Chef der Bamberger Kinderklinik ist plötzlichem Kindstod auf der Spur

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Karl-Heinz Deeg untersucht bei einem seiner kleinen Patienten mit Hilfe eines Dopplersonografen die Blutströmung im Hirn. Foto: Matthias Hoch
Karl-Heinz Deeg untersucht bei einem seiner kleinen Patienten mit Hilfe eines Dopplersonografen die Blutströmung im Hirn.  Foto: Matthias Hoch

Rund 300 Säuglinge sterben jährlich in Deutschland an plötzlichem Kindstod. Für die Eltern eine Katastrophe, für die Mediziner immer noch ein Rätsel.

Kinder sind Karl-Heinz Deeg ein Herzensanliegen. Seit vielen Jahren. Weshalb er sich auch seit geraumer Zeit mit dem Problem des plötzlichen Kindstods - im Fachjargon "sudden infant death syn drome"(SIDS) - auseinandersetzt. Der plötzliche Kindstod - er ist nicht nur für die Eltern ein unfassbares Ereignis, auch für die Mediziner ist SIDS immer noch voller Rätsel. Immerhin, es gibt gewisse Entwicklungen, die Hoffnung aufkommen lassen, dass die Medizin dieser Todesursache auf die Spur kommt.

Womit wir wieder bei Karl-Heinz Deeg wären. Der 61-jährige Mediziner, seit 22 Jahren ist er Chef der Bamberger Kinderklinik, hat es geschafft, dass in seiner Klinik seit sechs Jahren kein Fall von plötzlichem Kindstod mehr aufgetreten ist. Und das, obwohl in diesem Zeitraum im Bamberger Klinikum über 10.000 Kinder geboren wurden.



Wie geht das? Ist doch der plötzliche Säuglingstod die häufigste singuläre Todesursache in der gesamten Kindheit. Einem der Symptome kam Deeg 1998 bei der Untersuchung eines Säuglings eher zufällig auf die Spur. "Wenn das Kind mit dem Kopf in Mittelstellung auf dem Rücken lag, verlief auch die Blutströmung in Richtung Hirnstamm völlig normal. Bei Kopfdrehung zur Seite fiel die für die Versorgung des Gehirns so wichtige Blutströmung dagegen dramatisch ab," berichtet er. Die dadurch entstehende Minderdurchblutung des Hirnstammes kann zu Atem- und Kreislaufstörungen führen, bis hin zum plötzlichen Tod des Kindes während des Schlafs. War das nur ein Zufall? Eine Frage, die nur beantwortet werden konnte, wenn über einen längeren Zeitraum möglichst viele Kinder mit Hilfe des Ultraschallscreenings untersucht werden konnten, um die von der Lage des Kopfes abhängige Blutströmung Richtung Hirnstamm zu erfassen. Seit Mai 1998 wurden deshalb laut aktueller Statistik in der Bamberger Kinderklinik 24938 Kinder untersucht. 24608 Kinder hatten dabei einen unauffälligen Dopplerbefund. Das heißt, auch bei einer Drehung des Kopfes in Seitenlage kam es zu keiner Änderung der Blutströmung in den Hirnbasisarterien. 262 Kinder waren dagegen auffällig. Bei ihnen war die Blutströmung bei Drehung des Kopfes, vor allem in Bauchlage, stark abgefallen.


Diese Säuglinge werden seitdem bis zur Normalisierung der Blutströmung mit einem Monitor versorgt, der die Herz- und Atemtätigkeit während des Schlafes überwacht. Setzt die Atmung aus, erfolgt umgehend ein Alarm. Die zuvor in Wiederbelebungsmaßnahmen eingewiesenen Eltern können sofort eingreifen. Das Ergebnis: Dank der mit Hilfe des Ultraschallverfahrens ausgemachten gefährdeten Gruppe von Säuglingen konnten die Fälle von plötzlichem Kindstod auf ein Minimum zurückgeführt werden. Starben an der Bamberger Kinderklinik in den acht Jahren von 1990 bis 1997 noch 22 Säuglinge am Kindstod, waren es in den 15 darauf folgenden Jahren, in denen das Screening durchgeführt wurde, nur noch fünf Fälle. Und von diesen fünf betroffenen Säuglingen waren vier ohne Ultraschall-Screening geblieben.

"Wir können nur das Angebot zur Untersuchung machen," erklärt Klinikchef Karl-Heinz Deeg. "Die Entscheidung liegt letztlich immer bei den Eltern." Die Erfolgsquote könnte also noch höher sein, wären alle Eltern bereit, ihr Kind untersuchen zu lassen. Dabei entstehen für die Eltern keinerlei Kosten. Finanziert wird das ScreeningProjekt vom Freundes- und Förderkreis der Bamberger Kinderklinik. Immerhin entsteht einiger Aufwand. Eine Assistenzarztstelle ist ebenso notwendig wie die für das Screening benötigten Sachmittel. Die Mühe lohnt sich mit Blick auf die Statistik allemal.
Auch wenn die Medizin noch rätselt, wo die Ursachen für den plötzlichen Kindstod liegen, ein Symptom ist erkannt, das einen erfolgreichen Kampf gegen SIDS verspricht.