Eizellen einfrieren, weil die Betreffende gerade keinen passenden Partner hat oder erst noch Karriere machen will? Vor zehn Jahren hätten Chefarzt Matthias Beckmann und Reproduktionsmediziner Ralf Dittrich von der Erlanger Uni-Frauenklinik solche Anfragen abgelehnt, weil die "Kryokonservierung" für Krebspatientinnen bestimmt war. Heute ist die Methode nicht nur technisch standardisiert, für die Mediziner ist das Einfrieren von Eizellen ohne medizinische Indikation - "Social Freezing" - auch ethisch keine Frage: "Wir können es den Frauen nicht verwehren, den Zeitpunkt einer Schwangerschaft selbst zu bestimmen." Über dieses Thema ist eine heftige Diskussion entbrannt, seit ein Angebot der US-Unternehmen Facebook und Apple bekannt wurde: Sie bezahlen ihren Mitarbeiterinnen genauso wie einen Dienstwagen das Einfrieren von Eizellen, damit sich die Frauen auf ihren Beruf konzentrieren und das Kinderkriegen hinausschieben können. Diese potenzielle Massenkonservierung bringt völlig neue Dimensionen in einen der natürlichsten Vorgänge der menschlichen Natur und provoziert einen Aufschrei quer durch die Gesellschaft. Seit Wochen geistert das Thema durch alle Medien, Kirchen melden ihre Bedenken an, der Deutsche Ethikrat fordert eine kritische Aufklärung, um übersteigerte Hoffnungen in eine "Fruchtbarkeits-Versicherung" durch das Einfrieren von Eizellen zu vermeiden.Entwickelt wurde die Methode ursprünglich, um Krebspatientinnen vor einer Chemo- oder Strahlentherapie prophylaktisch Eizellen zu entnehmen, diese einzufrieren und damit den Betroffenen später mit In-Vitro-Fertilisation eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Seit der Einführung einer ultraschnellen Methode der Kryokonservierung (Vitrifikation) wurde das Verfahren technisch sicher und für einen breiteren Kreis interessant. Lukratives Geschäft In Bayern wird das Verfahren in den Unikliniken in Erlangen, Würzburg und München durchgeführt, außerdem im Zentrum für Reproduktionsmedizin München und im Kinderwunschzentrum Regensburg. Auch die Erlanger Samenbank möchte die Kryokonservierung etablieren und plant zurzeit die Einrichtung einer Eizellbank. Es ist ein lukratives Geschäft für die Anbieter und ein teures Vergnügen für die Patientinnen: Da es von den Krankenkassen für die medizinisch nicht notwendige Behandlung kein Geld gibt, müssen interessierte Frauen die Rechnung komplett privat bezahlen.In Erlangen wären das: 3000 Euro für die hormonelle Stimulierung zur maximalen Ausbeute der Eizellenproduktion, 1500 für die mikrochirurgische Entnahme der Zellen und 200 Euro pro Jahr für die Lagerung. Entscheidend für die Erfolgsaussichten der Kryokonservierung ist neben der Eizellzahl das Alter der Frau zum Zeitpunkt der Entnahme. "Je jünger eine Frau ist, desto besser", sagen die Erlanger Professoren Beckmann und Dittrich. Am besten wäre es, die Patientin käme mit 25 Jahren - übrigens der ideale Zeitpunkt für eine natürliche Schwangerschaft. Aber: "Viele Frauen sind kurz vor 40 und wollen die letzte Chance nutzen, überhaupt Eizellen einfrieren zu können", sagt Dittrich. "Je älter jedoch eine Frau ist, desto schwieriger wird es, genügend Eizellen zu gewinnen." Berichte über Risiken wie Bauchschmerzen, Übelkeit und ein erhöhtes Thromboserisiko durch die operative Entnahme der Eizellen wiegelt der Reproduktionsmediziner ab. "Ja, es ist ein Eingriff", sagt er, "aber die Gefahr, einen Autounfall auf der Fahrt in die Klinik zu erleiden und Schaden zu nehmen ist höher als durch die Punktion." Bis 50 ist der Uterus gut Wurden die Eizellen in jungen Jahren entnommen und mindestens 15 eingefroren, sei die Chance, mit diesen schwanger zu werden, genauso hoch wie bei regelmäßigem ungeschützten Geschlechtsverkehr bei einer jungen Frau. Schwanger werden geht dann auch noch mit 50, "bis zu diesem Alter ist der Uterus gut", sagt Dittrich. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte die Facebook- oder Apple-Mitarbeiterin ihre Karriere gemacht haben - und kann locker eine Mutterpause einlegen. Beckmann und Dittrich führend Social Freezing seit 2010 in der Uni-Frauenklinik durch und empfinden die Diskussion über ethische Grundsätze in diesem Zusammenhang in Deutschland "als Theater". Die US-Firmen seien innovativ und würden einfach nur versuchen, die weiblichen Spitzenkräfte voranzubringen. "Wenn Adidas das in Deutschland anbieten würde", sinniert Beckmann, "das würde eine Welle auslösen." Die Mediziner betrachten das Thema rein technisch. "Die Methoden wurden entwickelt und jetzt könnte man sie auch sozial nutzen." "Wir befriedigen den Bedarf" Social Freezing in einer Reihe mit Schönheitsoperationen oder Zahnimplantaten - Beckmann hat damit kein Problem. Eher damit, dass Frauen mitten auf dem Weg zur Karriere wegen einer Schwangerschaft aus dem Beruf rotieren. "Es ist einfacher, wenn sie schon in einer gehobenen Position sind." Und Dittrich stellt fest: "Die Frauen haben damit mehr Entscheidungsfreiheit als bisher." Seit Jahren wachse die Schwangerengruppe der 35- bis 40-Jährigen am stärksten. "Sie wollen geplant eine Schwangerschaft in ihrer Lebenslinie haben. Wir kreieren hier keinen Bedarf, wir befriedigen den Bedarf." Und falls die Betreffenden am Ende keinen Bedarf mehr haben - was passiert dann mit den eingefrorenen Zellen? "Nach jetziger Gesetzeslage kann man im Prinzip alles damit machen, da sie unbefruchtet und keine Embryonen sind", sagt Dittrich. Er hofft, dass der Gesetzgeber in diesem Fall die verbotene Eizellspende zulassen würde: "Das wäre perfekt für Patientinnen, die keine eigenen Eizellen mehr haben."Hier finden Sie die Ergebnisse unserer nicht-repräsentativen Umfrage.