Ugly Kid Joe-Sänger Whitfield Crane im Gespräch

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Whitfield Crane in der Nürnberger Rofa Foto: nat
Whitfield Crane in der Nürnberger Rofa Foto: nat

Whitfield Crane, der Sänger der amerikanischen Rock-Metal-Funk-Band Ugly Kid Joe, spricht über Raubkopierer, den Untergang der Musikindustrie und das Überleben als Rockmusiker.

Toad, der wuselige Tourmanager, hastet aus dem Bus, über den Parkplatz, hinein ins Wirrwarr der Gänge der Nürnberger Rockfabrik. Wo ist Whitfield Crane? Der Sänger von Ugly Kid Joe hat sich tief in die ehemalige Margarinefabrik zurückgezogen. "Es ist viel zu warm", ist das erste, was er sagt, als er um die Ecke biegt. Whit grinst. Cool, charmant, ganz kalifornischer Sunnyboy. Wenn auch etwas unausgeschlafen.

Anfang der 90er hatten Ugly Kid Joe (UKJ) ihre glorreiche Zeit: Hits wie "Everything About You" und "Cats in the Cradle" wurden rauf und runter gespielt, der Film "Wayne's World" machte sie noch populärer, die Band räumte Gold- und Platin-Schallplatten ab.

20 Jahre später tourt Ugly Kid Joe im Bus durch Europa. Um 5 Uhr früh kamen sie am Dienstag in Nürnberg an, spielten in der Nacht vor ein paar Hundert Leuten und fuhren gleich weiter nach Polen zu Europas größtem Open-Air mit 500.000 Besuchern.
Zwischendurch erzählt Whit, dass er dieses Leben liebt. Wir leben in diesem Bus. Reisen und irgendwo aufstehen. Wenn ich unter der Dusche stehe, denke ich: Gott! Ich liebe duschen!" Er lacht, rau und echt, beschreibt das unglaubliche Gefühl, dann rauszugehen und den Laden zu rocken. "Wenn du zum Singen geboren bist, dann solltest du singen", sagt der 44-Jährige.

Allheilmittel im Rock 'n' Roll - Zirkus: Schlaf und Wasser

Sport hat er immer gemacht, Snowboarden, Fußball, Football, heute auch Tennis und Lacrosse. "Wenn ich um die Welt reisen und Shows machen will, ist wichtig, gesund bleiben. Die anderen haben ihre Instrumente, ich muss meine eigne Maschine sein. Ich bin meine eigene Gitarre. Aber so lange ich genug Schlaf kriege, ist alles cool." Schlafen im Bus war bei der Hitze nicht drin, cool bleibt Whit trotzdem. "Schlaf und Wasser", sinniert er über die wichtigen Dinge. Kein Bier mehr. Er lacht über deutsche "Biermaschinen", wie er die Festivalbesucher nennt, spricht über alte Zeiten und das Experimentieren mit "was auch immer. Das ist ziemlich spaßig. Aber irgendwann ist's kein Spaß mehr. Für mich ist heute wichtig, nüchtern und gesund zu sein."

Überlebensstrategien eines Rockmusikers

"Ich will weiter Musik machen. Das tun zu können, ist ein Geschenk, ist Luxus." Und der echte Luxus, dasGeld, dass UKJ in den 90ern verdient haben? Wieder lacht er: "Nun ja, wir haben den Leuten um uns herum beim Ausgeben zugeschaut. Wir sind nicht reich." Whit hatte zwischendrin andere Bands. "Die standen auf der Rollbahn, bereit zum Fliegen. Aber abgehoben ist keine. Ich weiß, wie es ist, einen großen Erfolg zu haben, das zu genießen. Und ich weiß, wie es ist, das zu verlieren."

"Die Plattenindustrie ist tot"

Erfolge wie in den 90ern hält der Sänger heute nicht mehr für möglich. "Die Plattenindustrie ist tot", sagt er. Von ihren beiden bekanntesten Alben verkaufte UKJ sechs Millionen Exemplare. "Das sind scheißviele Leute, die da Musik kauften. Das ist vorbei. Die Computer haben das getötet. Heute ist eine Band schon Nummer 1 in den Albumcharts, wenn sie 60.000 Kopien verkauft." Whit sagt, für ihn sei das okay. "Veränderung ist okay. Ich verändere mich jeden Tag. Aber du musst dabei du selbst bleiben."

Anspielungen auf alles

Vor ein paar Monaten brachte die Band ihre neue Scheibe "Stairway to hell" raus, in alter UKJ-Manier ein Wortspiel, das auf Alben von AC/DC und Led Zeppelin anspielt. Die "alte Garde" sei eben die beste: Ozzy Osbourne, Rob Halford (Judas Priest) und der legendäre verstorbene AC/DC-Sänger Bon Scott (mit dem Whit sich immer gerne vergleichen lässt) beeinflussen UKJ. Dennoch hat sich beim neuen Album einiges verändert. Ein Lied hat Country-Elemente - und das gab's bei allem Stilmix vorher noch nie. Außerdem gab's die Musik zuerst als Download, dann als CD. Und wenn demnächst neue Tracks herauskommen, werden die auch zuerst online verkauft. "Es ist wichtig, die Chance einer Veränderung zu ergreifen - bevor sie dich greift", sagt Whit.

Toad lugt schon wieder um die Ecke und deutet auf seine Uhr, Whit schickt ihn mit einem "cool" davon. Unterwegs kümmert sich der Tourmanager um die Band, ansonsten macht sie heute alles selbst: "Wir machen die Musik, managen uns selbst, machen die Videos selber." Dafür haben sie ihr eigenes Plattenlabel UKJ Records gegründet. Das Logo ist ein Hund, der auf ein Grammofon pinkelt - wieder eine Anspielung: auf das Grammaofon-Logo von Radio Corporation of America (RCA), dem Konzern, zu dem unter anderem Sony Musik gehört.

Raubkopien werden überall auf der Welt diskutiert - nur die Strategien unterscheiden sich

Raubkopien seien überall auf der Welt unter Musikern ein Thema. "Ich hab' mit allen möglichen Typen darüber gesprochen", sagt Whit. "Die Leute sind wirklich angepisst: Sie machen ihre Musik, und dann klaust du es ." Verhindern kann er das sowieso nicht, deshalb hat Whit eine andere Strategie: "Ich liebe es, Musik zu machen. Ich möchte, dass du sie kaufst. Wenn das nicht geht, stiehl sie! Stiehl die Musik, dreh sie laut auf, foltere deine Eltern damit und dann komm zu unserer Show und kauf ein T-Shirt!"