Bei Herzschmerzen sofort zum Arzt!

6 Min
Prof. Johannes Brachmann ist Chefarzt der Kardiologie am Klinikum Coburg.
Prof. Johannes Brachmann ist Chefarzt der Kardiologie am Klinikum Coburg.
Dr. Erich Dünninger ist Chefarzt der Kardiologie am Klinikum Lichtenfels.
Dr. Erich Dünninger ist Chefarzt der Kardiologie am Klinikum Lichtenfels.
 

Wann werden Herzbeschwerden zum Notfall? Antworten auf diese und weitere Fragen bekamen unsere Leser von zwei Chefärzten am Redaktionstelefon.

Herz-Kreislauferkrankungen sind in Deutschland die Todesursache Nummer eins. Da tut Aufklärung Not: Bei welchen Symptomen muss man zum Arzt, bei welchen Beschwerden den Rettungsdienst rufen? Antworten auf alle Fragen zum Thema "Herzinfarkt" bekamen die Leser dieser Zeitung bei unserer Telefonaktion, während der die Experten kaum Zeit zum Luftholen hatten - so enorm war die Resonanz.

Bei ihren Gesprächen mit interessierten Anrufern zwischen 34 und 93 Jahren fiel den Chefärzten Dr. Erich Dünninger (Leiter der Kardiologie am Klinikum Lichtenfels) und Prof. Johannes Brachmann (Leiter der Kardiologie am Klinikum Coburg) vor allem eines auf: "Alle Anrufer waren hoch dankbar, dass man sich ihrer angenommen hat und sie über ihre Probleme reden konnte." Die Experten bezeichneten die Telefonaktion als ein gutes Angebot, das - auf Wunsch - eine anonyme Beratung und eine Art Zweitmeinung ermögliche.

Im Folgenden fassen wir die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen.

Ich habe manchmal Luftnot und Schmerzen in der linken Brustseite. Sollte ich das beim Arzt abklären lassen?
Unbedingt. Bei diesen typischen Symptomen, zu denen auch die Schmerzausstrahlung in die Schulter gehört, darf man nicht zögern. Wenn die Schmerzen länger als 20 Minuten dauern, muss man den Notarzt rufen. Bei Herzschmerzen und Schmerzen in der Brust tickt die Uhr. Wenn ein Herzinfarkt droht, muss wirklich schnellstmöglich qualifizierte Hilfe her. Die Herzkranzarterie muss innerhalb von 90 Minuten nach Schmerzbeginn eröffnet werden, sonst drohen Spätfolgen.

Was geschieht, wenn man mit einem Verdacht auf Herzinfarkt in die Klinik eingeliefert wird?
In der Klinik werden folgende Schritte eingeleitet: Blutuntersuchungen, EKG, Monitorüberwachung, Überprüfung der Funktionsdiagnostik, eventuell Langzeit- und Belastungs-EKG sowie, wenn sich eine bedrohliche Krankheit abzeichnet, eine Herzkatheteruntersuchung.

Ich hatte einen Herzinfarkt, darf ich da noch Sport machen?
Sie sollten sogar, am besten Ausdauersport oder Schwimmen. Das dient bei Herzinfarkt, Schlaganfall und auch Krebs der Vorbeugung. Sie können sich auch einer Herzsportgruppe anschließen. Diese werden von Ärzten geleitet und dienen nicht nur der körperlichen Gesundherhaltung, sondern auch dem Austausch mit anderen Patienten.

Mein Mann hat nach einem Herzinfarkt wieder Schmerzen in der Brust. Kann das sein?
Das kann durchaus vorkommen. Das Risiko einer Neuerkrankung ist höher, wenn man bereits einen Herzinfarkt hatte. Wenn der Patient schon eine Bypass-Operation hatte, einen Stent oder wenn er bestimmte Medikamente nehmen muss und sich Beschwerden einstellen, muss das ärztlich abgeklärt werden.

Ich habe immer wieder Luftnot und mein Herz schlägt unregelmäßig. Was soll ich tun?
Zögern Sie nicht und lassen Sie das untersuchen. Erste Anlaufstelle ist Ihr Hausarzt. Er nimmt Blut ab, schreibt ein Belastungs-EKG und entscheidet dann, wie es weitergeht. Wenn eine spezielle Abklärung notwendig ist, wird er Sie zum Internisten oder Kardiologen überweisen.

In meiner Familie sind bereits Herzinfarkte vorgekommen und ich bin Raucher. Bin ich da besonders gefährdet?
Ja. Risikofaktoren sind außerdem Diabetes, Übergewicht und wenig Bewegung. Wenn man da Herzbeschwerden bekommt, sollte man sich untersuchen lassen.

Meine Medikamente haben starke Nebenwirkungen, jetzt habe ich eines davon abgesetzt. Ist das in Ordnung?
Nein. Medikamente darf man nicht ohne Rücksprache ändern oder absetzen. Medikamente wegzulassen kann gravierende Folgen haben und einen erneuten Herzinfarkt oder Schlaganfall nach sich ziehen. Wenn Sie meinen, die Nebenwirkungen seien zu stark, sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt.

Ich bin schon immer Vegetarier, habe nie geraucht, gesund gelebt und bin jetzt trotzdem herzkrank. Dann hat sich der ganze Aufwand nicht gelohnt?
Doch. Andernfalls wären Sie vielleicht früher krank geworden. Es ist wichtig, dass Sie auch weiterhin gesund leben. Möglicherweise haben Sie Anlagen für eine Herzerkrankung in den Genen.

An meinem Herzen wurde bereits krankes Gewebe abgetragen, mir geht es jetzt aber immer noch schlecht. Woran kann das liegen?
In den ersten drei Monaten nach einer Ablation braucht man Geduld. Die Rhythmusstörungen können tatsächlich wieder auftreten. Nach einer zweiten Prozedur nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass es zu einer Ausheilung kommt.

Meine Mutter hat Depressionen. Ist das ein Risikofaktor für einen Herzinfarkt?
Ja, Menschen mit dieser Veranlagung haben ein erhöhtes Risiko, an einer Herzerkrankung zu erleiden. Das sollte beim Hausarzt abgeklärt werden.

Mein Arzt hat nie genug Zeit, um meine Frage zu beantworten. Das verunsichert mich.
Am besten machen Sie sich vor dem Arztgespräch Notizen, dann können Sie gemeinsam alle Fragen abarbeiten.

Ich bin 72 Jahre alt und kann neuerdings nicht mehr Treppensteigen ohne Schwächegefühl und Luftnot. Was kann dahinter stecken?
Solche Formen der Herzschwäche sind eine Erkrankung des höheren Lebensalters und schränken die Lebensqualität ein. Lassen Sie die Ursachen ärztlich abklären.

Kann man Operationen vermeiden?
Es gibt Indikationen für beides und keine klare Empfehlung. Bei einer Katheter-OP muss man unterscheiden: Den Herzkatheter gibt es nicht. Sinnvoll sind natürlich jene, bei denen man währenddessen gleich Eingriffe vornehmen kann. Auch bei hoch betagten Patienten kann man durch einen Verschluss vermeiden, dass der Betreffende durch den Herzinfarkt hinterher zum Pflegefall wird. Übrigens spielen für die Therapie grundsätzlich auch Alter, Belastungsfähigkeit und Begleiterkrankungen eine Rolle.

Ich weiß gar nicht, warum ich all diese Medikamente nehmen soll. Warum klärt mich mein Arzt nicht richtig auf?
Wir wissen aus der Praxis, dass sich viele Patienten mehr Aufklärung und Zeit für Gespräche mit ihrem Arzt wünschen. Wir können Ihnen nur Mut machen: Trauen Sie sich, mit Ihrem Arzt offen und ausführlich zu sprechen, fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstehen. Sie können den Arzt auch darum bitten, dass er hinter jedes Medikament den Therapiezweck notiert.

Ich habe in letzter Zeit Herz-Rhythmusstörungen und oft stundenlang unregelmäßig auftretenden Puls. Was kann ich tun?
Wenn solche Störungen auftreten, kontaktieren Sie den Hausarzt. In diesem Fall muss die Diagnostik weitergehen als ein Ruhe-EKG zu schreiben. Da ist ein Langzeit-EKG erforderlich, gegebenenfalls mehrfach. Auch müssen Begleiterkrankungen miterfroscht werden. Vorhofflimmern kann zum Schlaganfall führen, das ist eine heimtückische Erkrankung, fast schon eine Volkserkrankung im höheren Alter. Mit einem so genannten Ereignisrekorder (Langzeit-EKG), der unter die Haut implantiert wird, kann man den Störungen auf die Spur kommen. Vermutlich müssen auch bestimmte Medikamente zur Blutverdünnung gegeben werden. Solche Rhythmusstörungen können zum Pflegefall führen, deshalb muss man dranbleiben und wirklich eine weiterführende Diagnostik initiieren.

Ich bin 63 und habe seit Jahren ansatzweise Herzrasen. Eine Aufdehnung der Herzschlagader wurde schon vorgenommen.
Medikamente sind da kein ausreichender Schutz, da muss man sich entsprechenden fachlichen Rat suchen und nachfragen, warum man bestimmte Medikamente nehmen soll und sie bei Nebenwirkungen nicht einfach weglassen. Bei einer Verödungsbehandlung oder einer Ablation gibt es in seltenen Fällen das Risiko, dass erneut Rhythmusstörungen auftreten. Dann müssen Sie wirklich den Dialog mit dem behandelndem Arzt suchen. Infos über das Internet sind nicht unbedingt zielführend und vertrauensbildend.


Vernetzte Kliniken

Die beiden Experten, die unseren Lesern Rede und Antwort standen, sind seit vielen Jahren mit dem Thema Herzinfarkt und auch Schlanganfall betraut. Sie leiten jeweils kardiologische Abteilungen, Brachmann am Klinikum Coburg, Dünninger am Klinikum Lichtenfels. Die beiden Kliniken gehören dem Verbund der Regiomed-Kliniken Coburg, Lichtenfels, Sonneberg, Hildburghausen, Neuhaus am Rennweg und Neustadt an und bündeln ihre Kompetenzen in einem gemeinsamen Herz- und Gefäßzentrum.

Für das Herz- und Gefäßzentrum im Klinikverbund bringt jeder Chefarzt und jede Klinik eigene Kompetenzen ein. Für Coburg ist es Johannes Brachmann, der es schon mehrfach auf die Liste der besten Ärzte Deutschlands (veröffentlicht vom Nachrichtenmagazin Focus) geschafft hat. Dort war 2015 auch die ganze Fachabteilung Kardiologie des Coburger Klinikums platziert - und dies sogar vor der renommierten Charité in Berlin.

"Mein Ehrgeiz ist es, Probleme, die das Herz in Gefahr bringen könnten, so früh wie möglich zu erkennen und zu eliminieren", sagt Brachmann. Ihn freue es, wenn er noch viele gute Lebensjahre für seine Patienten "herausholen" könne. Sein Fokus ruhe dabei auf Herz-Rhythmusstörungen wie dem Vorhofflimmern, das einen Schlaganfall auslösen kann. Einen großen Teil seiner Vorhofflimmer-Patienten behandle er erfolgreich mit dem Verfahren der so genannten Katheterablation, bei der krankhafte Bereiche im Herzmuskelgewebe gezielt verödet werden.


Hochmoderne Spezialgeräte

In der Coburger wie auch in der Lichtenfelser Klinik stehen laut Brachmann und Dünninger hochmoderne, in Deutschland zum Teil einmalige bildgebende Untersuchungsverfahren und Spezialgeräte zur Verfügung. Zum Beispiel könne man mit der "optischen Cohärenz-Tomographie" (OCT) die Gefäßwand hochauflösend darstellen und Ablagerungen oder Einrisse identifizieren. Dadurch könnten Blutungskomplikationen reduziert und operative Eingriffe bei Stent-Patienten sicherer gemacht werden.


Schonende OP für Ältere

Ebenfalls in beiden Kliniken werde zudem eine weitere, verhältnismäßig neue Kathetertechnik eingesetzt: Patienten mit einer schweren Undichtigkeit der Herzklappen bekommen dabei ein Mitra-Clip ins Herz eingesetzt. "Dieses Verfahren ist gerade für zumeist ältere, schwer herzkranke Patienten die schonendere Alternative zu den herkömmlichen Operationen am offenen Herzen", sagt Chefarzt Erich Dünninger.

Der Clip verbinde wie eine Wäscheklammer die Mitralklappen im Herzen. "Dadurch verbessert sich die Schließfunktion der Herzklappen wieder, was den Blutfluss durch das Herz normalisiert." Die Patienten könnten anschließend doppelt so lange Strecken gehen, ohne sich ausruhen zu müssen.


3 Milliarden Schläge im Leben

Das Herz ist der Motor unseres Körpers und der wichtigste Muskel. Im Laufe eines Lebens schlägt es rund 3 Milliarden Mal und pumpt das Blut durch den Körper. "Daher verursachen gerade Erkrankungen des Herzens oft ernstzunehmende Folgen", sagen Brachmann und Dünninger. Aus Erfahrung wissen sie, dass bei Frauenherzen anders schlagen als bei Männern, weshalb auch die Symptome bei Herzproblemen oder einem Herzinfarkt leicht unterschiedlich sind. Und noch etwas beobachten die Chefärzte seit Jahren: "Wenn ihr Mann akute Herzbeschwerden hat, rufen die Frauen sofort den Notarzt. Wenn Frauen Herzbeschwerden haben, wollen sie oft erst noch ihren Haushalt organisieren oder sich um ihre Familie kümmern. Dann kommen sie später ins Krankenhaus und werden verzögert behandelt."


Zusammenhang zwischen Herzinfarkt und Schlaganfall

Das kann fatale Folgen haben. Nicht nur bei einem Herzinfarkt - unter anderem gingen etwa 30 Prozent aller Schlaganfälle vom Herzen aus, und zwar durch Verschleppung von Gerinnseln. Gemeinsam sei beiden Erkrankungen außerdem, dass ein Gefäß akut verschlossen ist und das hiervon mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgte Gewebe abstirbt, wenn es nicht zeitnah zu einer Wiedereröffnung kommt. "In der Regel ist dazu eine rasche und sehr spezifische medizinische Behandlung rund um die Uhr erforderlich", sagen Brachmann und Dünninger.