Gscheitgut: Viel mehr als Klöß' und Schäufela

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Chefkoch Marcus Müller kocht aus Überzeugung mit regionalen Zutaten. Foto: Emil Bezold
Chefkoch Marcus Müller kocht aus Überzeugung mit regionalen Zutaten. Foto: Emil Bezold
Marcus Müller ist Chefkoch im Landgasthof Lahner, Veilbronn. Foto: Emil Bezold
Marcus Müller ist Chefkoch im Landgasthof Lahner, Veilbronn. Foto: Emil Bezold
 
Michael Müller und Corinna Brauer schreiben die "Gscheitgut"-Kochbücher. Foto: Emil Bezold
Michael Müller und Corinna Brauer schreiben die "Gscheitgut"-Kochbücher. Foto: Emil Bezold
 
Günther Sponsel ist Chefkoch vom Gasthof Sponsel in Oberfellendorf. Foto: Emil Bezold
Günther Sponsel ist Chefkoch vom Gasthof Sponsel in Oberfellendorf. Foto: Emil Bezold
 
Auch Brennerei und Gasthaus Sponsel in Kirchehrenbach sind bei Gscheitgut dabei: Ferdinand, Fritz und Alexander Sponsel (von links). Foto: Thomas Brey
Auch Brennerei und Gasthaus Sponsel in Kirchehrenbach sind bei Gscheitgut dabei: Ferdinand, Fritz und Alexander Sponsel (von links). Foto: Thomas Brey
 
Christine Wehrfritz und Manfred Bischoff vom Gasthof "Zur Wolfsschlucht", Muggendorf. Foto: Emil Bezold
Christine Wehrfritz und Manfred Bischoff vom Gasthof "Zur Wolfsschlucht", Muggendorf. Foto: Emil Bezold
 

Die Initiative "Gscheitgut" unterstützt die regionale Gastronomie. Am 19.11. gibt es auf Burg Feuerstein eine Gala mit zehn Gängen und Kulturprogramm.

A Täubla oder Apfelkräpfla ... obwohl, Feuerspotzn wären auch nicht schlecht. Oder mal wieder gangene Klöß? Wenn Michael Müller an die Leibspeisen seiner Kindheit denkt, bekommt er mächtig Appetit. Wenn er sie aber auswärts essen möchte, stößt der Chef des gleichnamigen Erlanger Reisebuchsverlags oft an Grenzen: "Solche Gerichte findet man selten auf einer Speisekarte." Dass sich das in letzter Zeit so langsam ändert, ist einem Zufall zu verdanken: Auch Geographie-Studenten der Uni Erlangen wollten besser essen. Gemeinsam mit Müller gründeten sie deshalb vor sieben Jahren die gastronomische Initiative "Gscheitgut - Franken isst besser".

Von Anfang an passte vieles gut zusammen. Auf der einen Seite die fünf Studenten, die am Institut für Geographie mit einem Projekt "die Aufwertung der fränkischen Kochkultur durch Regionalprodukte" zum Ziel hatten. Für Studentin Kristina Roth war klar: "Warum soll ich etwas essen, was schon mehr von der Welt gesehen hat als ich, wenn ich die gleichen Lebensmittel auch aus meiner Heimat bekommen kann?" Wo es gehe, gebe sie regionalen Produkten klar den Vorzug. "Weil es allen was bringt", sagt Roth. "Meiner Heimat, der Umwelt und mir."


Positiv für den ländlichen Raum

Diesen "globalen" Zusammenhang unterstreicht auch Professor Werner Bätzing, der das Projekt der Studenten am Institut für Geographie begleitete und mittlerweile emeritiert ist. "Durch den Kauf von Regionalprodukten werden dezentrale Arbeitsplätze erhalten und die bäuerlich geprägten Landschaften erhalten - dies trägt dazu bei, dass die ländlichen Räume attraktiv und lebenswert bleiben."


Gegen das Gasthofsterben

Auf der anderen Seite stand und steht Michael Müller, selbst ein in Ebermannstadt (Fränkische Schweiz) aufgewachsenes "Regionalprodukt". Er aktualisierte 2009 gerade seinen Reiseführer über die Fränkische Schweiz. "Dabei habe ich gemerkt, dass viele Orte vom Gasthofsterben betroffen sind", sagt der Autor. Dazu kamen die vermissten Gerichte aus der Kindheit und für Müller war klar: "Es wurde Zeit, dieser Tendenz entgegenzuwirken."

So entstand die Idee, die Gastwirte zur Zubereitung bodenständiger und "vergessener" fränkischer Speisen zu ermutigen und ihnen eine Plattform zu bieten, auf der sie für dafür werben können. Aus diesen ersten Gedanken entwickelte sich in Zusammenarbeit mit der Uni die Regionalinitiative. "Gscheitgut soll für die nötige Resonanz sorgen, damit es sich für einen Wirt lohnt, auch einmal etwas Spezielles aufzutischen", sagt Müller.
Bald standen mit ausgewählten Gastwirten aus der Fränkischen Schweiz die Besonderheiten der fränkischen Küche wieder im Fokus. Rund 30 Gasthöfe sind dafür Partner des Verlags geworden und haben sich der kostenlosen, komplett freiwilligen Regionalinitiative angeschlossen.

Dafür müssen sie sich an einige Regeln halten: Sie verpflichten sich der regionalen Küche und kochen saisonal-frisch ohne Geschmacksverstärker, sie führen regionale Säfte, Biere und Liköre und sie garantieren mindestens fünf Gerichte, die zu mindestens 60 Prozent aus Regionalprodukten hergestellt sind.


Ausflugstipps und Bewertungen

Um die Initiative publik zu machen, wurde sie auf mehreren Ebenen umgesetzt. Zum einen hat Müller 2010 mit der Neuauflage des Reiseführers "Fränkische Schweiz" www.gscheitgut.de gegründet, das mit "Internetportal für kulinarische Kultur in Franken" überschrieben ist. Auf der Seite finden sich kulinarische Ausflugstipps neben Terminen für Autorenwanderungen oder Krimidinner. Außerdem können Leser auch Bewertungen über die Gasthöfe abgeben.

In Zusammenarbeit mit Gastwirten wollte Müller Bodenständiges und "vergessene" fränkische Speisen wieder auf die Speisekarten holen, aber auch die geschmacklich-sinnliche Verbindung Frankens mit anderen Regionen der lukullischen Landkarte knüpfen. "Wichtig ist mir vor allem aber eine Küche, die auf regionale und saisonale Produkte in ihrer ganzen Frische und Qualität zurückgreift", sagt Müller. "Das ist ein kleiner, aber wichtiger Beitrag, um gemeinsam mit anderen Initiativen die Lebensqualität der Region zu erhöhen." Somit hat sich Gscheitgut zur Aufgabe gemacht, die Fränkische Schweiz kulinarisch zu fördern - denn der Erhalt der Kulturlandschaft, die Tradition der Gasthöfe und der Tourismus gehören einfach zusammen.


Kochbücher geschrieben

Zum anderen hat Michael Müller mit seiner Mitarbeiterin, der Geographin Corinna Brauer, zwei "Reisekochbücher" geschrieben. Unter dem Motto "Franken isst besser" stellen darin Chefköche aus renommierten Gasthöfen ihre individuellen Kreationen vor und geben Profi-Tipps fürs Nachkochen. Außerdem liest man in Hintergrundreportagen Wissenswertes zur Region und Besonderheiten wie dem "Zwetschgenbames".

Aktuell ist eine neue Ausgabe der Kochbuchreihe erschienen, die "Das Beste aus Band 1 und 2" zusammenfasst (Müller, Michael / Brauer, Corinna, 368 Seiten, 1. Auflage 2017, 24,80 Euro). 26 Chefköche aus der Fränkischen Schweiz sind mit individuellen Kreationen vertreten. Ob bodenständige und typisch-fränkische Küche wie Krenrouladen und Biergluasch oder modern interpretierte Klassiker wie Lavendelparfait mit Krokanthimbeeren und Zwetschgenknödel mit Amaretti-Zimtbutter - "das kulinarische Ensemble dieses Buches hat für jeden Geschmack etwas zu bieten", sagen die Autoren. Jahreszeitlich gegliedert wird außerdem die Gegend zwischen Bamberg, Erlangen und Bayreuth anhand von Reportagen und Rezepten vorgestellt, und auch im "Best-of" geben die engagierten Gscheitgut-Gastwirte wertvolle Profi-Tipps, damit das Nachkochen in jedem Fall gelingt.


Mehrfach prämiert

Die beiden Vorgänger-Kochbücher wurden sogar schon ausgezeichnet: "Gscheitgut" und "Gscheitgut Band 2" haben einen ITB BuchAward und eine Prämierung des DEHOGA Baden-Württemberg durch Alexander Bonde, den Minister für Verbraucherschutz, erhalten. Außerdem wurde im Februar 2016 die kulinarisch-regionale Initiative "Gscheitgut-Franken isst besser" generell vom Ministerium für Ländliche Entwicklung in Baden-Württemberg ausgezeichnet.

Ohnehin hat sich das einstige Uni-Projekt mittlerweile etabliert. Gscheitgut wurde sowohl von der Genussregion Oberfranken als auch von "Original Regional" als Regionalinitiative anerkannt und quer durch alle Medien porträtiert. Die Studenten des Instituts für Geographie haben eine Seminararbeit darüber geschrieben: "Aufwertung der regionalen Gastronomie in der Fränkischen Schweiz mithilfe des Gastroportals www.gscheitgut.de" heißt sie und ist auf dem Gscheitgut-Portal nachzulesen.


Gala mit zehn Gängen und Kultur

Das neue Buch wird bei einer Gala am 19. November auf Burg Feuerstein vorgestellt. Der Eintritt pro Person beträgt 85 Euro, im Eintrittspreis inbegriffen ist ein 10-Gang-Menü mit korrespondierenden Weinen, Säften und regionalem Bier, eine Lesung von Helmut Haberkamm, Musik vom Sunny Side Dance Orchestra sowie ein Freiexemplar des neuen Gscheitgut-Reisekochbuchs. Tickets gibt es unter gscheitgut@michael-mueller-verlag.de oder unter Tel. 09131-812808-0 sowie bei den teilnehmenden Gasthöfen.

"14 ausgewählte Gastwirte werden einen Streifzug durch die Region unternehmen", sagt Co-Autorin Corinna Brauer. Gang 4 und 9 zum Beispiel wird Marcus Müller vom Landgasthof Lahner aus Veilbronn kredenzen, der seine Rezepte auch für den Best-of-Band eingebracht hat. "Ochsenbackenburger mit Rotweinschalotten" und "Fränkischer Saibling im Bienenwachs gegart" kündigt er für die Gala an. "Dort können wir Köche endlich zeigen, dass wir mehr als Schäufela drauf haben", sagt Müller.

Gerade diese Qualität sei so wichtig angesichts der Entwicklung der Branche: "So viele Gasthöfe haben in der letzten Zeit wegen Personal- und Geldmangel schließen müssen". Dagegen will Müller ankochen und investiert viel Zeit in Gscheitgut. "Gutes Essen mit regionalen Produkten ist für mich eine Herzensangelegenheit."