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Krankenkassen zahlen: Cannabis auf Rezept


Autor: Irmtraud Fenn-Nebel

Bamberg, Montag, 05. Februar 2018

Die Krankenkassen müssen seit März 2017 die Kosten für eine medizinische Therapie mit Cannabis übernehmen. Die meisten Anträge werden genehmigt.


Obwohl sie seit März 2017 die Kosten für Therapien mit Cannabis übernehmen müssen, stehen die Krankenkassen dem Thema "Cannabis auf Rezept" positiv gegenüber. Die Mehrheit der eingereichten Anträge wurden bisher genehmigt, bestätigten auf Nachfrage dieser Zeitung die Landesverbände von AOK und Barmer sowie die Techniker Krankenkasse.


AOK hat 83 Prozent der Therapien bewilligt

"Die AOK Bayern hat das Gesetz begrüßt, das den Einsatz cannabishaltiger Arzneimittel ermöglicht und setzt es entsprechend um", sagt AOK-Sprecherin Vedrana Romanovic. Bislang habe die AOK Bayern insgesamt rund 2035 Anträge auf Kostenübernahme von Cannabis erhalten. Davon konnten knapp 1690 Anträge genehmigt werden, was einer Genehmigungsquote von 83 Prozent entspricht.
Aber es wurden auch Anträge abgelehnt, sagt Romanovic: 349 waren es, die "nach eingehender Prüfung" nicht genehmigt wurden. "Wir halten uns bei der Prüfung der Anträge auf Kostenübernahme von Cannabis an die Richtlinie des GKV-Spitzenverbands ,Sozialmedizinische Begutachtung von Cannabinoiden nach § 31 Abs. 6 SGB V' ", erklärt die AOK-Sprecherin.

Die Anleitung diene der Sicherstellung einer bundesweit einheitlichen Vorgehensweise und Begutachtung durch die Krankenkassen und den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Die Begutachtungsanleitung gibt auch vor, welche Unterlagen beigefügt werden sollen, darunter z.B. Anträge und Ausführung des Versicherten oder ein vom behandelnden Arzt ausgefüllter Arztfragebogen.


TK genehmigt über 60 Prozent

Bei der Techniker Krankenkasse sind nach Auskunft von Sprecher Stephan Mayer keine regionalen Aussagen möglich. Bundesweit seien seit 10. März 2017 bei der TK bundesweit 2200 Anträge auf Kostenerstattung von Medizinalcannabis eingegangen. "Davon wurden rund 64 Prozent bewilligt", sagt Mayer. "Das bedeutet jedoch nicht, dass die verbleibenden Anträge alle abgelehnt wurden. Unvollständige sowie nicht ausreichend begründete Anträge auf Kostenübernahme sind die häufigsten Gründe für negative Prüfergebnisse des MDK."
Viele Patienten würden davon ausgehen, dass Cannabis eine gute Therapieoption ist. "Sie stellen bei der Krankenkasse einen Antrag, ohne vorher mit dem Arzt ausführlich darüber gesprochen zu haben", erklärt der TK-Sprecher. "Ist der Arzt jedoch nicht davon überzeugt, dass Cannabis eine gute Therapieoption darstellt, wird er den Antrag nicht aussagekräftig begründen können und letztendlich auch keine Verordnung ausstellen."


Noch keine Aussagen über die Kosten möglich

Wie hoch die entstandenen Kosten sind bzw. ein entsprechender Durchschnittswert lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht aussagekräftig abschätzen. "Das Gesetz ist noch nicht lange genug in Kraft, entsprechend liegen und uns derzeit noch nicht alle notwendigen Abrechnungsdaten vor", sagt Mayer. "Wenn bei einer schwerwiegenden Erkrankung die Aussicht auf einen Therapieerfolg besteht und keine Alternativen zur Anwendungen kommen können, wird der Antrag vom MDK in der Regel auch positiv begutachtet und von der Krankenkasse genehmigt werden. Von daher haben wir die Neuregelung als TK auch begrüßt."


Auch die Barmer ist bereit zur Bewilligung

Auch die Barmer in Bayern hat das Thema in den vergangenen Monaten beschäftigt. "Von 663 Anträgen wurden 498 bewilligt und 165 abgelehnt", sagt Sprecherin Stefani Meyer-Maricevic. Sowohl die Leitungsanträge über Cannabis-Präparate als auch die Ablehnungsgründe seien aufgrund der individuellen Krankheitsgeschichten sehr vielfältig. "Ablehnungen können zum Beispiel daraus resultieren, dass Cannabis-haltige Medikamente bei bestimmten Erkrankungen ungeeignet sind, dass zugelassene Arzneimittel mit einem sicheren Wirkprofil sowie evidenzbasierte Therapiemaßnahmen noch nicht bei der Therapieentscheidung berücksichtigt wurden oder dass Anträge fehler- oder lückenhaft eingereicht wurden."

Aus diesen Gründen prüfe die Barmer jeden einzelnen Antrag individuell. "Hierzu stellen wir allen Versicherten, die Cannabis beantragen, einen Arztfragebogen zur Verfügung und holen die Expertise des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ein", erklärt Meyer-Maricevic. In die Begutachtung würden alle zur Verfügung stehenden ärztlichen Berichte und Unterlagen inklusive der bisher eingesetzten Arzneimittel einbezogen. "Auf dieser Basis und maßgeblich mit Blick auf das MDK-Gutachten fällt schließlich eine Entscheidung, was die Kostenübernahme betrifft."

Leistungsrechtlich habe sich für die Barmer als gesetzliche Krankenkasse nichts geändert. "Wir haben bereits vor dem 10. März 2017 bei schwerkranken Versicherten in Einzelfällen die Kosten für eine Cannabis-Therapie übernommen", sagt die Sprecherin. Für die Patienten sei der Weg mit dem neuen Gesetz einfacher geworden, was grundsätzlich positiv sei. "Das frühere Erlaubnisverfahren, um zum Beispiel Cannabis-Blüten legal aus der Apotheke zu beziehen, ist entfallen und es gibt eine bundesweit einheitliche Regelung zur Verordnung."


"Cannabis ist keine Allheilmittel"

Wichtig ist Meyer-Maricevic der Hinweis, dass die Anwendung von Cannabis aus medizinischer Sicht noch nicht abschließend geklärt sei. Aktuell wird es fast wie ein Allheilmittel für viele Erkrankungen dargestellt. Dringend erforderlich ist aber eine unabhängige Information der Patienten über Effekte, unerwünschte Wirkungen und Einsatzmöglichkeiten von Cannabis. Es ist wichtig, dass immer die Frage beantwortet wird, ob ein cannabishaltiges Medikament dem Patienten wirklich hilft oder ob es vielleicht bessere Alternativen gibt.