Flüchtlinge: Erst die Sprache, dann Arbeit

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Flüchtlinge arbeiten in München in der Lernwerkstatt auf dem Gelände der Bayernkaserne unter professioneller Anleitung. Foto: Hoppfe/dpa
Flüchtlinge arbeiten in München in der Lernwerkstatt auf dem Gelände der Bayernkaserne unter professioneller Anleitung.  Foto: Hoppfe/dpa

Sie kamen nicht, um sich hier auszuruhen. Die meisten Flüchtlinge wollen arbeiten. Und das möglichst rasch. Die Arbeitsagenturen sollen dabei helfen. Unter anderem mit Sprachkursen von Anfang an.

Wie lassen sich Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren? Eine Frage, die zu beantworten sich die Bundesagentur für Arbeit zur Aufgabe gemacht hat. Und deshalb in diesen Tagen landauf landab im Freistaat zu Informationsveranstaltungen einlädt. Neben Vertretern von Kommunen, Schulen und Verbänden sind es insbesondere die Arbeitgeber in der jeweiligen Region, und hier wieder die Personalchefs der größeren Unternehmen, die für das Thema sensibilisiert werden sollen. Und die signalisieren allenthalben großes Interesse.
So auch in Bamberg, wo die Chefin der Bundesagentur für Bamberg und Coburg, Brigitte Glos, zur Infoveranstaltung geladen hatte. 20 000 Flüchtlinge möchte man bis Ende nächsten Jahres bayernweit in direkten Kontakt mit potenziellen Arbeitgebern gebracht haben, so die Zielvorgabe. Zu schaffen sei das nur durch gezielte Sprachförderung in einem möglichst frühen Stadium, so Glos.


Mehr Geld für Sprachkurse

Seit 1. November hat man dafür die Weichen und mehr Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Flüchtlinge, die aus Ländern mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit kommen, beispielsweise aus Syrien, dem Irak, Iran oder Eritrea, können so schon unmittelbar nach ihrer Registrierung als Flüchtlinge sprachlich gefördert werden. Das spart Zeit. Denn um auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können, muss als erstes die Sprachbarriere überwunden werden.
Für manche Flüchtlinge eine leichte Hürde, für andere eher schwierig. So wird von einem 20-jährigen Somalier berichtet, der nie eine Schule besucht hat, in seiner Heimat als Helfer in der Landwirtschaft beschäftigt war, und auch nach 18 Monaten in Deutschland noch kaum der Landessprache mächtig ist. Hier müsse man sich in Geduld üben, bis der Weg auf den Arbeitsmarkt geebnet ist. Es geht oft aber auch anders. Wie bei einem 34jährigen Iraker, einem Ingenieur mit Bachelorabschluss, der innerhalb von sechs Monaten auch sprachlich so fit ist, dass er in wenigen Monaten auf dem Arbeitsmarkt vermittelt werden kann.

Ab wann dürfen Flüchtlinge überhaupt arbeiten? Es gibt eine Wartefrist. In den ersten drei Monaten nach der Registrierung überhaupt nicht. Das ist auch dem Umstand geschuldet, dass es nach der Erstaufnahmeeinrichtung , der Registrierung, der Weiterverteilung erst einmal darum geht, im Land so richtig anzukommen. Eine rein praktische Erwägung also. Ab dem vierten Monat ist eine Arbeitsaufnahme grundsätzlich möglich - zumindest theoretisch. Auch für Flüchtlinge, die offiziell noch nicht als Asylberechtigte anerkannt sind.

Aber: Es handelt sich hier um einen nachrangigen Arbeitsmarktzugang. Das heißt, erst wenn sich für einen Arbeitsplatz kein deutscher Arbeitnehmer oder ein Interessent aus EU-Ländern findet, ist der Asylsuchende am Zug. Diese Vorrangprüfung entfällt erst dann, wenn der Asylbewerber sich mindestens 15 Monate im Land aufgehalten hat. Erst nach vier Jahren entfallen für Asylsuchende, die nicht als Flüchtlinge anerkannt, aber gleichwohl geduldet sind, derlei Arbeitseinschränkungen.


Asylberechtigte

Wer als Asylberechtigter eine Aufenthaltserlaubnis erhält, darf auch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II in Anspruch nehmen. Dazu gehören Beratung, Vermittlung, sowie Leistungen zum Lebensunterhalt. In jedem Fall muss sich der Berechtigte, dazu gehören auch Frauen aus arabischen Herkunftsländern, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen.

Ein komplexes Konstrukt, wie auch von den Mitarbeitern der Agentur für Arbeit gerne eingeräumt wird. Aber ein ungemein wichtiges, weil nur so ordentliche Verfahren zur Integration und zur Überwindung von Sprachbarrieren geschaffen werden können.

Aus diesem Grund fordert die Agentur für Arbeit für sich auch die Rolle der zentralen Koordination ein. Arbeitsagentur und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind allein schon dank ihres gemeinsamen Chefs Christian Weise inzwischen gut miteinander vernetzt. Beide Behörden helfen sich gegenseitig, um die Verfahren für Asylbewerber beschleunigen zu können. Und für den durchaus hindernisreichen Weg, den Asylbewerber in Richtung Ausbildung und Arbeitsplatz zu bewältigen haben, bleibt die Arbeits-Agentur deshalb auch für Arbeitgeber der kompetenteste Ansprechpartner. Diese Führungsrolle scheint man auch auf Arbeitgeberseite akzeptiert zu haben. "Wir stellen uns der Aufgabe. Und wir sind zuversichtlich, sie auch lösen zu können", sieht Brigitte Glos optimistisch in die nächsten Monate.
Derzeit sind in Ober-, Mittel- und Unterfranken allein in staatlichen Gemeinschafts- und dezentralen Unterkünften etwa 33 000 Flüchtlinge untergebracht. Sie werden sich nach und nach um einen Praktikums-, einen Ausbildungs- oder einen Arbeitsplatz bewerben. Die Chancen stehen nicht schlecht, der Arbeitsmarkt in Franken ist aufnahmefähig wie seit langem nicht mehr.

Kommentar:

Wir brauchen Geduld

Das ist keine leichte Aufgabe - innerhalb kürzester Zeit in Franken rund 33 000 Menschen in Ausbildung und Arbeit zu bringen. Das heißt schließlich nichts anderes, als eine Stadt von der Größenordnung Forchheims quasi über Nacht mit Arbeit zu versorgen. Angesichts der niedrigen Arbeitslosenzahlen zwischen Aschaffenburg, Wunsiedel und Ansbach geben sich die Verantwortlichen bei der Agentur für Arbeit jedoch zuversichtlich. Das ist sogar nachvollziehbar. Die Stimmung auf Seiten der fränkischen Arbeitgeber ist gut, das Interesse an Migranten als neue Mitarbeiter groß. Einzig hinderlich scheinen die bürokratischen Hürden, die es vor einer Einstellung zu nehmen gilt. Welcher Flüchtling darf eingestellt werden? Welcher nicht? Wie sieht es bei Hospitationen oder Praktika mit der Versicherung aus?

Fragen, denen sich die Agentur für Arbeit stellen muss und wozu sie sich auch bereit erklärt hat. Während man der politischen Aussage von "Wir schaffen das" noch einige Skepsis entgegenbringen mag, der Koalition aus interessierten Unternehmen und Arbeitsagentur traut man diesen Kraftakt durchaus zu.

Mit Abstrichen allerdings. Und da kommt wieder die politische Seite ins Spiel. Bundesweit betrachtet, präsentiert sich derzeit nämlich insbesondere der bayerische und der baden-württembergische Arbeitsmarkt als aufnahmefähig für neue Arbeitskräfte. Das sollte bei der bundesweiten Verteilung der Flüchtlinge bedacht werden. Eines zeigt die Diskussion um die Integration der Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt aber auch: Wir müssen Geduld haben. Eine neue Sprache erlernen, eine andere Kultur verstehen, das alles braucht seine Zeit. Langfristig wird sich diese Geduld jedoch bezahlt machen.