Die Lohrer und ihr Karfreitag

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Joachim Salzmann erläutert in der Lohrer Kapuzinerkirche Symbolik und Geschichte der Karfreitags-Prozession und ihrer meist sehr alten lebensgroßen Holzfiguren. Foto: Ronald Rinklef
Joachim Salzmann erläutert in der Lohrer Kapuzinerkirche Symbolik und Geschichte der Karfreitags-Prozession und ihrer meist sehr alten lebensgroßen Holzfiguren.  Foto: Ronald Rinklef
Der kreuztragende Jesus - eine Figur, die heute den Gärtnern, Landwirten und Gemüsehändlern anvertraut ist. Foto: Ronald Rinklef
Der kreuztragende Jesus - eine Figur, die heute den Gärtnern, Landwirten und Gemüsehändlern anvertraut ist.  Foto: Ronald Rinklef
 
Jona im Wal - ein Bild das den Auferstehungsgedanken symbolisieren soll. Fotos: Ronald Rinklef
Jona im Wal - ein Bild das den Auferstehungsgedanken symbolisieren soll. Fotos: Ronald Rinklef
 

Seit über 350 Jahren tragen Mitglieder der Handwerkszünfte am Karfreitag in Lohr zur Erinnerung an den Leidensweg Christi lebensgroße Holzfiguren durch die Stadt.

Wenn am Karfreitag in der Früh Passanten von einem Mann erschreckt werden, der mit einem Kopf unter dem Arm durch die Innenstadt zu geistern scheint, dann kann es sich nur um das unterfränkische Städtchen Lohr handeln. Joachim Salzmann erzählt die Geschichte immer wieder gern, zumal sie in früheren Zeiten durchaus der Realität entsprach. Salzmann ist Vorsitzender des Fördervereins "Lohrer Karfreitagsprozession", und er klärt die eingangs geschilderte Szene auch gleich auf. In früheren Zeiten hätten die Innungsmeister der Stadt die Köpfe der Figuren, die während der Karfreitagsprozession durch die Stadt getragen wurden, das Jahr über bei sich zu Hause verwahrt. Erst kurz vor der Prozession habe man die Köpfe - gut gereinigt - mit zur Prozession gebracht.

Die Lohrer Karfreitagsprozession, für die Bürger der Stadt, besonders die Handwerkerschaft, ist sie seit Jahrhunderten fester Bestandteil des Jahreskalenders. Und jeder ist stolz darauf, wenn er zu den Mitwirkenden gehört. Seit jeher sind die Handwerkszünfte für Organisation und Durchführung der Prozession in Lohr verantwortlich. Mit ihren 13 lebensgroßen Figuren, die durch die Stadt getragen werden, ist sie die größte ihrer Art in Deutschland. Eine der letzten Figuralprozessionen, die ihren Höhepunkt eigentlich in gegenreformatorischer Zeit erlebten und mit Beginn der Aufklärung überall verboten wurden. "Es gab Auswüchse", erklärt Salzmann das Verbot. In barocker Zeit seien die Figuren zum Beispiel von "Lästerjuden" begleitet worden. Sie sollten die Menschen darstellen, die seinerzeit Christus am Kreuz verspotteten. Im Laufe der Zeit hätten sich aus den Lästerungen oft Witze und Spottgedichte entwickelt, die nicht mehr hinnehmbar waren. Die Obrigkeit schritt ein - die Prozessionen wurden verboten.

Nur nicht in Lohr. "Die Menschen hier leisteten Widerstand. Wollten sich ihre althergebrachte Prozession nicht nehmen lassen. Und einige Stadtpfarrer unterstützten die Lohrer nach Kräften," so Salzmann. Wobei nicht unerwähnt bleiben darf, dass die Lohrer auch an ihren Geldbeutel dachten. Schon früher kamen tausende zur Karfreitagsprozession nach Lohr. Die Geschäfte hatten geöffnet, das Festhalten an der Tradition hatte auch einen wirtschaftlichen Hintergrund.

Die Problemlage ist heute eine ganz andere. Weil traditionell die Handwerkszünfte für die Prozession zuständig sind, es allerdings immer weniger Zünfte, gibt. Keine Schneider, Büttner, Brauer, Scherenschleifer, die sich um eine der Prozessionsfiguren kümmern könnten. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich vor einigen Jahren der Förderverein "Lohrer Karfreitagsprozession" gegründet. Um die Station der Brauer, das letzte Abendmahl, kümmern sich heute die Gastronomen der Stadt, die Aufgabe der Schneiderinnung haben Rotes Kreuz und Technisches Hilfswerk übernommen, und um die Station mit Jona und dem Wal kümmert sich die Feuerwehr. "Das funktioniert einwandfrei," so Joachim Salzmann. Derzeit stehen die Prozessionsfiguren das Jahr über in einem Nebenraum der Kapuzinerkirche in der Stadtmitte. Da die Kirche nach dem Auflassen des Klosters kaum mehr genutzt wird, möchte der Verein die zum Teil 300 Jahre alten Holzfiguren dort das ganze Jahr über ausstellen. Das wäre dann eine Art erstes Karfreitagsprozessions-Museum.

Infos zur Karfreitagsprozession

Entstehung Wann die Lohrer Karfreitagsprozession entstanden ist, ist nicht genau ermittelt. Vermutlich wurde sie von Kapuzinern zur Zeit der Gegenreformation eingeführt und 1658 erstmals urkundlich erwähnt.

Überleben Im Zuge der Aufklärung wurden derlei Figurlaprozessionen abgeschafft. In Lohr überlebte sie dank der Hartnäckigkeit der Bevölkerung bis auf den heutigen Tag.

Termin Die Karfreitags-Prozession findet am 3. April um 10.30 Uhr in der Lohrer Innenstadt statt. Das Ereignis wird von Tausenden Zuschauern verfolgt.