Alle jubeln. Bei so viel Lametta und knallenden Sektkorken um die große Koalition muss man geradezu ein Haar in der Suppe suchen. Fündig wird man bei Sigmar Gabriel. Der Superminister neben Merkel hat seine Karriere taktisch denkbar dämlich eingefädelt. 2009 sorgte er als Umweltminister unter Merkel für das Glühbirnenverbot der EU. Schade! Dabei hätte man jetzt, statt die Birnen zu verbannen, eine Leuchtmittelsteuer einführen können. Energiewende und so.Die große Koalition hat mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen, dass die Wirtschaft wächst und folglich keine Steuern niemals nicht erhöht werden müssen. Das ist taktisch wiederum nicht so unklug, denn man muss ja keine Steuern erhöhen, wenn man den Bürger schröpfen will. Man braucht stattdessen nur ein paar neue einzuführen. Steuern, nicht Bürger. Ein Hirngespinst? Ja, auf keinen Fall, zumindest was die Leuchtmittelsteuer betrifft. Die gab es nämlich schon mal, 1909 wurde sie erfunden (weil der Staat merkte, dass sich mit der mittelalterlichen Kerzenwachssteuer nicht mehr viel Reibach machen ließ) und bereits 1993 wieder abgeschafft. Damals sah sich der deutsche Fiskus auf Druck der gerne gescholtenen EU tatsächlich einmal (und seither nie wieder) genötigt, das Abgabendickicht auszulichten.Viel übersichtlicher ist das Arsenal der Finanz- und Zollbeamten aber nicht geworden. In jeder Quizsendung könnte man allwissende Kandidaten mit der Frage aufs Glatteis führen, welche der folgenden Steuern es in Deutschland nicht gibt und auch nie gegeben hat: Kaffeesteuer, Teesteuer, Zuckersteuer, Speiseeissteuer, Lustbarkeitssteuer, Spielkartensteuer, Zündwarensteuer, Fahrradsteuer, Biersteuer, Schaumweinsteuer? 620.000.000.000 Euro Alles falsch. All diese Steuern gibt oder gab es, und es ist nur eine kleine Auswahl aus der Liste, die in der Summe ein Steueraufkommen von 620 Milliarden Euro im Jahr ergibt: 7500 Euro pro Kopf. 1950 startete die Bundesrepublik mit 1000 Euro pro Bürger (umgerechnet und inflationsbereinigt) ins Wirtschaftswundersteuerschlaraffenland.Nun muss man der Gerechtigkeit halber sagen, dass es weder die Bundesrepublik noch eine der großen Koalitionen waren, die die Steuern erfunden haben. Steuern gibt es, seit die Menschen sich staatlich organisieren. Je besser der Staat, desto ausgefeilter sein Steuersystem. Deutschland ist ein perfekter Staat. Das Sprichwort, wonach Geld nicht stinkt, stammt aus dem römischen Steuerrecht und bezog sich auf die damals erhobene Urinsteuer. Der Harn war ein begehrter Rohstoff für die Gerbereien ... Diese Steuer hat man schon abgeschafft, aber stinken tut das Geld immer noch nicht. Dass nicht nur unser Rechts-, sondern auch das Steuersystem römische Züge trägt, ist einem Naturgesetz zu verdanken: Staatliche Abgaben, erst einmal installiert, widerstehen mit phänomenaler Hartnäckigkeit jedem Versuch, ihren Sinn zu hinterfragen. Dabei heißt das deutsche Wort Steuern in seiner ursprünglichen Bedeutung einst Stütze oder Beihilfe - etwas, was der Staat gibt. Kein Anspruch auf Gegenleistung "Steuern" im heutigen Sinn nannte man früher Zoll oder Zehnt ... immer gemäß der Definition: Die Zahlung von Steuern begründet keinen Anspruch auf Gegenleistung, was man sehr schön an der Hundesteuer sieht: Man zahlt für den Hund, muss ihn aber selber Gassi führen.Historiker vermuten, dass der Versuch römischer Beamter, eine Steuer auf Met in Germanien einzuführen, ein Auslöser für die Schlacht im Teutoburger Wald war. Sie geht in die Geschichte ein als das letzte Aufbegehren des deutschen Steuerzahlers gegen den Griff in seinen Geldsack. Der Erfolg hielt sich in Grenzen: Die Römer wurden aus dem Land geprügelt, ihre Steuern sind geblieben.Aber jetzt: Die große Koalition hat es in der Hand. Es will ja keiner, dass die Einkommensteuererklärung auf einen Bierfilz passt. Aber wenn schon die Pkw-Maut kommt, nichts anderes als eine Straßenbenutzungssteuer, könnte die GroKo doch im Gegenzug mal eine andere Steuer abschaffen, eine klitzekleine wenigstens. Glühbirne hatten wir schon, wie wär's, passend zu den Festtagen, mit der Schaumweinsteuer? Die hat der Reichstag 1902 eingeführt, um die kaiserliche Flotte zu finanzieren. Kaiser und Flotte sind perdu, der Reichstag steht noch - das kann aber kein Grund sein. Also weg damit (mit der Steuer, nicht mit dem Reichstag) und dann die Korken knallen lassen! Kommentar: Wenn alles normal läuft ... Er wurde zwar nicht zum "Satz des Jahres" gekürt, hätte e es aber verdient: Auf die Frage, ob sie Steuererhöhungen, wie versprochen, für die kommenden vier Jahre ausschließe, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Ja, wenn alles normal läuft." Das beruhigt.Es sei denn, man erinnert sich an die große Koalition von 2005. Im Wahlkampf damals wetterte die SPD gegen die "Merkelsteuer", die von der Union geforderte Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent. Mit der SPD werde es keine Steuererhöhungen geben.Der SPD-Finanzminister der GroKo '05, Peer Steinbrück, durfte wenig später verkünden, wie ein mühsam ausgehandelter Kompromiss zwischen null und zwei aussieht: drei Prozent. Die Mehrwertsteuer stieg auf 19 Prozent.Nun darf man die GroKo '13 nicht an ihrem Vorgänger und Politiker nicht an ihren Wahlversprechen messen (Franz Müntefering, SPD, 2006). Aber beim Gedanken, was schon passiert, wenn alles normal läuft, klingt Merkels Satz des Jahres dann doch irgendwie gar nicht mehr beruhigend.