Billiger Rohstoff: Experten warnen vor Ölpreisfalle

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Foto: Patrick Pleul/dpa
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Das "schwarze Gold" ist so billig wie zuletzt 1981, ein Ende der Talfahrt ist nicht abzusehen. Die Ursachen sind vielschichtig und die Risiken enorm, warnen Experten.

So viel Spaß hat Tanken lange nicht mehr gemacht, und selbst der Winter kann einen kaum schrecken: Der Ölpreis ist auf Talfahrt, wer Wohnung oder Auto "heizt", spart bares Geld: Seit 1981 war das Öl auf dem Weltmarkt nicht mehr so billig, ein Diesel-Preis von 99 Cent an der Tankstelle ist in greifbarer Nähe.

Bei der ersten großen Automesse des Jahres in Detroit ist die Stimmung euphorisch. Die günstigen Kraftstoffpreise feuern die Nachfrage im boomenden Hochpreis-Segment weiter an; Spritsparen und E-Mobilität sind für die Autokäufer kein Thema mehr, es dürfen wieder durstige Limousinen und Geländefahrzeuge sein.

Selbst Skeptiker gehen davon aus, dass die Talfahrt des Ölpreises keine Eintagsfliege ist.
"Das kann noch Monate so bleiben", sagt Norbert Rost (Dresden) von der Plattform "Peak Oil", die das nahe Ende des Erdölzeitalters und mit dem Mangel explodierende Preise heraufbeschwört.

Vom "Peak Oil", dem Fördermaximum, scheint die Welt derzeit weiter entfernt als je zuvor. Die Ölschwemme auf dem Weltmarkt hat eine Abwärtsspirale beim Rohölpreis in Gang gesetzt, die nicht mehr zu stoppen scheint. Allerdings: Ein rasantes Ab und Auf kennt man vom öligen Markt: Am 11. Juli 2008 hatte der Preis für das Fass Rohöl (Barrel = 159 Liter) mit 147 Dollar (125 Euro nach dem aktuellen Kurs) einen historischen Höchststand erreicht; wenige Monate später, am 26. Dezember 2008, fiel der Preis auf sein Allzeittief: Kurzzeitig war das Fass Öl für 34 Dollar zu haben.

Die Talfahrt beginnt

Von da ab ging es aufwärts bis Anfang 2011, als sich der Ölpreis auf einen Wert um 100 US-Dollar einpendelte. Seit Juli 2014 aber kennt der Preis nur noch eine Richtung: tiefer. Aktuell wird das Fass Rohöl (Sorte Brent) mit 49 Dollar gehandelt; das ist der niedrigste Stand seit 1981, sagt Klaus Picard, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der deutschen Mineralölwirtschaft (MWV). "Damit sind die Prognosen widerlegt, wonach der Rohstoff Öl immer knapper und teurer werden muss." Wirklich?

Der Preisverfall hat mehrere Gründe: Die USA können ihren Öldurst seit einigen Jahren selbst stillen. Der hohe Ölpreis hat Investitionen in teure Technologien wie das Fracking und die Erschließung von Ölsand-Lagern rentierlich gemacht. Das lohnt sich bei Preisen etwa ab 70 Dollar pro Fass. In der Folge haben die klassischen Ölstaaten der Opec wie Saudi-Arabien ihren größten Kunden verloren.

Anders als in der Vergangenheit haben die Ölscheichs auf das sich abzeichnende Überangebot nicht nicht mit der Drosselung der Förderung reagiert. Der saudische Kronprinz Salman (78) sagt, sein Land könne mit dem sinkenden Ölpreis "gut leben". Sprich: Die Gewinne sind für die Staaten, die das Öl billig fördern, immer noch satt, wenn auch nicht astronomisch wie in der 100-Dollar-Phase

Kalkulierte Verknappung

Umgekehrt haben die Unternehmen das Nachsehen, die in der Hochpreis-Phase in teure Technik investiert haben. "Die Opec will die teure Förderung aus dem Markt kicken", sagt Istvan Zsoldos Zsopi vom ungarischen Ölkonzern MOL. Die Preispolitik ziele auf die Konkurrenz in den USA, Kanada und Rußland. In den USA haben erste Fracking-Unternehmen Insolvenz angemeldet. Anders als die staatlichen saudischen Ölquellen müssen unkonventionelle Ressourcen privat finanziert werden; dieses Risiko gehen Unternehmen bei der aktuellen Preisentwicklung nicht ein. Damit könnte arabisches Öl in wenigen Jahren wieder konkurrenzlos sein: Dann aber wird das Öl knapp und richtig teuer.

Der Ölpoker der Scheichs zielt ebenso auf die Energiewende: Hohe Heiz- und Kraftstoffkosten haben in vielen Industriestaaten, aber auch in den Schwellenländern, Alternativen zum "Schwarzen Gold" salon- und marktfähig gemacht. Das könnte sich jetzt wieder ändern.

Das nächste Hoch kommt bestimmt

Doch Investitionen in Elektroautos, nachhaltiges Heizen und Energieeinsparung sind langfristig angelegt. Hier kann das billige Öl wirken - am Ende verheerend, wenn die Ölpreisfalle zuschnappt: Der nächste "Peak Oil", der unvermeidliche Preisanstieg (so kann man das Wort auch verstehen), wird nach Einschätzung von Experten zu einem neuen Allzeithoch führen. Das Niveau könnte sich an der Schmerzgrenze um 120 Euro einpendeln, meint etwa Norbert Rost. Benzin würde dann etwa zwei Euro kosten, Autofahren gar keinen Spaß mehr machen, und der Winter? Bitte ausfallen!