Wo der Bär in Heppstädt steppt

7 Min
Stefan Kügel hat vor 26 Jahren im kleinen Ort Heppstädt (Gemeinde Adelsdorf im Aischgrund) das Theater Kuckucksheim gegründet. Er bietet eine Mischung aus Schau- und Puppenspiel, zum Beispiel "Momo" (Figur links). Foto: Matthias Hoch
Stefan Kügel hat vor 26 Jahren im kleinen Ort Heppstädt (Gemeinde Adelsdorf im Aischgrund) das Theater Kuckucksheim gegründet. Er bietet eine Mischung aus Schau- und Puppenspiel, zum Beispiel "Momo" (Figur links). Foto: Matthias Hoch
Auf dem Bärnhof ist die Atmosphäre locker, man duzt sich. Rainer Hansen hatte 150 Gäste und natürlich alle Reiter wie Petra (mit Pferd Sandy) zu seinem Polterabend eingeladen. Foto: Matthias Hoch
Auf dem Bärnhof ist die Atmosphäre locker, man duzt sich. Rainer Hansen hatte 150 Gäste und natürlich alle Reiter wie Petra (mit Pferd Sandy) zu seinem Polterabend eingeladen. Foto: Matthias Hoch
 
Rainer Hansen bereitet seinen Hof für die Hochzeit vor, da muss auch mal professionell gekehrt werden. Reiterin Petra führt ihren Sandy vorbei, sie will ausreiten. Foto: Matthias Hoch
Rainer Hansen bereitet seinen Hof für die Hochzeit vor, da muss auch mal professionell gekehrt werden. Reiterin Petra führt ihren Sandy vorbei, sie will ausreiten. Foto: Matthias Hoch
 
Dominique Pielhofer - mit Sohn Moritz - und Ernst Fischer genießen jede freie Minute auf dem idyllischen Campingplatz. Pielhofers Mutter Irene Schöberle kommt regelmäßig aus Ulm zu Besuch nach Heppstädt. Foto: Matthias Hoch
Dominique Pielhofer - mit Sohn Moritz - und Ernst Fischer genießen jede freie Minute auf dem idyllischen Campingplatz. Pielhofers Mutter Irene Schöberle kommt regelmäßig aus Ulm zu Besuch nach Heppstädt. Foto: Matthias Hoch
 
Dominique Pielhofer mit ihrem Sohn Moritz und Ernst Fischer grüßen vom Gartenzaun. Foto: Matthias Hoch
Dominique Pielhofer mit ihrem Sohn Moritz und Ernst Fischer grüßen vom Gartenzaun. Foto: Matthias Hoch
 
Josef Mauer und Anna Mönius treffen sich gern an der Bushaltestelle am Adelsdorfer Marktplatz auf einen Plausch. Foto: Matthias Hoch
Josef Mauer und Anna Mönius treffen sich gern an der Bushaltestelle am Adelsdorfer Marktplatz auf einen Plausch. Foto: Matthias Hoch
 
Josef Mauer und Anna Mönius im Gespräch mit FT-Redakteurin Irmtraud Fenn-Nebel. Foto: Matthias Hoch
Josef Mauer und Anna Mönius im Gespräch mit FT-Redakteurin Irmtraud Fenn-Nebel. Foto: Matthias Hoch
 
Stefan Kügel, Leiter des Theaters Kuckucksheim, mit "Momo" vor dem Bühnenbild der gleichnamigen Produktion. Foto: Matthias Hoch
Stefan Kügel, Leiter des Theaters Kuckucksheim, mit "Momo" vor dem Bühnenbild der gleichnamigen Produktion. Foto: Matthias Hoch
 
Stefan Kügel, Leiter des Theaters Kuckucksheim, am Brunnen in seinem Garten, wo im Juni und Juli Freilichtaufführungen stattfinden. Foto: Matthias Hoch
Stefan Kügel, Leiter des Theaters Kuckucksheim, am Brunnen in seinem Garten, wo im Juni und Juli Freilichtaufführungen stattfinden. Foto: Matthias Hoch
 
Theaterleiter Stefan Kügel war in der Laube seines Gartens spontan zu einem Gespräch mit dem Überraschungsbesuch des Fränkischen Tags bereit. Foto: Matthias Hoch
Theaterleiter Stefan Kügel war in der Laube seines Gartens spontan zu einem Gespräch mit dem Überraschungsbesuch des Fränkischen Tags bereit. Foto: Matthias Hoch
 

Der kleine Ort Heppstädt hat vieles zu bieten: Ein eigenes Theater, einen Pferdehof und sogar einen Campingplatz.

Irgendwo in der Pampa ist mein Pfeil gelandet - im Wald zwischen Heppstädt und Neuhaus. Wie schön es dort ist, werde ich aber erst zum Schluss meiner Tour sehen: Weil an diesem schwülwarmen Vormittag unter der Woche im dichten Fichtendickicht nix los sein dürfte, steuern wir erst einmal das nahe gelegene Heppstädt an. Dachten wir zumindest. Gelandet sind Fotograf Matthias Hoch und ich woanders.


Erstmal falsch gelandet

Nach der Zieleingabe ins Navigationsgerät fahren wir los. Bei der Ankunft Verwunderung: So ein großer Ort? Mit einem belebten Marktplatz und Geschäften drumherum, sogar ein Bed&Breakfast und ein Tätowierstudio gibt es? An der Bushaltestelle sitzen zwei ältere Herrschaften und blinzeln in die Vormittagssonne.
Josef Mauer (80) und Anna Mönius (88) sollen die ersten Gesprächspartner dieser Tour sein und entpuppen sich schnell als echte Ureinwohner - von Adelsdorf.

Dorthin hat uns also das Navi gelotst, ohne dass wir es bei der Ankunft auf dem Ortsschild registriert hätten! Ist ja witzig. Deshalb herrscht hier ein so reges Treiben und ist der Platz vor dem Café morgens um halb zehn schon belebt: Adelsdorf im schönen Aischgrund, bekannt als Ferienregion und Karpfenland, ist Hauptort der gleichnamigen Gemeinde mit neun Ortsteilen. Josef Mauer deutet hinüber zum Café: "Ich trinke dort jeden Tag meinen Kaffee und lese den Fränkischen Tag." Das hört man natürlich gerne. Auch Anna Mönius kommt allmorgendlich ins Café und kauft eine Zeitung.

Die beiden verbindet so einiges miteinander: Sie sind in Adelsdorf geboren, aufgewachsen und haben ihr ganzes Leben im Dorf verbracht, beide sind schon lange verwitwet. Außerdem ist Mauer mit der Frau von Mönius' verstorbenem Bruder liiert. "25 Jahre lang waren wir gemeinsam auf Tanz in Hausen und Schwabthal", erzählt er. "Und dann haben ihre sechs Kinder sie ins Altenheim gesteckt." Mauer winkt ab, er findet das nicht gut. Trotzdem besucht er natürlich seine Freundin, jeden Tag fährt er zu ihr mit dem Bus nach Höchstadt.


Wachsende Gemeinde

Die Anbindung ist gut, immerhin zählt die Gemeinde über 7400 Einwohner. In den Kindertagen von Mauer und Mönius waren es 2000. "Wir haben einige Neubaugebiete", erzählen die beiden Senioren. Dort wohnen viele Menschen, die zu Siemens oder Schaeffler pendeln. Aber auch am Ort gibt es einen wichtigen Arbeitgeber: Den Bonbonhersteller Soldan.

Weitere "Alteingesessene" sind die für die Gegend so typischen Störche. "Die waren schon immer da", berichten Mauer und Mönius. Ihr Nest hatten sie erst auf dem Dach des Schlosses, jetzt sind sie droben auf der Bäckerei beheimatet. Ihre zwei Jungen kann man - moderne Zeiten! - über die "Storchencam" im Internet beobachten.

Dann verabschiedet sich Anna Mönius, sie muss zum Friedhof, und auch Mauer will weiter. Vorher erklären sie uns noch, wie wir nach Heppstädt kommen. Diesmal finden wir den Weg direkt und landen - in einem winzigen Dörfchen, 1172 erstmals urkundlich erwähnt und 1971 nach Adelsdorf eingemeindet. Oweh, was soll an diesem Werktag hier geboten, wer unterwegs sein? Wir werden unser blaues Wunder erleben - in Heppstädt steppt nämlich echt der Bär. Man könnte auch sagen: Die Pferde, die Camper und die Puppen.


Bräutigam in Aktion

Wir folgen dem Schild "Bärnhof" und stellen dort das Auto ab. Ein Traktor fährt vorbei, ein junger Mann in Arbeitskleidung linst aus der Tür eines Gebäudes. "Kann ich Ihnen helfen?" fragt er. Klar kann er! Nachdem wir uns vorgestellt haben, sagt er: "Ich kann euch einiges erzählen, wir waren schon häufiger in der Presse." Rainer Hansen erzählt erstmal, dass er gerade den Hof für seinen Polterabend am Wochenende herrichtet. Er wird heiraten und wir haben ihn mitten in den Vorbereitungen angetroffen. Da gratulieren wir natürlich und wünschen dem jungen Paar alles Gute!

Der Bräutigam managt mit seinem Bruder Joachim den Bärnhof, der eine Unterstellmöglichkeit für 30 Pferde in drei Gruppen - "das ist einfacher als Boxenhaltung" - bietet. Vater Werner hatte ihn 1990 im Nebenerwerb eröffnet, 2004 wurden Reithalle und Stall gebaut. Jetzt ist der Vater im Ruhestand und kümmert sich nur noch um seine Karpfenweiher. Er war es also, den wir vorhin auf dem Traktor gesehen haben. "Er ist zum Fische füttern gefahren", sagt Rainer.

Er und sein Bruder arbeiten bei Siemens in der Medizintechnik, "in der Industrie verdient man mehr Geld." Diesen Sommer hat Rainer viel Zeit für den Hof, weil er bis Ende August Überstunden abfeiert und Urlaub genommen hat. Sein Teilzeitjob ermöglicht ihm das Engagement auf dem Hof. Er arbeitet, erzählt er, Projekte ab; zurzeit prüft er Software für Computertomographen.


Reiner Familienbetrieb

Zwar gibt es keinen klassischen Schulbetrieb, aber zu tun ist genug. "Wir machen alles selbst und bewirtschaften 23 Hektar", erzählt Rainer. Die Mutter organisiert das Büro, die Brüder kümmern sich ums Füttern und Ausmisten. "Bloß reiten und putzen müssen die Leute schon selbst", sagt Rainer und lacht. Prompt kommt im selben Moment Petra mit Sandy des Wegs - sie will ausreiten, bleibt für einen Plausch stehen und lässt sich vorher noch fotografieren. Die Atmosphäre auf dem Hof ist locker, "wir duzen uns alle", erzählt Rainer und lächelt. "Im Laufe der Zeit kriegt man eine gewisse Menschenkenntnis, wer auf den Bärnhof passt und wer nicht."

Stolz führt er uns dann noch ins Haus, das außer Sanitäranlagen für die Reiter im ersten Stock das Reiterstübchen mit Blick in die Reithalle beheimatet. Dort hängt Opas Urkunde an der Wand: Willy Hansen war Sattlermeister. Die Sache mit den Pferden hat in der Familie wirklich eine lange Tradition. Rainer erzählt, er selbst reite aus Respekt und Zeitmangel nicht. Wohl aber seine künftige Frau, die er übrigens beim Linedance in Erlangen kennengelernt hat. Dieses Hobby haben sie kurzerhand zu sich auf den Hof verlegt: Im Hinterzimmer des Reiter-stübchens wird alle zwei Wochen geübt.

Ein Luftbild an der Wand im Bärnhof bringt uns zum nächsten Ziel: Gibt es tatsächlich einen Campingplatz in Heppstädt? "Gibt es", sagt Rainer und zeigt uns den Weg. Nicht ohne uns vorher zu gestehen: "Als ich euch vorhin gesehen habe, dachte ich, ihr seid vielleicht von der Landwirtschaftskontrolle. Die hätte ich jetzt nicht brauchen können, wo ich doch die Hochzeit vorbereiten muss." Wir lachen und bekommen im Gehen noch eine Einladung hinterher gerufen - wir dürften, wenn wir wollten, zum Polterabend kommen.


Camping in der Idylle

Jetzt aber erstmal die Straße runter, rechts und schon stehen wir - vor verschlossenen Türen. Hinter der Hecke brummt ein Rasenmäher. "Hallo!?" Die junge Frau stellt das Gerät ab, hört sich unser Anliegen an und öffnet uns das Tor. Dominique Pielhofer ist die Schriftführerin im Campingclub Erlanger Land und erklärt: Den Verein gibt es seit 62 Jahren, das Gelände in Heppstädt hat er seit fast 40 Jahren gepachtet.

Zwei Herren kommen des Wegs, neugierig, mit wem Pielhofer da plaudert. Horst Hubert ist seit 1978 Vorsitzender und sagt stolz: "Wir haben hier alles selbst gebaut, auch unser Haus mit Sanitäranlagen und Sportraum. Nur das Dach haben wir nicht selbst gedeckt." Mittlerweile sei der Club etwas überaltert, die meisten "Bewohner" seien über 65. "Aber selbst unsere acht Witwen campen eisern", berichtet Hubert und schmunzelt. So wie er: Als Rentner habe er viel Zeit und sei fast das ganze Jahr über am Platz. Nur nicht im August. "Da fahre ich in Urlaub und zwar ohne Wohnwagen", sagt er und dreht ab. Mehr Zeit zum Plaudern hat er nämlich nicht, er muss ins Haus und das W-Lan richten.

Also übernehmen Zweiter Vorsitzender Ernst Fischer und Dominique Pielhofer eine kleine Führung über die parkähnliche und sehr gepflegte Anlage. 52 Stellplätze mit Wohnwagen in Reih' und Glied gibt es, mit Gärtchen und Zäunchen. "Den Rasen muss man alle zwei Wochen mähen, dann ist es weniger Arbeit", sagen die Profis. Die Freidusche wurde gerade erneuert, nach 30 Jahren sei das mal nötig gewesen. Am Waldrand haben sie - natürlich in Eigenregie - ein Festzelt gebaut, mit festem Boden, damit man es bei jedem Wetter nutzen kann. Von der Decke baumeln hunderte von Wimpeln, die Vereinsmitglieder von früheren "Wohnwagen-Rallyes" mitgebracht haben. Schließlich wäre da noch der "Marktplatz", wo man sich gern auf ein Abendbier zusammensetzt. Das klingt nach ganz schön viel Nähe! Gibt es da nie Streit? "Nein", sagt Fischer, "wir haben pro Platz 100 bis 110 Quadratmeter, das reicht, um sich zurückziehen zu können."


Kein offizieller Betrieb

All das dürfen nur Vereinsmitglieder nutzen, einen offiziellen Campingbetrieb untersagen die Statuten. "Wir dürfen kein Geschäft draus machen", berichten die Vorstandsmitglieder. "Wir leben von den Stellplatzgebühren." Die betragen 290 Euro im Jahr plus Strom. Wasser kostet nichts, duschen kann man im Haus für 1 Euro. "Verirrte Wohnmobilisten oder Radfahrer nehmen wir aber schon für ein, zwei Nächte auf", schränken Fischer und Pielhofer ein. Sie verbringen wie alle anderen eingefleischten Camper des Vereins jede frei Minute - und aktuell ihren Urlaub - auf ihrem Heppstädter Platz und schwärmen: "Das ist Naherholung pur, man kann Radfahren, Wandern, in den umliegenden Orten einkaufen. Und erst die Bierkeller!"


Und jetzt auch noch Theater!

Auf dem Weg zurück zum Auto kommen wir an einem blauen Zaun vorbei, durch den man eine Tribüne sieht: Das muss das Theater Kuckucksheim sein, von dem unser Kulturredakteur Rudolf Görtler erzählt hatte. Wir treten näher und treffen Theaterleiter Stefan Kügel in seiner Laube an. Bei ihm sitzt, welch' Zufall, der fränkische Mundartdichter Helmut Haberkamm. Die beiden machen gleich ein bisschen Werbung: "Wir planen gerade unser sechstes gemeinsames Stück." Premiere habe es im Mai 2017 beim Figurentheaterfestival in Erlangen.

Kügel dreht sich eine Zigarette und erzählt, dass er vor 30 Jahren aus dem oberfränkischen Burgebrach nach Heppstädt gezogen sei. Sein Theater habe er vor 26 Jahren gegründet, 2015 wurde das 25. Jubiläum groß gefeiert. Längst könne er seine Familie vom Theaterbetrieb ernähren, auch, weil seine Söhne mithelfen. "Das Besondere bei uns ist die Mischung aus Schauspiel, Puppenspiel und viel Musik. Und wir wollen zeigen, dass anspruchsvolle Stücke in Mundart funktionieren." Da kann es dann schon mal Shakespeares Sommernachtstraum in Haberkamms Übersetzung auf fränkisch sein!

Aber auch sonst würden alle Kompositionen und Texte selbst verfasst, "das schafft eine hohe Identifikation beim Publikum", sagt Kügel. Der Erfolg gibt seinem Theater, das auch gebucht werden und auf Wanderschaft gehen kann, Recht: "Wir sind meistens ausverkauft." Das Programm für Erwachsene und Kinder ziehe ein breites Publikum aus Stadt und Land an. Das freut den Theaterleiter besonders. "Kultur soll nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land stattfinden. Jetzt kommen die Städter raus zu uns, aber die Landbevölkerung kommt auch."

Gespielt wird auf der festen Bühne im Haus, im Sommer gibt es Freilichttheater im Garten. Apropos Garten ist gleich Natur ist gleich Wald - da fällt mir mein Pfeil wieder ein! Also nix wie ab in den Wald und prompt festgestellt: Direkt an den Punkt komme ich nicht, dafür stehen die Bäume zu dicht. Los ist, wie gedacht, auch nix. Aber: Wie sich die Sonnenstrahlen durch die Wipfel schlängeln! Diese Ruhe! Und der Duft des Waldbodens! Ein herrlicher Abschluss für einen spannenden Ausflug.

Im sechsten Teil unserer Sommerserie lesen Sie am Donnerstag, was Natalie Schalk bei Gnötzheim im Landkreis Kitzingen erlebt hat.