Polizistin in Kopf geschossen: Täter sitzt auf der Anklagebank - Opfer noch immer in Klinik

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Im Juni 2017 wird im S-Bahnhof Unterföhring eine Polizistin lebensgefährlich verletzt. Foto: Sven Hoppe/dpa
Im Juni 2017 wird im S-Bahnhof Unterföhring eine Polizistin lebensgefährlich verletzt. Foto: Sven Hoppe/dpa

Die S-Bahn-Tat von Unterföhring, bei der eine Polizistin lebensgefährlich verletzt wurde, geht vor Gericht. So geht es dem Opfer heute.

Es sah nach einem Routineeinsatz aus. Doch der endete in einer Schießerei. Ein Randalierer griff sich im vergangenen Juni am S-Bahnhof Unterföhring bei München die Dienstwaffe eines Beamten - und schoss damit dessen Kollegin in den Kopf. Am nächsten Dienstag beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Schützen.


Das passierte am 13. Juni 2017 in Unterföhring

Die angeschossene Polizistin Jessica Lohse liegt nach wie vor im Wachkoma, wie die tz meldet. Zwar sei sie heute, knapp ein Jahr nach dem schrecklichen Vorfall, außer Lebensgefahr. Sie mache allerdings nur kleine Fortschritte, wie ihre Eltern der Münchner Tageszeitung erzählten.

Weil die Kugel tief in der Schädeldecke der Polizistin steckte, mussten die Ärzte immer wieder in Not-Operationen Teile ihres Knochens entfernen. Der Druck im Gehirn stieg wegen Schwellungen oft lebensgefährlich an. Jetzt haben die Ärzte ihren Kopf mit künstlichen Knochen wieder geschlossen.


Beginnender Prozess für Eltern kein Thema


Die Familie und auch Jessis Freund besuchen die Polizistin teils täglich im Krankenhaus. "Sie spürt, wenn wir da sind", sagt Jessicas Vater der tz. Mittlerweile kann die 27-Jährige wieder selbstständig atmen, auch der Schluckreflex verbessert sich von Tag zu Tag.

Für die beginnende Verhandlung haben die Lohses keine Aufmerksamkeit. Zwar treten sie als Nebenkläger auf, werden aber von einer Anwältin mit Vollmacht vertreten. Auch die geplante Zeugenaussage wird Jessis Mutter nicht machen, schreibt die tz. "Dafür vergeuden wir keine Energie", sagt Vater Veiko der Zeitung.


Ist der mutmaßliche Schütze Schuldunfähig?


Für den 38 Jahre alten Täter beginnt am Dienstag der Prozess. Er ist seit der Tat in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Die Staatsanwaltschaft geht von einer Schuldunfähigkeit zur Tatzeit aus und hat deshalb keine Anklage verfasst, sondern ein Sicherungsverfahren beantragt. Nebenkläger sind die Polizistin, ihr Kollege sowie ein Passant, der damals von einem Querschläger getroffen wurde.

Am Morgen des 13. Juni 2017 gehen Notrufe bei der Polizei ein. Fahrgäste berichten von einer Schlägerei in der S-Bahn. Eine Streife mit einem Beamten und einer Beamtin fährt zum Bahnhof Unterföhring. Zunächst läuft alles normal. Der Beamte beginnt bereits, den Vorgang aufzunehmen - als ihn ein Randalierer plötzlich angreift und ins Gleisbett zu stoßen versucht. In der folgenden Rangelei geschieht etwas sehr Ungewöhnliches: Der Randalierer schafft es, sich der Waffe des Beamten zu bemächtigen.


Kannte sich der Täter mit Waffen aus?


Zweimal ist die Dienstpistole normalerweise im Holster gesichert. Womöglich habe der Beamte eine Sicherung gelöst, um im Ernstfall schnell an die Waffe zu kommen, hieß es damals bei der Polizei. Aber auch dann sei es nicht leicht, die Waffe zu lösen. Zudem seien die Dienstpistolen mit einer Handballensicherung gesperrt, erläuterte damals Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä.

Unklar blieb, ob der Mann sich mit der Waffe auskannte - oder zufällig die richtigen Handgriffe machte. Den damaligen Ermittlungen zufolge schossen die junge Polizistin und der Mann. Die Beamtin wurde am Kopf getroffen. Der Mann feuerte nach damaligen Angaben weiter, bis das Magazin leer war. Auch zwei Passanten erlitten Schussverletzungen am Arm und am Bein.


Schon vor der Tat auffällig


Die Beamtin wurde schwerst verletzt und liegt seitdem im Koma. Der mutmaßliche Täter selbst wurde ebenfalls durch einen Schuss leicht verletzt. Er soll ursprünglich aus Oberbayern kommen, zur Tatzeit aber keinen Wohnsitz in Deutschland gehabt haben.

Schon vor dem Vorfall in der S-Bahn hatte sich der Mann Zeugen zufolge auffällig benommen, etwa Selbstgespräche geführt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm nun gefährliche und schwere Körperverletzung sowie versuchten Mord vor. Vor Gericht wird es darum gehen, inwieweit der Mann infolge seiner psychischen Erkrankung schuldunfähig und für die Allgemeinheit gefährlich ist - und dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden muss.


Psychisch Kranker begeht Tat in Grafing


Nicht zum ersten Mal wurde ein Bahnhof Schauplatz einer Gewalttat. In Köln wurde im vergangenen November ein Mann am Hauptbahnhof bewusstlos getreten, im Dezember gab es im Bereich des Frankfurter Bahnhofs eine Messerattacke, im Januar wurde ein Mann an einem Nürnberger U-Bahnhof zusammengeschlagen.

Vor etwa zwei Jahren hatte ein Amokläufer am S-Bahnhof Grafing bei München einen Menschen erstochen und drei verletzt. Auch in diesem Fall war der Täter nicht schuldfähig - das Landgericht München entschied im vergangenen August, dass er dauerhaft in der Psychiatrie untergebracht werden muss. Vor Gericht hatte der Beschuldigte seine Wahnvorstellungen geschildert und sich entschuldigt: Er habe gedacht, in Deutschland breche der Heilige Krieg aus, das Land werde von Islamisten überrannt.

Für den Prozess um die Schüsse von Unterföhring sind laut Gericht zunächst acht Verhandlungstage angesetzt; er beginnt im Gerichtssaal in der Justizvollzuganstalt Stadelheim.