Druckartikel: Es geht um die Finanzkraft

Es geht um die Finanzkraft


Autor: Klaus Angerstein

Nürnberg, Donnerstag, 17. Sept. 2015

Das Oberlandesgericht München entschied, dass die Bayerische Eisenbahngesellschaft die Vergabe der S-Bahn Nürnberg an den britischen Anbieter National Express neu überprüfen muss.
Zankapfel S-Bahn: Im Falle Nürnbergs muss die BEG die Vergabe neu überprüfen.  Foto: Daniel Karmann/dpa


Es gibt immer noch keine Klarheit darüber, wie ab 2018 der Betreiber der Nürnberger S-Bahn heißen wird. Gestern hat im Streit um den Betrieb des S-Bahn-Netzes das in dem Verfahren zuständige Münchner Oberlandesgericht erst einmal entschieden, dass das S-Bahn-Netz zunächst nicht an den britischen Betreiber National Express vergeben werden darf.

Das heißt, die staatliche Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) muss die finanzielle Eignungsprüfung für National Express wiederholen. Nur diesmal gilt es strengere Maßstäbe anzulegen. Weil aus Sicht des zuständigen OLG-Richters Thomas Steiner die Patronatserklärungen von Mutter-und Schwestergesellschaft der Briten formell ungültig sind.



Das Gericht wünscht nichts anderes, als dass das deutsche Tochterunternehmen den Nachweis dafür liefert, dass es allein finanziell entsprechend leistungsfähig ist.
Zur Vorgeschichte: Die BEG hatte in diesem Frühjahr den Betrieb des S-Bahn-Netzes einigermaßen überraschend an National Express vergeben. Das Unternehmen erhielt den Vorzug vor dem bisherigen Betreiber, der Deutschen Bahn (DB). Die Engländer sollten die S-Bahn bis zum Fahrplanwechsel im Jahr 2030 betreiben dürfen. Dagegen legte die DB als bisheriger Betreiber Einspruch ein. Prompt untersagte daraufhin die Vergabekammer Südbayern den Zuschlag an die Briten. Gegen diese Entscheidung legten sowohl die BEG als auch National Express Beschwerde ein - mit dem jetzt bekannt gewordenen Ergebnis.

Von dem ist der Chef der National Express Holding, Tobias Richter, enttäuscht. Nicht zuletzt deshalb, weil sich damit das ganze Vergabeverfahren weiter in die Länge ziehen dürfte.


OLG: Nicht sorgfältig geprüft

BEG-Geschäftsführer Johann Niggl kündigte denn auch eine erneute Überprüfung des Vergabeverfahrens an, und zwar nach den Vorgaben des Oberlandesgerichts. In einer Pressemitteilung des OLG wurde in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass die BEG die finanzielle Leistungsfähigkeit der Briten "nicht hinreichend sorgfältig geprüft" habe.

Was bedeutet die Verzögerung bei der Vergabe des Nürnberger S-Bahnbetriebs für die Kunden? Für Insider ist klar, dass sich damit die Vergabe des S-Bahnbetriebs in Nürnberg aufgrund der Rechtsunsicherheit weiter verzögern wird. Aus diesem Grund habe man die an sich 2015 auslaufenden Verträge mit dem bisherigen Betreiber schon mal um zwei Jahre verlängert. Deshalb dürfte es auch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Bahnkunden geben.


Reibungsloser Verkehr wichtig

Was auch Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) begrüßt. Ihm ist ein zuverlässiger und reibungsloser S-Bahnbetrieb besonders wichtig. Schließlich befördert die S-Bahn als Rückgrat des Schienenpersonennahverkehrs täglich Tausende von Fahrgästen im Großraum Nürnberg. Wobei Maly es begrüßen würde, wenn nach der OLG-Entscheidung DB-Regio eine neue Chance bekommen würde.
Aber: Wie der nächste Betreiber der Nürnberger S-Bahn irgendwann nach 2017 heißen wird, ist unsicherer denn je.

Kommentar:

Ein unendlicher Hickhack

Das Gezerre darum, wer ab 2018 den Betrieb der Nürnberger S-Bahn übernehmen darf, es dauert einfach viel zu lang. Ehe keine Vergabe erfolgt, die auch juristisch nicht mehr anfechtbar ist, kann der englische Bieter National Express keine neuen Triebwagen bestellen. Da hätte er im Falle des Zuschlags dann eine Betriebsgenehmigung, aber keine Fahrzeuge für die Kundschaft. Immerhin 38 Triebwagen sollen beim tschechischen Hersteller Skoda geordert werden. Aber halt erst dann, wenn die Vergabefrage geklärt ist. Und genau das kann noch eine ganze Weile dauern. Bliebe als Ausweg nur, mit dem bisherigen Betreiber DB-Regio eine Vertragsverlängerung vorzunehmen. Solange, bis die Engländer über eigene Fahrzeuge verfügen. Diese Lückenbüßerfunktion würde sich die Deutsche Bahn sicher teuer bezahlen lassen.

Die Crux bei der ganzen Geschichte: Unabhängig davon wie die BEG auch immer entscheidet, - ob für DB Regio oder National Express - die unterlegene Partei würde sicher erneut vor Gericht ziehen. Da hilft es auch nichts, dass BEG-Chef Johann Niggl einen externen Wirtschaftsprüfer vor seinem Votum zu Rate ziehen will. Der Hickhack könnte sich unendlich hinziehen.