Priestermangel: Marx setzt in Zukunft auf Laien

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Stellt sich mutig den Fragen der Journalisten - Kardinal und Erzbischof Reinhard Marx. Foto: Matthias Balk/dpa
Stellt sich mutig den Fragen der Journalisten - Kardinal und Erzbischof Reinhard Marx.  Foto: Matthias Balk/dpa

Da Priesternachwuchs fehlt, setzen die Bischöfe verstärkt auf die Gläubigen. Sie sollen auch Leitungsfunktionen übernehmen können.

Münchens Erzbischof Kardinal Reinhard Marx drängt zum Handeln. Angesichts des sich immer mehr zuspitzenden Priestermangels in der katholischen Kirche werde "es nötig sein, verschiedene Leitungsmodelle und die unterschiedlichen Möglichkeiten der Beteiligung von Haupt- und Ehrenamtlichen an der pastoralen Arbeit in der praktischen Umsetzung zu prüfen". So die schriftliche Ankündigung des Kardinals an seine Priester vor einem Jahr.

Zum Hintergrund: Der katholischen Kirche gehen schlicht die Priester aus. In ganz Deutschland wurden im Jahr 2014 gerade mal 75 junge Männer zu Priestern geweiht, ein Jahr später waren es noch 58. Kein Wunder, wenn angesichts dieser Zahlen Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, in diesem Monat vor einer "Katastrophe" warnte. Die will der Münchner Kardinal dadurch verhindern, dass den Laien mehr Verantwortung übertragen wird. Gestern erklärte er vor der Presse, wie er sich das vorstellt.

Bereits ab Herbst diesen Jahres sollen in seinem Bistum in ausgewählten Pfarrverbänden auch Laien Führungsaufgaben übernehmen. Das Marx'sche Konzept: Haupt- und Ehrenamtliche sollen diese Pfarreien gemeinsam mit einem Priester als gleichberechtigte Kollegen leiten. "Im Team ist keiner der Chef", so der Münchner Kardinal, der zugleich Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz ist. Und weiter: "Das ist ein großer Umbruch, den wir erleben in der Geschichte der Kirche".

Ähnliche Gedanken hat man sich auch andernorts schon länger gemacht. So im Erzbistum Bamberg. Hier wird daran gedacht, dass künftig Laien als hauptamtliche Verwaltungsleiter, quasi als Prokuristen, für Personal- und Verwaltungsaufgaben in mehreren Pfarreien zuständig werden. Die Pfarrer könnten sich dann verstärkt dem Dienst als Seelsorger widmen.

In die gleiche Richtung denkt man auch in Würzburg. Der Diözesanrat hat zwei Modelle vorgeschlagen: So könnte ein Team aus Männern und Frauen gemeinsam die Leitung für eine Gemeinde als Teil eines größeren pastoralen Raums übernehmen. Oder, so ein weiterer Vorschlag, angesichts der bevorstehenden Herausforderungen könnte mit sogenannten pastoralen Koordinatoren ein neues berufliches Einsatzfeld für erfahrene Mitarbeiter etabliert werden.

Wobei Würzburgs Bischof Friedhelm Hofmann anders als der Münchner Erzbischof in einem Brief an die Gläubigen Ende Januar darauf hingewiesen hat, dass die Leitung dieser neuen pastoralen Räume weiter in den Händen eines Pfarrers zu liegen habe.

Der Münchner Kardinal ist da einen ganzen Schritt weiter gegangen. Auch er hatte noch vor Jahren gefordert, dass an der Spitze einer jeden Pfarrei ein Priester zu stehen habe. Deshalb wurden bei immer weniger Priestern viele Gemeinden zu immer größeren Pfarrverbänden zusammengelegt. Marx hat erkannt, dass immer weniger Priester mit immer größeren Pfarreinheiten überfordert wären. Deshalb geht er jetzt auf die Laien zu. Das Thema dürfte auch auf der Tagesordnung der Frühjahrskonferenz der bayerischen Bischöfe, die von heute bis Donnerstag in Bamberg tagt, eine Rolle spielen.


Kommentar:

Die Kirche im Umbruch

Warum nicht aus der Not eine Tugend machen? Den Priestermangel als Chance begreifen und engagierte Laien, Gläubige mit entsprechender Befähigung, in die Verantwortung nehmen? Das nenne ich einen mutigen Schritt des Münchner Kardinals. Geeignete Gläubige, wenn es um die Verantwortung für eine Pfarrei geht, als gleichberechtigte Kollegen des Priesters mit ins Boot holen. Geht das nach Kirchenrecht überhaupt? Die Frage wird gestellt werden. Hier sind Kirchenjuristen gefordert. Etwas anderes ist viel wichtiger: Hier unternimmt ein katholischer Bischof erstmals den Versuch, den Kleriker- und den Laienstand in der katholischen Kirche gleichberechtigt zu behandeln. Noch vor wenigen Jahren ein unvorstellbarer, ein geradezu aberwitziger Gedanke.

Priester und Laien in gemeinsamer Verantwortung für die Keimzelle der Kirche - die Pfarrgemeinde. Das käme, wenn es denn so gemeint war, einem Umbruch, ja einer Revolution gleich. Es wäre zugleich eine große Chance für die Kirche. Vielen Gemeinden könnte wieder Leben eingehaucht werden. Was bitter nötig wäre.