Bunt treiben es die Grafen

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Am Ende einer langen Produktion dürfen die Stifte nicht "schielen", sprich, Holzreste an den Minen haben. Sonst würden sie brechen und werden deshalb von Mitarbeiterinnen in weißen Handschuhe mit geübten Wischbewegungen aussortiert. Foto: Matthias Hoch
Am Ende einer langen Produktion dürfen die Stifte nicht "schielen", sprich, Holzreste an den Minen haben. Sonst würden sie brechen und werden deshalb von Mitarbeiterinnen in weißen Handschuhe mit geübten Wischbewegungen aussortiert. Foto: Matthias Hoch
Die Unternehmensgruppe auf einen Blick.
Die Unternehmensgruppe auf einen Blick.
 
Zoran Kokolov hat Buntstifte aus dem Tauchbad geholt. Foto: Matthias Hoch
Zoran Kokolov hat Buntstifte aus dem Tauchbad geholt. Foto: Matthias Hoch
 
Trotz vollautomatischer Bleistiftstraße ist bei der Produktion von Holzstiften immer wieder Handarbeit gefragt. Liane Putala ordnet zwischen zwei maschinellen Stationen die Rohlinge auf eine Länge. Foto: Matthias Hoch
Trotz vollautomatischer Bleistiftstraße ist bei der Produktion von Holzstiften immer wieder Handarbeit gefragt. Liane Putala ordnet zwischen zwei maschinellen Stationen die Rohlinge auf eine Länge. Foto: Matthias Hoch
 
Ein Topseller sind die "Colour Grip Farbstifte" mit ergonomischer Dreiecksform und einer patentierten, rutschfesten Griffzone (Noppen) aus Wasserlack. Foto: Matthias Hoch
Ein Topseller sind die "Colour Grip Farbstifte" mit ergonomischer Dreiecksform und einer patentierten, rutschfesten Griffzone (Noppen) aus Wasserlack. Foto: Matthias Hoch
 
Unsere Bildergalerie zeigt einen Blick in die Produktion von Blei- und Buntstiften am Stammsitz von Faber-Castell in Stein bei Fürth. Foto: Matthias Hoch
Unsere Bildergalerie zeigt einen Blick in die Produktion von Blei- und Buntstiften am Stammsitz von Faber-Castell in Stein bei Fürth. Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
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1905 wurde der "Castell 9000" von Graf Alexander von Faber-Castell entwickelt. Der grüne Bleistift mit dem Werbemotiv der beiden kämpfenden Bleistift-Ritter ist bis heute das Spitzenprodukt des Unternehmens. Foto: Matthias Hoch
1905 wurde der "Castell 9000" von Graf Alexander von Faber-Castell entwickelt. Der grüne Bleistift mit dem Werbemotiv der beiden kämpfenden Bleistift-Ritter ist bis heute das Spitzenprodukt des Unternehmens. Foto: Matthias Hoch
 
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Faber-Castell hat den ersten Markenbleistift entwickelt und gilt als weltweit führender Hersteller von Holzstiften.

Vincent van Gogh schwärmte 1883 von "diesem famosen Schwarz" und nahm ihn für seine Selbstporträts. Gut 100 Jahre später lernen mit ihm - aber bitte mit aufgedrucktem Alligator! - die Kinder in den Schulen Saudi-Arabiens das Schreiben. Karl Lagerfeld erweckt damit seine Haute Couture zum Leben und Hans de Beer den kleinen Eisbären Lars: Bleistifte von Faber-Castell.

Schon beim Betreten des Firmengeländes im mittelfränkischen Stein (Landkreis Fürth) ist klar, dass es hier nicht um eine zweckdienliche Fabrikation geht. Linker Hand ein Schloss, 1903 als Wohnsitz gebaut und regelmäßig für Besichtigungen oder Ausstellungen geöffnet, rechts die lang gestreckten Produktionsgebäude. Entstanden in den Jahren 1915 bis 1925 sind Letztere heute denkmalgeschützt, weshalb die Fassaden unverändert bleiben müssen - aber die Fenster farbig gestaltet wurden. Ein Hingucker.

Ebenso das Innere: Alles so schön bunt hier!
Bunt wie die 2,3 Milliarden Farb- und Bleistifte, mit deren Produktion die Firma nach den Worten von Sprecherin Sandra Suppa der weltweit bedeutendste Hersteller von holzgefassten Stiften ist. 1761 gegründet sei Faber-Castell eines der ältesten Industrieunternehmen der Welt, seit acht Generationen in den Händen derselben Familie. Und jede Generation setzte eigene Schwerpunkte.


Erster Markenbleistift der Welt

Besonders prägend war Freiherr Lothar von Faber, der 1839 die Stifte mit dem Firmennamen A.W. Faber kennzeichnete und den ersten Markenbleistift der Welt entwickelte. "Mit der Einreichung einer Petition zum Schutz vor Fälschungen durch Mitbewerber wurde er zum Wegbereiter des Markenschutzgesetzes", sagt Suppa.
1898 entstand in der sechsten Generation durch Heirat das neue Grafengeschlecht "von Faber-Castell". Der Name wurde später auf die Marke übertragen, zu deren Erkennungszeichen das Motiv eines Ritterturniers wurde.


Exklusiv mit Diamanten

1978 übernahm in der achten Generation Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell die Geschäftsführung.
Er erweiterte das Portfolio um die Produktion von holzgefassten Kosmetikstiften und führte die Füllfeder-Jahresedition "Pen of the year" ein. "Sie ist beliebtes Sammlerobjekt und wird von Politikern für wichtige Unterschriften genutzt", sagt Suppa. Das teuerste Schreibgerät dieser handgefertigten Kollektion war ein Kolbenfullfederhalter mit Diamanten und Mooreiche: Er war auf zehn Stück limitiert und wurde 2012 für 60 000 Pfund im Londoner Kaufhaus Harrods verkauft.


Global agierende Gruppe

Unter Graf Anton-Wolfgangs Leitung positionierte sich Faber-Castell, das außer seinem Hauptwerk in Stein auch im fränkischen Geroldsgrün produziert, als global agierende Gruppe. Er erschloss weltweit neue Märkte vor allem in Südamerika und Asien, installierte Vertriebsgesellschaften in 22 und Handelsvertretungen in über 120 Ländern. Von den Produktionsstätten in neun Ländern sticht Brasilien hervor: "Dort haben wir die größte Bleistiftfirma der Welt", sagt Suppa. "Die Stifte, die dort im Jahr hergestellt werden, gehen zehnmal um den Äquator herum."


Eigene Bäume und Sozialcharta

Mitte der 80er Jahre initiierte der Graf ein nach Firmenangaben weltweit einzigartiges Projekt mit eigenen Baumschulen und Forsten in Brasilien. Auf 10 000 Hektar werden jährlich über eine Million Pinien-Setzlinge gepflanzt. Nach zwölf Jahren werden sie für die Produktion geerntet. Als erster Hersteller lackierte Faber-Castell außerdem ab 1992 die Stifte mit umweltfreundlichem Wasserlack, entwickelt im eigenen Labor und gemischt in der Lackküche.

Im Jahr 2000 unterzeichneten Graf Anton-Wolfgang und die IG-Metall eine weltweit gültige Sozialcharta. Sie beinhaltet unter anderem das Chancengleichheit, die Gewährleistung sicherer Arbeitsbedingungen oder das Verbot von Kinderarbeit. Die Charta führt die Tradition eines Engagements fort, das Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Schaffung einer Betriebskrankenkasse, Werkswohnungen, Schulen und einem der ersten Kindergärten Deutschlands begann. Heute werden die Mitarbeiter nach dem Tarif der Bleistiftindustrie bezahlt und arbeiten 36,5 Wochenstunden; ihre Kleidung bekommen sie von der Firma gestellt und auf Wunsch sogar gewaschen.

Seit dem Tod von Graf Anton-Wolfgang im Januar 2016 wird erstmals nach einem externen Geschäftsführer gesucht. In der Zwischenzeit ist seine Witwe, Gräfin Mary, Sprecherin des Vorstands. Von ihrem Büro blickt sie hinüber zur Produktion, hinter deren Fassade es zugeht wie in einer Wichtelwerkstatt. Das erleben pro Jahr 17 000 Besucher von der Schulklasse bis hin zu Gruppen bei Führungen.


Bleistift in 16 Härtegraden

Sie sehen: Bis ein Stift fertig ist, hat er ganz schön viele Stationen und Maschinen durchlaufen. Einige sind original und bis zu 50 Jahren alt, andere hochmodern: Rohstiftautomat und Bleistiftstraße zum Beispiel. Alle Maschinen werden von Ingenieuren der Firma selbst konstruiert.

Rohstiftautomaten konfektionieren aus Minen und Holzbrettchen die Rohbleistifte. Hauptbestandteile der Mine, die in einem eigenen Gebäude auf dem Firmengelände hergestellt werden, sind Graphit (für die Schwärze) und Ton (Bindemittel für Form und Festigkeit). Durch das entsprechende Mischverhältnis dieser Komponenten können Bleistifte in 16 verschiedenen Härtegraden produziert werden.


Aus dem Sandwich geschält

Die Masse wird unter hohem Druck durch eine Düse zu Minensträngen gepresst. Die noch weichen Minenstränge werden automatisch auf Bleistiftlänge geschnitten, nach der Trocknung gebrannt und in ein Ölbad getaucht. Nach demselben Verfahren werden auch Buntstifte hergestellt. Danach erfolgt die Holzummantelung: In mehrere Monate gelagerte und getrocknete Holzbrettchen werden Rillen für die Minen gefräst. Die Minen werden eingelegt, ein zweites Brettchen aufgesetzt: Ein Sandwich entsteht, wird gepresst und verleimt. "Wenn die Stifte gut verleimt sind, brechen sie nicht", erklärt Suppa. Aus dem Doppelbrett schält dann ein Hobelautomat die Rohlinge heraus, die mit Wasserlack überzogen und je nach Modell mit Noppen (ebenfalls aus Wasserlack) versehen werden.


Schieler werden aussortiert

Nach der Aushärtung unter ultraviolettem Licht werden die runden, eckigen oder sechseckigen Stifte bestempelt, kommen zur Abrundung der Kappe in die "Taucherei" und trocknen erneut. Für einige gibt's noch einen Radiergummi - aus der eigenen Kautschukfirma in Malaysia - obendrauf, dann werden alle gespitzt. Dafür purzeln die Stifte über Sandpapier, eine seit Jahrzehnten bewährte Methode. Wichtig ist am Ende vor allem eines: "Ein Stift darf nicht schielen, sonst wird er aussortiert", sagt Suppa. Wie bitte? Schielen bedeutet, dass die Minenspitze nicht rundherum vom Holz befreit ist. "Dann würde er brechen und das wollen wir natürlich vermeiden." Deshalb sortieren Mitarbeiterinnen in weißen Handschuhen mit geübten Wischbewegungen die Schieler aus.


Patentierte Griffzone

1905 wurde der "Castell 9000" von Graf Alexander von Faber-Castell entwickelt. Der grüne Bleistift mit dem Werbemotiv der beiden kämpfenden Bleistift-Ritter ist bis heute das Spitzenprodukt des Unternehmens.
Weiterer Topseller sind die "Colour Grip Farbstifte". Mit ihrer ergonomischen Dreiecksform und einer patentierten, rutschfesten Griffzone (Noppen) aus Wasserlack bescheren sie Faber-Castell Rekordumsätze, seit Ausmalbücher für Erwachsene 2015 auch in Deutschland zum Trend geworden sind.

Das Unternehmen macht sich derzeit keine Sorge um die Zukunft. "Wir sehen Wachstum", sagt Sprecherin Sandra Suppa. "Auf der ganzen Welt ist der Bildungsbedarf hoch. Dafür braucht man Stifte". Am anderen Ende der Altersskala stünden Menschen, die ihre Kreativität zum Beispiel beim (Aus-)Malen ausleben wollen. In dieser Kundengruppe könnte man bestimmte Schreibgeräte als Statussymbol und Lifestyleprodukt platzieren. Dazu passt zum Beispiel eine edle Kollektion mit Stiften und Schatulle, die Karl Lagerfeld für Faber-Castell entworfen hat.


Gold und Diamanten

Lagerfeld selbst schätzt die Schreibgeräte des Unternehmens für seine Arbeit als Designer, wie seine Schriften und Zeichnungen in einer Ausstellung in Schloss Stein zeigen. Dort haben sich auch andere Künstler und Kreative wie Neo Rauch, Paul Klee und eben Vincent van Gogh verewigt und schwärmen von "dieser Dicke", dem "famosen Schwarz" oder den Farbnuancen. Ein Bleistift ist übrigens im günstigsten Fall für etwa 80 Cent zu haben, der teuerste bisher kostete 9000 Euro. Dabei handelt es sich um eine Luxusversion des so genannten "Perfekten Bleistifs", der zum 240. Firmenjubiläum 2011 entworfen wurde. Der Verlängerer mit eingebautem Spitzer und die Radiergummi-Kappe sind aus 18 Karat Weißgold, am Ende der Verlängerers blinkern drei Diamanten.
Am Freitag, 3 Februar 2017, besuchen wir die High-Tech-Firma Innosent in Donnersdorf bei Schweinfurt.