Gefangen im Teufelskreis des Leistungsdrucks

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Im Hamsterrad des Arbeitsalltags machen immer mehr Beschäftigte schlapp. Symbolfoto: Oliver Berg/dpa
Im Hamsterrad des Arbeitsalltags machen immer mehr Beschäftigte schlapp. Symbolfoto: Oliver Berg/dpa
Michael Svitak
Michael Svitak
 
Angela Langer
Angela Langer
 

"Leistungsfähig ohne Ende" lautet das Motto der Aktionswochen psychische Gesundheit vom 5. bis 29. Oktober 2015 in Bamberg. Zum Auftakt veranstalteten wir eine Leser-Experten-Runde.

Es waren vor allem Menschen in der Lebensmitte, die angerufen haben: Weil sie das Thema "Leistungsfähig ohne Ende?" umtreibt. Unter diesem Motto stehen die "Aktionswochen psychische Gesundheit", die vom 5. bis 29. Oktober in Bamberg stattfinden. Zum Auftakt veranstaltete der Fränkische Tag eine Telefonaktion, bei der sich Menschen mit psychischen Problemen Rat holen konnten.

Zwei Experten standen Rede und Antwort: Michael Svitak, Leitender Psychologe in der Schön Klinik Bad Staffelstein, und Diplompädagogin Angela Langer vom Integrationsfachdienst Oberfranken. Die beiden Experten wunderten sich nicht über die Altersstruktur der Anrufer: "50 ist ein Alter, in dem man spürt, dass man seine Kräfte einteilen muss, ehe einem die Luft ausgeht." Im Folgenden eine Zusammenfassung der wichtigsten Fragen und Antworten.

Was sind die häufigsten Ursachen von Burnout?
Die Anrufer konnten oftmals die Summe an Anforderungen oder dem ausgesetzten Dauerstress in ihrem Leben, durch überfordernde berufliche Anforderungen, Beziehungsprobleme oder Krankheiten nicht bewältigen und versuchten "durchzuhalten" - nach dem Motto "ein Indianer kennt kein Schmerz" oder "es muss doch gehen". Diese Dauerbelastung muss man sich als eine Art biologisches Notprogramm vorstellen, bei dem permanent ausgeschüttete Stresshormone für die Entstehung von depressiven Symptomen verantwortlich sind.

Warum ist es schädlich, "durchzuhalten"?
Wenn dieser Durchhaltemodus nicht zum Dauerzustand wird, ist das in Ordnung. Andernfalls brauchen Betroffene immer mehr Energie, um die ungelösten Probleme in Schach zu halten. Als Folge verbringen Betroffene viel Zeit mit Grübelgedanken, Rückzug und Inaktivität. Es werden permanent Stresshormone ausgeschüttet und der Weg in die Depression ist gebahnt.

Was kann man dagegen tun?
Als Erstes ist es wichtig sich einzugestehen, dass man überfordert ist und man mit starkem Willen allein nicht weiter kommt. Auch ist es wichtig, mit anderen Menschen zu sprechen und Hilfe anzunehmen. Beziehungen zu anderen sind wichtig, um aus dem "Kopfkino" herauszukommen und dem sozialen Rückzug entgegenwirken. Positive Aktivitäten sowie ein aktives Angehen der vorhandenen Probleme helfen schließlich, aus der depressiven Spirale herauszukommen.

Wann brauche ich professionelle Hilfe?
Wenn die Symptome wie Schlafstörungen, Hilf- und Hoffnungslosigkeit oder starkes Grübeln nicht mehr weggehen und man sich in einem Teufelskreis gefangen fühlt. Man sollte dann professionelle Hilfe bei einem ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten suchen. Depression ist eines der häufigsten Krankheiten und sehr gut behandelbar. Gegen schwere Depressionen werden Medikamente eingesetzt.

Wer ist besonders gefährdet, durch Dauerbelastungen an Depressionen zu erkranken?
Einerseits spielt Vererbung eine gewisse Rolle und wir beobachten dass Menschen, die in der Kindheit emotional vernachlässigt oder traumatisiert wurden, besonders verletzlich sind. Sie sind auch späteren Überforderungssituationen stärker ausgeliefert und können dadurch erkranken. Bei Burnout und Depressionen ist ein ausgeprägter Perfektionismus in Kombination mit einer hohen Verausgabungsbereitschaft ebenfalls mit einem erhöhten Risiko verknüpft.

Warum ist Burnout gerade heute so ein Thema? Uns geht es doch so gut.
Erschöpfung gab es zu alle Zeiten. Verändert hat sich, dass wir in einer ausgeprägten Leistungsgesellschaft leben, bei der es nicht nur darum geht im Beruf zu leisten. Alle Lebensbereiche müssen perfekt sein. Die Familie muss toll sein, die Kinder erfolgreich, der Urlaub einmalig und der Freundeskreis groß. Es genügt nicht "normal" zu sein. Das stresst. Eine andere Erklärung liegt darin, dass wir nicht mehr gewohnt sind, mit Schwierigkeiten und Leiden umzugehen. Es soll uns immer gut gehen, wir wollen gut gelaunt und belastbar sein. Der Versuch diesem Anspruch gerecht zu werden stresst und macht krank.

Kann ich mit einer psychischen Erkrankung einen Schwerbehindertenausweis beantragen?
Ja, unter Umständen. Wenn kein Schwerbehindertenausweis möglich ist und trotzdem ein Grad er Behinderung von mindestens 30 vorliegt, kann über die Arbeitsagentur eine Gleichstellung beantragt werden, um den Erhalt des Arbeitsplatzes zu sichern.

Ich bin schon länger krank und denke über eine Erwerbsminderungsrente nach. Aber dann fehlt mir vielleicht zu viel Geld?
Man muss sich gut überlegen, ob man noch ein paar Jahre durchhalten kann und will, um die volle Rente zu beziehen. Wenn man vorzeitig Rente beantragt, kann auch eine Teilerwerbsminderungsrente in Betracht kommen. Das muss man sich bei der Rentenversicherung ausrechnen lassen, der VdK kann beim Antrag helfen.

Gibt es eine Stelle, die mich unterstützen kann, wenn ich wegen meiner psychischen Erkrankung Probleme am Arbeitsplatz bekomme?
Hier kann der Integrationsfachdienst berufsbegleitend vermitteln, wenn eine Gleichstellung oder eine Schwerbehinderung vorliegt. Er kann sowohl den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer kostenlos unterstützen.

Ich bin im Beruf längere Zeit ausgefallen, weil ich psychisch krank bin. Jetzt durchlaufe ich meine Wiedereingliederung und habe das Gefühl, schräg angeschaut zu werden, mein Arbeitgeber hat wenig Verständnis für meine Erkrankung.
Das ist eine verunsichernde Situation für alle Beteiligten. Der Erkrankte schämt sich vielleicht, der Arbeitgeber hat wenig Erfahrung mit psychischen Erkrankungen. Da tut sich eine komplexe Situation auf, die man im vertrauensvollen Gespräch klären muss.


Aktionswochen

Das Programm der "Aktionswochen psychische Gesundheit", die vom 5. bis 29. Oktober 2015 in Bamberg mit einem Programm für Jung und Alt stattfinden, steht unter http://aktionswoche.seelischegesundheit.net/images/stories/2015/bundesweit/bamberg/programm-bamberg2015.pdf.