Alpengletscher unterm Hammer

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Der Skizirkus in den Alpen wollte einst hoch hinaus: Das Berghotel Grawand im Schnalstal steht wie ein Denkmal für die Goldgrube im ewigen Eis.
Der Skizirkus in den Alpen wollte einst hoch hinaus: Das Berghotel Grawand im Schnalstal steht wie ein Denkmal für die Goldgrube im ewigen Eis.
Ewiges Eis: So sah der Kesselwandferner im Ötztal 1998 aus. Fotos: Archiv
Ewiges Eis: So sah der Kesselwandferner im Ötztal 1998 aus. Fotos: Archiv
 
Ewiges Eis? 2012 ist der Eispanzer fast komplett verschwunden.
Ewiges Eis? 2012 ist der Eispanzer fast komplett verschwunden.
 

Die Eisriesen im Ötztal schmelzen mit unerwartet hoher Geschwindigkeit. Ob sie ganz verschwinden, ist ein Streitfall für die Wissenschaftler. Keinen Zweifel gibt es aber daran, dass Sommerskigebiete bald Schnee von gestern sind.

Vor 20 Jahren wäre es eine Geldanlage mit traumhaften Renditen gewesen, jetzt ließe der Klimawandel die 6,5 Millionen Euro ebenso schnell dahinschmelzen wie die Alpengletscher: Ein Maklerbüro in München bietet ein Gletscherskigebiet im Ötztal zum Verkauf an. Die unscheinbare Anzeige in einigen Tageszeitungen markiert den Anfang vom Ende eines Booms, der die Alpen eine Zeitlang zur Goldgrube machte.

Das Expose auf der Homepage von Auer-Springer & Partner in München verrät nicht, welches der fünf Tiroler Gletscherskigebiete auf einer Verhandlungsbasis von 6,5 Millionen Euro feil geboten wird: Pitztaler, Kaunertaler, Hintertuxer, Stubaier oder Ötztaler-Gletscher? Diese Gebiete wurden in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts mit Seilbahnen erschlossen, das ganze Jahr über läuft hier der Skizirkus.


Die Gewinne schmelzen

Das ist Umweltschützern wie Reinhold Messner, der auf Schloss Juval in Sichtweite des Sommerskigebiets im Südtiroler Schnalstal lebt, schon lange ein Dorn im Auge. Jetzt scheint der Klimawandel das Problem zu lösen. Zuerst im Schnalstal, wo der Sommerskibetrieb bereits eingestellt wurde und die Betreibergesellschaft am Rande des Ruins laviert. Deshalb wohl die Suche nach Käufern für die Mehrheitsanteile.

Investoren tun gut daran, den Wetterbericht zu studieren. Der österreichische Alpenverein und die Universität Innsbruck beobachten seit Jahren einen dramatischen Längen- und Massenverlust der Gletscher. Das scheinbar ewige Eis am Alpenhauptkamm verschwindet, weil die Sommer zu warm sind und im Winter nicht mehr genug Schnee fällt.

Nicht mehr zu stoppen

Selbst Schneekanonen und die Abdeckung mit Folien können den Trend nicht stoppen, schon gar nicht umkehren. Pessimisten gehen davon aus, dass die weißen Riesen der Alpen in 30 bis 50 Jahren für den größten Teil des Jahres grau in grau sein werden.

Einer der am besten untersuchten Gletscher in den Alpen ist der Hochjochferner an der Grenze vom Venter Tal (Österreich) zum Schnalstal (Südtirol). Der Ende der 60er Jahre am Ende des urtümlichen Tales, durch das einst "Ötzi" in den Tod zog, aus dem Boden gestampfte Hotel- und Ladenkomplex mit der Seilbahn hinauf zu einer Bettenburg in 3200 Metern Höhe kämpft seit Jahren mit dem Klimawandel. Im Winter ist das Gebiet schneesicher, im Sommer setzte das Unternehmen lange Zeit erfolgreich auf das ewige Eis des Hochjochferners.

Rückgang dokumentiert

Dieser Gletscher ist in den letzten Jahren mit enormem Tempo geschrumpft: Die Messstationen der Universität in Innsbruck und die Kontrollen durch den Alpenverein machen den Eispanzer, der dieser archaischen Landschaft ihr einzigartiges Gesicht gibt, zu einem der am besten dokumentierten Gletscher im Alpenraum. Seit 2008 hat sich die Gletscherzunge jedes Jahr um 30 Meter zurückgezogen, gleichzeitig nahm die Dicke ab. Jetzt beobachten die Glaziologen und Klimaforscher aus Innsbruck einen Sekundäreffekt, dessen Folgen sie noch nicht mit letzter Gewissheit deuten können: Da der Gletscher immer kleiner wird, gibt das Eis an seinem Rand Unmengen von Geröll frei.

Andrea Fischer, die beim österreichischen Alpenverein die Gletschermessungen leitet, ist alarmiert und beruhigt zugleich: "Von 95 Gletschern in unserem Beobachtungprogramm sind 93 im Jahr 2012 zurückgegangen. Den Negativrekord hält die Pasterze am Großglockner mit 93 Metern Längenverlust."

Problem Geröll

Bislang wurde vermutet, dass das dunkle Geröll, das auf die weißen Gletscher fällt, das Abtauen beschleunigt. "Das ist bei einer geringen Bedeckung so. Wenn die Geröllschicht aber dick genug wird, wirkt sie wie eine Isolierung, die Kälte wird konserviert", sagt Fischer.

All das nutzt dem Skizirkus im Schnalstal nichts mehr. Ski fahren kann man weder auf Geröll noch auf nicht mehr vorhandenen Gletschern. Wer sich für die Immobilie interessiert, sollte wie Ötzi vielleicht eher aufs Wandern oder andere Formen des sanften Tourismus' setzen.