Es waren unruhige und gefährliche Zeiten im Jahr 1919. Der Weltkrieg verloren, die Monarchie gestürzt, die gesellschaftlichen Strukturen in Auflösung begriffen. Ein idealer Nährboden für Revolution. In Bayern hatte Kurt Eisner den Freistaat ausgerufen, es gab erste demokratische Wahlen und mit Eisners Ermordung Bürgerkrieg in München. In einem Festakt im Spiegelsaal der Harmonie in Bamberg erinnerte die SPD-Landtagsfraktion, an ihrer Spitze Fraktionschef Markus Rinderspacher, an jene denkwürdigen Tage und daran, dass vor 95 Jahren mit der Verabschiedung der "Bamberger Verfassung" die Geburtsstunde des demokratischen Bayern eingeläutet worden war. Europa im Umbruch Rinderspacher bezeichnete vor zahlreichen Vertretern des öffentlichen Lebens das, was die Mitglieder des Landtags innerhalb weniger Wochen nach ihrer Flucht aus München im ruhigeren fränkischen Bamberg an Verfassung geschaffen hatten als einen Meilenstein auf Bayerns Weg zur parlamentarischen Demokratie. Es hätte auch anders kommen können. In Rußland hatten sich die Bolschewiken durchgesetzt, ganz Europas war im Umbruch, auf der Suche nach einem neuen politischen Modell. Es waren letztlich die gemäßigten Kräfte, die sich in Bayern unter maßgeblicher Beteiligung der Sozialdemokratie durchsetzen konnten. Tiefgreifender Kurswechsel Es habe sich bei der "Bamberger Verfassung" um einen tiefgreifenden politischen Kurswechsel gehandelt, so Rinderspacher. Jede Willkür war ausgeschaltet. "Der Wille des Volkes ist nun oberstes Gesetz", zitierte er den damaligen sozialdemokratischen Landtagspräsident Franz Schmitt. Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) hatte sich zuvor in einem Grußwort erfreut darüber gezeigt, dass sich die SPD-Landtagsfraktion am Original-Schauplatz in Bamberg an die ersten Schritte des Freistaats in Richtung Demokratie erinnern wollte. Die fränkische Stadt habe sich zu jener Zeit schon deshalb als Regierungshauptstadt auf Zeit und Alternative zu dem unruhigen München angeboten, weil die Kommune bereits damals über eine für die Verhältnisse sehr gute Infrastruktur verfügte. Entscheidend dürfte jedoch letztlich für Ministerpräsident Hoffmann gewesen sein, dass die Stadt über eine 1700 Mann starke Garnison verfügte, die Hoffmann ihre Loyalität versichert hatte. Hoffnung auf Freiheit Der Münchner Historiker Ferdinand Kramer ging in seinem Festvortrag auf die Genese moderner Verfassungen ein, so wie sie in Weimar, Paris, Bonn oder Bamberg entstanden. Immer auf der Projektionsfläche gemachter Erfahrungen, mit all den Sehnsüchten und Hoffnungen auf Freiheit versehen, ohne eine monarchische Spitze. Die "Bamberger Verfassung" verbinde so verfassungstechnisch letztlich das 19. mit dem 20. Jahrhundert. Habe eine Art Scharnierfunktion.Markus Rinderspacher erklärte, er wolle dafür sorgen, dass die "Bamberger Verfassung" und ihre bedeutsame Rolle auf dem Weg zur Demokratie nicht in Vergessenheit gerate. Spätestens zum 100. Jubiläum will er wieder nach Bamberg kommen. Dann möglichst mit dem ganzen Landtag.