Der Parteichef in der Trotzphase: "Eine CSU scheitert nicht", tönt Horst Seehofer im "Sommerinterview" mit der Tageszeitung "Die Welt". Was selbstbewusst und kämpferisch klingen und die desaströse Debatte um die Maut im Basta-Stil beenden soll, wirkt seltsam verkrampft, fast hilflos. Er braucht die Sommerpause dringend.Es rumort gewaltig in der Partei, auch wenn Seehofers natürliche Autorität und eine angeborene Beißhemmung die CSU-Größen in der zweiten Reihe davon abhalten, offen in Opposition zu gehen. Immerhin hat "der Horst" die staatstragende Partei in Bayern aus dem Stoiber-Jammertal geführt und dafür gesorgt, dass München in Berlin ein Wörtchen mitzureden hat. Premiumthema im Wahlkampf Bei der Maut, zum Beispiel. Die Straßenbenutzungsgebühr für nichtinländische Autofahrer war das bayerische Premiumthema im Wahlkampf und bleibt für Seehofer das Menetekel, an dem er notfalls sogar die große Koalition platzen lassen würde. Das ungeschickte Taktieren des Bundesverkehrsministers Dobrindt und seiner Staatssekretärin Bär in dieser Frage dreht der CSU-Chef zu einer Erfolgsstory um: Bislang, so sagt er, habe ihm niemand ein besseres Konzept für die Maut vorlegen können.Nichts Besseres? Rückendeckung für das einstige Generalsekretärs-Duo, das die CSU nach Berlin geschickt hat, sieht anders aus. Und souveräne Führung auch. Seinen Innenminister Friedrich watschte Seehofer wegen dessen Maut-Mauscheleien mit den Grenzland-Bürgermeistern ab, um sogleich zurückzurudern. Das mit dem "Senf", den alle möglichen Leute zur Maut-Debatte dazugeben, habe er gar nicht explizit dem Friedrich aufs Brot geschmiert. Dein Lohn, meine Maut Und wenn gar nichts mehr hilft, zieht Seehofer die Trotz-Karte: Der Mindestlohn steht im Koalitionsvertrag, die SPD hat ihn bekommen. Die Maut steht im Koalitionsvertrag, die CSU will sie haben. Scheitern? Ein Unwort für die CSU! Flugs pflückt SPD-Chef Gabriel bei den Rüstungsexporten die nächste Karte aus dem Koalitionsvertrag und lässt Seehofer implodieren.Das Ping-Pong-Spiel zwischen Berlin und München hat ein bisschen was von Folklore und lenkt den Blick davon ab, dass Seehofer vor allem im eigenen Land immer mehr zum Einzelkämpfer wird. Gerade an der kommunalpolitischen Basis, am Fundament der Volkspartei, ist Seehofer längst mehr Reizfigur als Leitwolf. "Der Horst benimmt sich, als wäre er in den Wechseljahren. Mit seinen Meinungen", sagt ein prominenter fränkischer Politiker (hinter der vorgehaltenen Hand, natürlich). Viele amüsieren sich über die Haken, die Seehofer bisweilen schlägt, doch den Gemeinden schlägt der Schlingerkurs aufs Gemüt und auf den Geldbeutel: G8 und dann wieder nicht G8 am Gymnasium. Doppelgleisigkeit in den Schulen mit Ganztag und Nicht-Ganztag. Krippenplätze und Betreuungsgeld ... Während sich der Freistaat und mit ihm Seehofer im Licht des ausgeglichenen Haushalts sonnt, schieben die Kommunen eine Bugwelle von Folgekosten vor sich her, die auf lange Sicht den größten Teil der freien Finanzmittel binden werden. Alle Trassen im Schrank? Sauer sind die Bürgermeister auch, weil Seehofer mit der "10H-Regel" (der Abstand zur Siedlung = zehnfache Höhe) den Ärger (und die Arbeit) mit der Windkraft den Kommunen aufbürdet. Der sich abzeichnende Meinungsumschwung des CSU-Chefs beim Bau der Stromtrassen passt ins Bild. Seehofer ist und bleibt unberechenbar. Ausbaden müssen es andere, allen voran seine Energieministerin Ilse Aigner, die zum Trassenstreit auch schon mal ungefragt ihren "Senf" gegeben hat und erst einmal einen Maulkorb verpasst bekommen hat. Weniger konkret zu fassen ist die Zeitenwende, die Seehofer zu schaffen macht: Gesellschaft und Politik sind auch in Bayern bunter geworden. Den knorzigen Bürgermeister, der sogar die lila Kuh anhimmelt, wenn Seehofer nur verfügt, dass sie gefälligst schwarz zu sein hat, gibt es fast nicht mehr. Die CSU-Basis ist jünger geworden, weiblicher, die Lebensentwürfe vielfältiger. Mit Marschmusik und Bierkrügen lässt sich allenfalls kurzfristig beim Parteitag der Eindruck alter Geschlossenheit erzeugen. Hinzu kommt, dass Horst Seehofer irgendwie das Feindbild abhanden gekommen ist. Die Freien Wähler im Landtag suchen noch immer nach ihrer landespolitischen Kompetenz, den Grünen hat die CSU die Themen geklaut, die FDP kommt nicht mehr aus dem Sauerstoffzelt, und mit der SPD streitet sich's schlecht in München, wenn man in Berlin mit ihr regieren muss.Wenn er doch wenigstens innerparteiliche Kritiker hätte, die sich auf Augenhöhe mit ihm anlegen. Markus Söder zum Beispiel. Der Finanzminister ist nach der Seehofer-Breitseite Ende 2012 nur scheinbar trotzig abgetaucht. Er lauert geschickt darauf, dass sich sein Parteifreund endgültig in eine Sackgasse manövriert. Und die Möchtegern-Seehofers gleich mit. Die Zeit arbeitet für Markus Söder.