Ein Rücktritt, der konsequent ist

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Respekt beherrscht die Reaktionen auf den angekündigten Rücktritt von Papst Benedikt XVI. Der mittlerweile fast 86-Jährige hat diesen Respekt verdient, meint Redakteur Klaus Angerstein. Hier lesen Sie seinen Kommentar zum Rücktritt des Papstes.

Als Nachfolger des charismatischen Johannes Paul II. übernahm Joseph Ratzinger ein schweres Erbe. Sein Vorgänger galt als Jahrtausend-Papst, unter seinem Pontifikat fiel die Berliner Mauer. Anders als Karol Woityla entschied der deutsche Papst von Anfang an nicht alles selbst. Er konnte Macht delegieren. Das Verständnis des Wissenschaftlers und Theologen vom höchsten Kirchenamt war eben ein gänzlich anderes als das des Polen.

Das mag mit Blick auf die letzten Monate und Tage des von Krankheit und Verfall sichtlich gezeichneten Johannes Paul II. auch ein Grund für den Rücktritt gewesen sein. Die Diskussion darüber, ob ein Mann, der so krank ist, Oberhaupt der Kirche bleiben sollte oder nicht, ist noch nicht vergessen. Auch nicht, dass Joseph Ratzinger die Meinung seines Vorgängers nicht teilte. Der blieb als körperlich gebrochener Mann buchstäblich bis zum letzten Atemzug. Anders Joseph Ratzinger. Die Kirche brauche einen Papst, der sich im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte befinde, so der damalige Präfekt der Glaubenskongregation. Und an dieser Meinung hielt er auch als Papst fest. Weshalb Benedikts Rückzug in der Erkenntnis eigener schwindender Kräfte nur konsequent und logisch ist.

Bleibt die Frage, was Benedikt XVI. im Verlauf seines Pontifikats bewirken konnte. Nun, der geradezu schüchterne und zurückhaltend wirkende Mann wusste sich überraschend schnell mit seiner neuen Papstrolle zu arrangieren. Er ging auf die Menschen zu, seine bescheidene Art trug ihm Sympathien ein. Auf große Veränderungen innerhalb der Kirche wartete man jedoch vergeblich. Im Gegenteil: Statt der von vielen Gläubigen erhofften Reformschritte ging es eher rückwärts. Die Mundkommunion wurde wieder hoffähig, die erzkonservative Piusbruderschaft rehabilitiert, die Messe durfte wieder in lateinischer Sprache gelesen werden, und unter Ökumene verstand man nicht die Annäherung an die evangelische Christenheit, sondern hatte eher die orthodoxe Kirche im Auge.
Das Pontifikat von Benedikt XVI. war auch geprägt von den im Jahr 2010 bekannt gewordenen Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche. Hatte Joseph Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation solche Fälle noch intern behandelt, setzte er als Papst auf Aufklärung und Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen. Die Erkenntnis, dass sich in seiner geliebten Kirche eine Reihe von Verbrechern tummelt, dürfte Benedikt zuletzt am meisten belastet haben.