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100 Jahre Erster Weltkrieg: Erinnerung an Leonhard Frank


Autor: Günter Flegel

Würzburg, Freitag, 27. Juni 2014

Mit dem Satz "Soldaten sind Mörder" wurde Kurt Tucholsky 1931 berühmt. Lange vor ihm zog Leonhard Frank aus Würzburg mit ganz ähnlichen Thesen gegen den Ersten Weltkrieg zu Felde. Er wurde verfemt und dann fast vergessen.
Die Mär von der allgemeinen deutschen Kriegsbegeisterung 1914 hält sich bis heute hartnäckig. Leonhard Franks Erzählungen sprechen eine andere Sprache. Doch der Würzburger blieb lange vergessen. Fotos: Archiv


Die wichtigste Waffe des Krieges ist die Lüge, und sein erstes Opfer ist die Wahrheit. Diese These gilt bis heute auf den Schlachtfeldern dieser Welt, ungeachtet der Omnipräsenz moderner Medien. Das war auch 1914 so, als das Blutvergießen erstmals von einer Propagandaschlacht ohnegleichen begleitet wurde. Das Bild vom Ersten Weltkrieg prägen immer noch die damals manipulierten Hurra-Fotos und nicht etwa die Stimme der wenigen wahrhaften Rufer wie Leonhard Frank.

Der Würzburger Schriftsteller ist ein Opfer der Kriegspropaganda. Heute noch. Seinen Roman "Die Räuberbande", kennt man. Franks Kindheitserinnerungen, Pflichtlektüre für Würzburger. Als Teil der kollektiven Wahrnehmungsstörung blieben von der "Räuberbande" vor allem die Lausbubenstreiche hängen, weniger die Kritik an den faschistoiden Erziehungsmethoden der Lehrer.

Der Roman erschien 1914, Frank, 1882 geboren, war damals 32. Sein Weg zur Literatur war so verschlungen wie die Würzburger Gassen. Er wuchs als viertes Kind eines Schreinergesellen in armseligen Verhältnissen auf. Nach der Schule versuchte er sich als Fahrradmechaniker und Laborgehilfe, dann schaffte er es dank Stipendien an die Kunstakademie in München, wo er Malerei studierte.

Heldentat und Ohrfeige
Der Umzug nach Berlin 1910 brachte ihn mit der Literatenszene um Georg Heym in Berührung; Leonhard Frank begann zu schreiben. Sein früher Erfolg mit der "Räuberbande" bestimmte keineswegs sein weiteres Wirken. Als Sozialist und entschiedener Pazifist ohrfeigte er 1915 in einem Berliner Café den sozialdemokratischen Journalisten Felix Stössinger, weil dieser die Versenkung des britischen Passagierschiffs Lusitania durch ein deutsches U-Boot (1198 Tote) als "größte Heldentat" bezeichnet hatte. Es gab einen Skandal. Frank musste in die Schweiz emigrieren.

Der Traum vom Frieden
Mit "Der Mensch ist gut", einer Sammlung von fünf Erzählungen, die 1917 erschien, wurde Frank zum geistigen Vater der Friedensbewegung, die erst Jahrzehnte später stark genug war, um die gesellschaftlichen Veränderungen zu bewirken, von denen Frank träumte.

In der Erzählung "Der Vater" zerfleischt Leonhard Frank seinen Protagonisten, den Kellner Robert, nach dem "Heldentod" seines Sohnes auf dem "Feld der Ehre" in einer beispiellosen Selbstanklage: Ich frage euch: ist der kein Mörder, der ein unschuldiges Kind so erzieht, daß es erst zum Mörder werden muß, bevor es selbst ermordet wird?

Mit dieser Prosa, die den Krieg und seine Opfer an der "Heimatfront" in den Fokus rückte, gelangte Frank anders als Remarque mit "Im Westen nichts Neues" nie zu Ruhm. Bei den Nazis fiel er in Ungnade, seine Bücher wurden verbrannt. Nach einer Odyssee quer durch Europa, die er in dem autobiografischen Roman "Links wo das Herz ist" thematisierte, fand Frank Zuflucht in den USA.

In den USA auf dem Index
Dort stand er - als Kommunist - alsbald erneut auf dem Index. 1950 zurück in Deutschland, konnte er hier literarisch nicht wieder Fuß fassen. Mit seiner Kritik an den Altnazis im neuen Staat machte er sich ebenso unbeliebt wie mit seinem Engagement in der Anti-Atom-Bewegung und durch seine Nähe zu führenden Intellektuellen der DDR. 1961 starb der Ruhelose, der nie aufhörte, die Wahrheit gegen die Lüge zu verteidigen. Sein Grab ist in München.

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