Warum haben Asylbewerber Smartphones?

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Foto: Michael Kappeler dpa/lnw
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Viele Asylbewerber haben ein Smartphone - dieser Fakt wird gerne verwendet, um Neid und Missgunst zu schüren. Warum internetfähige Handys unter Asylbewerbern so verbreitet sind und warum dies kein Luxus ist, erklärt dieser Artikel.

In Diskussionen über die Aufnahme von Flüchtlingen und die Behandlung von Asylbewerbern kommen Kommentare immer wieder zum Thema "Smartphones" zurück. Menschen fragen sich, warum Flüchtlinge Smartphones besitzen, wo sie doch alles verloren haben und mittellos sind. Schnell wird Kritik laut, dass es den Menschen in den Asylbewerberheimen gar nicht so schlecht gehen könne. Doch tatsächlich handelt es sich nicht um Luxusartikel.



Wozu brauchen Flüchtlinge eigentlich ein Smartphone?

Die Antwort ist recht naheliegend: Die Asylbewerber wollen mit ihren Familienmitgliedern in Kontakt bleiben. Diese sind oft entweder noch in der Heimat oder sind auf der Flucht auf einem anderen Weg nach Europa gekommen. Handys sind ein wichtiger Anker, um Kontakt mit Verwandten und Freunden zu halten, vor allem, wenn man nicht weiß, wo diese letztendlich landen werden und somit weder Anschrift noch Festnetznummer parat haben kann.

Auch bei der Flucht ist ein Smartphone ein wichtiges Utensil. Das GPS-Modul hilft bei der Orientierung, auch Nachrichten müssen Flüchtlinge während ihrer Reise senden und empfangen können.


Woher haben Asylbewerber die Geräte - sind die nicht teuer?

Die meisten Flüchtlinge kommen bereits mit einem Handy nach Deutschland. Entgegen anderslautender Gerüchte bekommen sie hierzulande nicht reihenweise Smartphones geschenkt und verfügen auch nicht über die Mittel, sich hier neue Geräte zu kaufen.

In vielen Ländern Afrikas, und auch im Nahen Osten, sind Smartphones weit verbreitet und beileibe kein Luxusartikel. Viele Handy-Hersteller produzieren Smartphones in abgespeckten und dadurch günstigeren Varianten für Länder mit geringerer Wirtschaftskraft. Gerade chinesische Hersteller wie ZTE und Huawei stellen preiswerte Android-Smartphones für deutlich unter 100 Euro her.

Die Verbindungskosten müssen Asylbewerber selbst bezahlen - entgegen anderslautender Gerüchte bekommen sie da nichts geschenkt. Günstige Flatrates sind nicht möglich - ohne Pass kann man keinen Vertrag abschließen. Die Asylbewerber müssen daher auf teurere Prepaid-Modelle zurückgreifen und diese vom Taschengeld (140 Euro) bezahlen, das ihnen zusteht.



Warum haben so viele Asylbewerber bereits ein Handy?

In den Herkunftsländern vieler Asylbewerber sind Kommunikationsnetze in der Vergangenheit schlecht ausgebaut gewesen. Das Festnetz ist entweder niemals ausgebaut worden, ist veraltet oder wurde durch Konflikte in Mitleidenschaft gezogen.

In vielen Ländern wurde in den letzten Jahren bevorzugt am Mobilfunknetz gearbeitet. Häufig ist dies günstiger und auch einfach zeitgemäßer. Kaum jemand besitzt einen Festnetzanschluss, vieles wird über Handys geregelt. So werden neben Telefonaten auch Bankgeschäfte erledigt und auch Radio und Wörterbuch werden oft vom Smartphone ersetzt.

Die Geräte haben also in den Herkunftsländern vieler Flüchtlinge eine zentralere Bedeutung als für uns - die Menschen können schlicht Dinge erledigen, die uns selbstverständlich erscheinen und für uns durch bessere Infrastruktur anders möglich sind.

Smartphones sind keine Anzeichen von Dekadenz und Konsumsucht in den Händen gelangweilter Asylbewerber, sondern ein wichtiges Utensil - häufig der einzige Besitz, der Flüchtlingen geblieben ist.

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