Sigurd Rink, seit 2014 evangelischer Militärbischof mit Sitz in Berlin, kennt das Problem: Hier Kirche - da Militär, hier die Botschaft vom Frieden - dort Einsatz militärischer Mittel, also Einsatz von Gewalt. Nicht miteinander zu vereinbaren. So dachte auch Rink, der sich im Gespräch als geistiges Kind der friedensbewegten 80er Jahre bezeichnet, damals gar als Fundamentalpazifist. Und jetzt Militärbischof? Wie geht das zusammen? Angesichts des Völkermords in Ruanda im Jahr 1994 habe er einen Umdenkungsprozess durchgemacht. Rechtserhaltende Gewalt sei für ihn dann tolerabel, wenn so im internationalen Auftrag zum Beispiel Völkermord verhindert werden könne. Einfach nur zuschauen würde für Christen in einem solchen Fall keine Lösung darstellen, ist Rink überzeugt. Zunächst Regionalbischof in Hessen und Nassau, kümmert sich Rink seit 2014 im Auftrag seiner Kirche um die Militärseelsorge. Mit rund 100 Pfarrern um 177 000 Soldaten an 250 Bundeswehrstandorten im In-und Ausland. Wobei die zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr eine besondere Herausforderung darstellen. Robuste Einsätze, wie Kampfeinsätze ein wenig verniedlichend bezeichnet werden, hinterlassen ihre Spuren und waren bis vor wenigen Jahren in Deutschland nicht bekannt. Weltweit im Einsatz Heute sind deutsche Soldaten aller Waffengattungen zusammen mit Bündnispartnern weltweit im Einsatz. Und Rink erfährt bei seinen Standortbesuchen immer wieder, dass die Arbeit der Militärgeistlichen, egal ob evangelisch oder katholisch, in der Truppe hohe Wertschätzung erfährt. Sie stehen vor Ort für die Seelsorge zur Verfügung, feiern Gottesdienste, bieten sich in Krisensituationen als Gesprächspartner an. So mancher Soldat würde mit dem oft enormen psychischen Druck während eines Einsatzes nicht fertig. Die Folge: Viele leiden unter Angstzuständen oder Depressionen. Oft werde der Rat der Geistlichen auch von Soldaten gesucht, die mit Kirche oder Glauben nichts am Hut haben. "Not lehrt Beten", heißt es. Der Schutz des Anderen Sigurd Rink hat es nicht bereut, das Amt des Militärbischofs übernommen zu haben. Kirche und Militär - das geht für ihn in Ordnung, zumindest in einer demokratischen Armee wie der Bundeswehr. Und: Schließlich sei es Luther selbst gewesen, der auf die Verantwortung des Christenmenschen für andere hingewiesen hat. Der Schutz des Anderen gehört da unbedingt dazu.Kommentar:Kein Segen für Angriffskrieg!Das Verhältnis könnte ambivalenter nicht sein. Da wäre zum einen der Religionsgründer Jesus von Nazareth und sein bedingungsloses Bekenntnis zur Gewaltfreiheit. Manifest geworden im 5. Gebot "Du sollst nicht töten".Und da wären andererseits seine Nachfolger im Glauben, die schon sehr bald pragmatischer dachten. Das Kreuz als Symbol der Gewaltfreiheit mutierte schon unter dem römischen Kaiser Konstantin nach seinem Sieg an der Milvischen Brücke im Jahr 312 zum militärischen Siegeszeichen. Und das war erst der Beginn einer Gewalt durchaus tolerierenden Entwicklung, die der Kirchenvater Augustinus mit seiner Lehrer vom gerechten Krieg (bellum justum) zu legitimieren wusste. Die Kirche wurde Machtfaktor. Das Ergebnis: Mittelalterliche Kreuzzüge, vom Kirchenreformator Martin Luther befürwortete Gewalt bei der Niederschlagung der Bauernaufstände sowie viel kirchlicher Beifall für den Ersten wie den Zweiten Weltkrieg. Haben die beiden christlichen Kirchen aus der Geschichte gelernt? Doch, haben sie. Indem zum Beispiel der evangelische Militärbischof Sigurd Rink die Verantwortung des Staates für die Sicherheit seiner Bürger besonders betont. Und darauf hinweist, dass die Sorge für Recht und Frieden vornehmste staatliche Aufgabe sei. Sein katholischer Kollege, der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck assistiert. Angesichts neuer Konfliktformen wie Terror ist dessen gewaltsame Abwehr gerechtfertigt, heißt es. Von Abwehr, nicht von Angriff ist also die Rede. Kein Kirchenmann würde heute zu einem Angriffskrieg Beifall klatschen. Dafür gäbe es keinen Segen mehr. Und das ist auch gut so.