reicht nicht aus, um eine Räum- und Streupflicht anzunehmen. Fazit Eigentlich ist der Winterdienst auf öffentlichen Straßen und Wegen Aufgabe der Städte und Gemeinden. Die aber kümmern sich meist nur um die Fahrbahnen. Die Verkehrssicherungspflicht für die Gehwege übertragen sie auf die Anlieger – per Satzung, wenn auch nicht in jedem Fall. Nicht alle Hauseigentümer können ihrer Pflicht nachkommen. Aber es gibt Hilfe: Wen du keine Zeit hast, wenn du nicht selbst im Haus wohnst oder wenn du es nicht schaffst, die Räumpflicht dauerhaft und zuverlässig zu erfüllen, musst du einen professionellen Räumdienst beauftragen. Führt das Unternehmen den Auftrag nicht oder nur schlampig aus, muss es für Schäden haften, falls jemandem etwas zustößt (BGH, Urteil vom 22.2.2009, Az. VI ZR 126/07).