Die Bundesregierung redet von einer Strompreisbremse - und tritt erst mal aufs Gaspedal. Während die meisten Stromanbieter 2014 nach Jahren des scheinbar unaufhaltsamen Preisanstiegs Ruhe verkünden, reifen in Berlin Pläne, die jeden Stromkunden treffen werden: Ein Jahresbeitrag von acht Euro pro Haushalt soll den Einbau intelligenter Stromzähler finanzieren helfen.Das amtliche Berlin reagiert elektrisiert: Sowohl im Wirtschafts- als auch im Umweltministerium verweist man jeden Gedanken an eine neue Zwangsabgabe für die Stromkunden ins Reich der Spekulation. Umweltminister Peter Altmaier (CDU) sieht sich höchstselbst zu einer barschen Klarstellung veranlasst: Es sei "unverantwortlich", die Bürger mit solcher Kaffeesatzleserei zu verunsichern, polterte der Minister barsch nach einem Bericht im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Derlei Pläne gebe es schlichtweg gar nicht, und überhaupt sei dies alles die Sache der neuen Bundesregierung. Man muss aber gar nicht im Kaffeesatz lesen, sondern eine 239 Seiten dicke Studie, die auch auf Altmaiers Schreibtisch liegen dürfte. Die Wirtschaftsprüfer Ernst & Young hatten 2013 vom Wirtschaftsministerium den Auftrag erhalten, den rechtlichen, finanziellen und technischen Rahmen für das "Smartmetering" genannte Projekt abzustecken. Kosten-Nutzen-Schere In der Studie steht, was Altmaier als Argument gebrauchte, um die neue Stromabgabe als Unfug zu bezeichnen: Die Einführung der teuren Geräte ist wirtschaftlich nicht darstellbar, weil ihre Kosten den Einspareffekt bei weitem übersteigen. Das heißt aber nicht, dass es das Smartmetering nicht geben wird. Daran führt kein Weg vorbei, und die Zeit drängt. Die Europäische Union schreibt vor, dass bis 2020 in allen Mitgliedsländern 80 Prozent der Verbrauchsstellen mit intelligenten Messsystemen ausgestattet sein müssen. Die Bundesrepublik hinkt den meisten EU-Ländern seit Jahren weit hinterher.In Franken setzen erst wenige Stromversorger die neue Technik ein, etwa das Stadtwerk im unterfränkischen Haßfurt oder Eon in Bad Staffelstein. Um den Wandel zu beschleunigen, hat die alte Bundesregierung geplant, was die mögliche neue Regierung rasch umsetzen will. Das liest sich im Koalitionsvertrag so: "Wir wollen bereits in 2014 verlässliche Rahmenbedingungen für den sicheren Einsatz von intelligenten Messsystemen ... auf den Weg bringen". Diese Rahmenbedingungen sind eine Art Mischfinanzierung, die Ernst und Young vorschlagen (die Studie liegt der Redaktion vor): Demnach kostet der Einbau von 38 Millionen neuen Stromzählern in Deutschland bis 2020 knapp neun Milliarden Euro. Während sich die Kosten für das Gerät (je nach System zwischen 51 und 78 Euro im Jahr) bei Großverbrauchern schnell amortisieren, weil entsprechend viel Strom gespart werden kann, bleibt der Klein-Kunde auf den Kosten sitzen: Die Wirtschaftsprüfer beziffern das Einsparpotenzial bei einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden im Jahr (normaler Haushalt) auf 20 bis 35 Euro. Ein Ausgleich ist nur möglich, wenn jeder Stromkunde sein Scherflein beiträgt, unabhängig davon, ob er die neue Technik nutzt: acht Euro pro Jahr, so der Vorschlag der Wirtschaftsprüfer. Dass diese Abgabe sehr schnell kommt, ist für Energieexperten keine Frage. Wie schnell es gelingen wird, die Stromtarife so zu ändern, dass das nächtliche Wäschewaschen sich tatsächlich im Geldbeutel auswirkt, ist dagegen wohl Kaffeesatzleserei.