Der tragische Tod der Schäferhund-Dame Lea aus Grünstadt (Landkreis Bad Dürkheim), die von ihrem Besitzer nicht rechtzeitig in eine Notfallklinik gebracht werden konnte, hat für Aufsehen gesorgt. In Medienberichten war zu lesen, dass die Hündin starb, weil sie nicht schnell genug versorgt werden konnte, da ihr Besitzer sie von Obersülzen bis in den Raum Frankfurt fahren musste, um die naheliegendste Klinik zu erreichen.

Das wirft die Frage auf, wie es aktuell um die Notfallversorgung der Tiere in Rheinland-Pfalz steht. Im Gespräch mit inRLP.de erklären Fachleute und Klinikleiter, wie kritisch die Situation wirklich ist und welche Faktoren dazu geführt haben. 

Arbeitszeitgesetz und Notfallversorgung: Wie verträgt sich das? 

Ein Faktor, der sich auf die Notfallversorgung besonders negativ auswirkt, ist, dass immer mehr Tierkliniken die Spät- und Wochenenddienste streichen müssen. Das hängt insbesondere mit dem  Arbeitszeitgesetz zusammen, welches regelt, dass nicht länger als zehn Stunden gearbeitet werden darf und mindestens elf Stunden Pause zwischen den Schichten liegen müssen. Dies habe einen festen Rahmen geschaffen, der unflexibel in der Gestaltung ist, erklärt Doktor Rainer Schneichel, Präsident der Landestierärztekammer Rheinland-Pfalz. 

"Hinzu kommen veränderte Ansprüche an die Work-Life-Balance und der Trend zur Teilzeitbeschäftigung. Damit ist man hinsichtlich der Nacht-/Not- und Wochenenddienste deutlich eingeschränkt. Wir sind gefordert, geeignete Modelle zu finden, um den Fachkräftemangel, besonders auf dem Land zu stoppen", sagt Schneichel. "Viele Einrichtungen sind nicht mehr 365 Tage im Jahr im Notdienst." 

Zum Arbeitszeitgesetz fügt Doktor Matthias Rettig von der Tierklinik Maischeiderland hinzu: "Personell mussten wir wegen des Gesetzes stark aufstocken".  Früher habe man 24 Stunden durchgearbeitet, was nun nicht mehr möglich sei. Da man mehr Tierärzte einstellen müsse, um sich an das Gesetz zu halten und gleichzeitig die Notfallversorgung aufrechterhalten wolle, führe das unweigerlich zu Mehrkosten für den Tierbesitzer

Fachkräftemangel und Überbelastung in den Tierkliniken: Personal stößt an seine Grenzen 

Dass die Besitzer teils wenig Verständnis für die hohen Kosten hätten, mache die Arbeit natürlich nicht leichter. Die Arbeitsbedingungen seien ohnehin schon hoch, da die Tierärzte nicht nur unter einer physischen Belastung, sondern vor allem unter enormen psychischen Druck stünden, was mittlerweile zu einem Fachkräftemangel führe. In einer Schweizer Studie wird gar davon berichtet, dass die Suizidrate unter Tierärzten am höchsten sei: "Tierärzte begleiten das Sterben eines Lebewesens fünfmal häufiger als Humanmediziner"

Laut Schneichel entstehe der Mangel unter anderem, weil viele Absolventen, die frisch von der Uni kämen, erst dann mit der tatsächlichen Arbeitsrealität konfrontiert werden würden. Doktor Kai Kreling von der Pferdeklinik Equitales erläutert dazu: "Bei den Tiermedizinstudenten findet eine Selektion der Studierenden über den Notendurchschnitt statt. Einige wählen das Studium einfach nur, weil sie einen 1,0er-Schnitt hatten. Das ist nicht die Idee, einen Job nur auf dieser Grundlage zu ergreifen. Leidenschaft sollte das Motiv sein. Es gibt viele ambitionierte Menschen, die durch den hohen NC gar nicht erst versuchen in den Beruf zu kommen."

Angelina Boller, die für Öffentlichkeitsarbeit in der Tierklinik Betzdorf zuständig ist, berichtet in diesem Kontext von einer Anspruchsproblematik, die den Tierärzten im Notdienst widerfahre. "Das Tier ist für die Besitzer wie ein Familienmitglied und es wird sehr viel verlangt, bei einem sehr hohen Patientenaufkommen. Im Notdienst wird es dann zu einem Problem diesem hohen Anspruch gerecht zu werden". Da werde dann durchaus auch mal ein CT verlangt, nur weil der Hund komisch gucke. 

Wie steht es um die Notdienstsituation der Tiere in Rheinland-Pfalz? 

Bezüglich der Notdienstsituation sieht es also für die Tiere immer schlechter aus. Boller sagt dazu: "Im Dreiländereck, wo wir uns in Rheinland-Pfalz befinden, ist es ab 22 Uhr bis 7 Uhr morgens extrem schwierig einen Tiernotdienst zu finden. Man müsste mehr als 70 Kilometer bis nach Gießen fahren, um zur nächsten Klinik zu kommen. Da wir unseren Nachtdienst aufgeben mussten, werden die verbliebenen Kliniken mit Nachtdienst überlaufen". 

Auf die Frage hin, wie sie die aktuelle Entwicklung einschätze, entgegnet Boller: "Wir bewegen uns auf einen Notstand zu. Irgendwann werden wir davon sprechen, dass man 150 Kilometer fahren muss, bis man etwas findet." Dabei sei es laut Boller vor allem bei Vergiftungen oder chirurgischen Unfällen unfassbar wichtig, dass die Tiere in Kliniken kommen, da die meisten Tierarztpraxen nicht die gleiche stationäre Betreuung leisten können wie die Kliniken. 

"Wir müssen zum Wohl der Tiere handeln! Dazu haben wir uns per Eid verpflichtet!"

Eine weitere Entwicklung, die sich in den letzten Jahren in den Tierkliniken ereignet hat, ist das Mitmischen von Großkonzernen. Laut Kreling sei diese Entwicklung im Gange, weil kein Tierarzt mehr Kliniken übernehmen wolle. Deshalb würden Investoren die Kliniken aufkaufen. Das birgt jedoch laut Kreling folgendes Problem: "Der Tierarzt ist nur noch ein Erfüllungsgehilfe. Der Betriebswirt will nur Zahlen sehen, während der Tierarzt der Wissenschaft dient". 

Jedoch sind sich alle darin einig, dass die Notfallversorgung verbessert werden müsse. Laut Boller würden aktuell alle Kliniken in Rheinland-Pfalz an einem Konzept arbeiten, in dem per Ringbereitschaft und gegenseitiger Absprache immer ein Spät- und Wochenenddienst bei einer Klinik in Rheinland-Pfalz garantiert sei. Wann genau das in die Tat umgesetzt werden könne, stehe allerdings noch nicht fest.

Rainer Schneichel, der nicht nur als Präsident der Landestierärztekammer tätig ist, sondern auch selbst eine Tierklinik betreibt, sagt hoffnungsvoll: "Wir müssen unbedingt zum Wohl der Tiere handeln! Dazu haben wir uns per Eid verpflichtet."

Eine Übersicht aller Tierkliniken in Rheinland-Pfalz findest du hier.

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