Es waren wohl die unmittelbaren Auswirkungen des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche, die die deutschen Bischöfe in einer ersten Schockreaktion dazu bewogen, Reue zu zeigen. Nicht nur Reue, sogar eine umfassende Aufarbeitung des Skandals sollte es geben. Unter dem Druck der Öffentlichkeit und zahlreicher Kirchenaustritte galt es rasch zu handeln, um verlorengegangene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und den Schaden möglichst zu begrenzen. Das war im Sommer 2011. Inzwischen sind eineinhalb Jahre ins Land gegangen, und einige Bischöfe haben sich offensichtlich anders besonnen. Sie dürften verinnerlicht haben, welche Gefahren da lauern, wenn eine unabhängige wissenschaftliche Instanz Zugriff auf sämtliche Personalakten der vergangenen zehn Jahre erhält. Im ersten Übereifer wollten neun Bistümer die Untersuchung sogar bis ins Jahr 1945 zurückverfolgen lassen. Ja um Himmels Willen!Wenn etwas überrascht, dann höchstens der Umstand, dass es so lange dauerte, bis einige Bischöfe Angst vor der eigenen Courage bekamen und zum Rückzug bliesen. Gerade in München muss man wissen, was eine unabhängige Untersuchung bedeuten kann. Im dortigen Erzbistum hatte eine Juristin sich die Personalakten genauer angesehen. Im Ergebnis identifizierte sie neunmal mehr Missbrauchsfälle, als dem Missbrauchsbeauftragten des Bistums bekannt waren. Ein solches Risiko wollen offenbar nicht mehr alle Bistumsoberhäupter eingehen. Der in diesem Zusammenhang vom kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen erhobene Vorwurf, es gebe Hinweise auf die Vernichtung von Akten, passt ins Bild. Alles wie gehabt also in der katholischen Kirche. Mögliche Täter werden geschützt, den Opfern bedeutet, sich in ihr Schicksal zu fügen.Eine gefährliche Denke. Das sieht auch der Papst so. Benedikt XVI. ist längst klar geworden, welche zerstörerische Sprengkraft das sexuelle Fehlverhalten des Klerus' entwickeln kann. 200 Kardinäle, Bischöfe und Wissenschaftler diskutierten jetzt in Rom über mögliche Wege aus der Krise. Die Bischofskonferenzen sollen weltweit Leitlinien und Präventionskonzepte erarbeiten. Was aber hilft das alles, wenn der Wille fehlt, derlei Vorsätze in die Tat umzusetzen? Weil einige Bischöfe mauern. Und sich so Kinderschänder und andere sexuellen Gewalttäter weiter sicher fühlen dürfen.