Es geht um viele Tausend Euro Ersparnis für Bauherren und Immobilienkäufer: Sie können ihre Kreditverträge widerrufen, weil die Widerrufsbelehrungen von zwischen 2002 und 2010 vergebenen Baukrediten in den meisten Fällen fehlerhaft sind. Allerdings müssen sich die Betroffenen beeilen: Die Frist endet am Dienstag, 21. Juni 2016.Was steckt dahinter? "Bei Abschluss eines Immobilien-Verbraucherdarlehensvertrages wird dem Darlehensnehmer ein gesetzliches Widerrufsrecht von 14 Tagen eingeräumt", erklärt Peter Lesch, Rechtsanwalt in Coburg und Vorsitzender des Anlegerschutzvereins Nordbayern. "Es gilt jedoch nur dann, wenn die erteilten Widerrufsbelehrungen den gesetzlichen Anforderungen standhalten." Will heißen: Die Banken und Sparkassen müssen über das Widerrufsrecht und den Beginn der Widerrufsfrist richtig und verständlich informieren. Und genau das hat in der Vergangenheit in den meisten Fällen nicht geklappt. "Gründlich schief gegangen" Eigentlich hätten die Banken nur den Mustertext des Justizministeriums abschreiben müssen, um eine korrekte Belehrung zu bekommen. Wie ein Sprecher von Finanztest (Stiftung Warentest) erklärt, wussten das die Banken damals jedoch nicht. Andererseits sei der Mustertext des Ministeriums selbst fehlerhaft gewesen. Die meisten Banken erarbeiteten deshalb eine eigene Widerrufsbelehrung, was laut Finanztest "gründlich schief ging": Die Gerichte urteilten sehr streng und beanstandeten eine Widerrufsbelehrung nach der anderen. Vertrag kann schon abgelöst sein Das rief die Verbraucherzentralen und etliche Anwälte auf den Plan, die inzwischen fast 50 000 Widerrufsbelehrungen zu Baukrediten geprüft haben. Ergebnis: Etwa 80 Prozent aller zwischen 2002 und 2010 vergebenen Baukredite sind fehlerhaft - und damit unwirksam. "Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen haben zur Folge, dass die Verträge auch Jahre nach Abschluss noch widerrufen werden können", erklärt Rechtsanwalt Lesch. "Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag längst abbezahlt oder abgelöst ist." Von 30 000 Euro Ersparnis und mehr spricht Finanztest unter dem Aspekt "Gewinn durch Widerruf". Hintergrund ist das drastisch gesunkene Zinsniveau: Es macht natürlich einen deutlichen Unterschied, ob man statt beispielsweise 4,5 Prozent Zinsen nur noch 1,2 Prozent zahlt. Vorfälligkeit ... Wenn Kreditnehmer ihren Vertrag wirksam widerrufen, fällt auch die Vorfälligkeitsentschädigung (zu zahlen bei Kündigung eines Kredits wegen des Verkaufs einer Immobilie) weg. Für in den vergangenen Jahren abgeschlossene und zu Juni 2014 gekündigte typische 200 000 Euro-Baukredite errechnete Finanztest Vorfälligkeitsentschädigungen von bis zu fast 40 000 Euro. Ist sie bereits gezahlt, hat die Sparkasse oder Bank den Betrag zu erstatten. "Sie muss herausgeben, was sie mit dem Geld des Kunden erwirtschaftet hat", sagt Anwalt Lesch. ... und Rückabwicklung Zusätzlich stehen Kreditnehmern über die Ersparnis durch Zinssenkung und Vorfälligkeitsentschädigung hinaus noch weitere Tausende von Euro zu: Bei einem Widerruf muss der Vertrag rückabgewickelt werden. Das klingt alles gut, hat jedoch einen Knackpunkt: Nach intensiver Lobbyarbeit durch Banken und Sparkassen wurde im Februar das Ende des ewigen Widerrufsrechts beschlossen. Das bringt die eingangs genannte Fristsetzung mit sich: Bei Immobiliendarlehensverträgen, die zwischen Herbst 2002 und Juni 2010 geschlossen wurden und deren Widerrufsbelehrung fehlerhaft war, erlischt das Widerrufsrecht am 21. Juni 2016. Bis zu diesem Zeitpunkt muss die Widerrufserklärung bei der Bank eingegangen sein. Nur mit juristischer Hilfe Ohne fachliche Hilfe ist ein Widerruf jedoch nicht zu empfehlen. "Ein Laie kann nicht beurteilen, ob die Widerrufsbelehrung ist seinem Vertrag falsch ist", gibt eine Sprecherin der Verbraucherzentrale Bayern zu bedenken. "Außerdem muss man damit rechnen, dass die Bank den Widerruf nicht ohne Gegenwehr akzeptiert." Das bedeute möglicherweise eine Klage vor Gericht. Die Verbraucherzentrale rät deshalb, einen Vertrag nicht einfach zu widerrufen, sondern vorab juristischen Rat einzuholen. Ewig, ein Jahr oder noch gute vier Wochen: Es gelten unterschiedliche Fristen Gesetzeslage Seit dem Inkrafttreten des "Umsetzungsgesetzes zur Wohnimmobilienkreditrichtlinie" am 21. März 2016 gelten unterschiedliche Fristen für den Widerruf. Die Verbraucherzentrale listet sie wie folgt auf:Ab 2002 Verträge, die zwischen Herbst 2002 und Juni 2010 geschlossen wurden, können nur noch bis zum 21. Juni 2016 widerrufen werden. Am Mittwoch, 22. Juni, um 0 Uhr wird das Widerrufsrecht erloschen sein.Ab 2010 Verträge, die zwischen 11. Juni 2010 und 21. März 2016 abgeschlossen wurden, haben weiterhin ein "ewiges" Widerrufsrecht.Ab 2016 Verträge, die ab dem 21. März 2016 abgeschlossen wurden, haben ein auf maximal ein Jahr und 14 Tage begrenztes Widerrufsrecht - wenn belehrt wurde (auch bei falscher Belehrung). Ohne Belehrung gilt diese Begrenzung nicht.Beratung Die Verbraucherzentrale bietet in ihrer Nürnberger Beratungsstelle, Tel. 0911/2426501, eine Rechtsberatung zum Thema an. Zurzeit sind jedoch keine Termine verfügbar; Infos unter www.verbraucherzentrale.de.Auch die Stiftung Warentest beschäftigt sich mit der Kreditrückabwicklung. Finanztesterklärt auf dem Internetportal von "Test" die Rechtslage in einem ausführlichen Themen-Spezial.