Zensus: Daten, die kaum einer gebrauchen kann

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Die Zahlen des Zensus 2011 sind unzuverlässig. Zumindest in Nürnberg und Fürth. Planende Behörden können damit nicht vernünftig arbeiten. Durch statistische Fehler "verschwanden" tausende Einwohner.

Nach dreieinhalb Jahren geht Wolf Schäfer, Chefstatistiker der Stadt Nürnberg, in die Offensive. Solange brauchte es, bis nach dem Zensus des Jahres 2011 seinem Amt Einzelergebnisse für seine Stadt vorlagen. Zahlenmaterial also, das als Grundlage für die weiteren Planungen der Verwaltung dienen soll. Immer wieder sei er nach den Zensus-Ergebnissen befragt worden. Mit den jetzt vorliegenden Daten zu planen und zu arbeiten hält Schäfer allerdings für nicht angebracht. Weil seine Versuche, die Zensuszahlen auszuwerten und für planende Behörden nutzbar zu machen, kläglich scheiterten. Auch seine Stellvertreterin Barbara Lux-Henseler, eine anerkannte Bevölkerungsstatistikerin, konnte nicht mehr weiterhelfen. Weil es für viele Zensusergebnisse schlicht keine nachvollziehbare Erklärung gab.

Aber der Reihe nach: Zwei Jahre nach dem Zensus stellten die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder erste Ergebnisse vor. Da ging es vor allem um die Einwohnerzahl der Städte. Nürnberg hatte auf einmal 20.000 Einwohner weniger. Mit weniger hatte man gerechnet, aber nicht in dieser Höhe. Der Unterschied zum Melderegister war erheblich.

Der Grund: In größeren Städten wurden auf der Basis der Zahlen der Melderegister nur Stichproben durchgeführt und die Ergebnisse dieser Proben dann hochgerechnet. Es kam zu "tollen" Ergebnissen, wie jetzt vorliegende Einzelergebnisse der Altersgruppen in Nürnberg belegen. So fanden sich in der Altersgruppe der sechs bis 18-Jährigen 1800 Frauen als Karteileichen, aber keine einzige männliche Karteileiche. In der Gruppe der 50 bis 60-Jährigen waren es 2166 Männer, die angeblich nur in städtischen Schubladen existierten. Woher diese Zahlen? Schulterzucken bei den Experten. Keine Ahnung. Beim Vergleich der Zensusergebnisse mit dem Melderegister kam noch anderes zutage.

Die Zahlen für schulpflichtige Kinder zwischen sechs und 15 Jahren differierte um 780 Schüler. Da fehlten mit einem Mal 30 Klassen oder eine komplette Schule. Warum? Achselzucken. Schäfers Konsequenz: Die Stadt Nürnberg arbeitet mit ihrem eigenen Melderegister weiter. Das sei wesentlich besser und verlässlicher. Zusammen mit anderen bayerischen Städten klagt jetzt auch die Frankenmetropole gegen den Zensus. Das Weniger an Bevölkerung bringt schließlich auch ein Weniger an Schlüsselzuweisungen. Da geht es um Millionen. Ob die Klage Erfolg hat, steht dahin.

Die Stadt Bremerhaven, die nach dem Zensus ihren Großstadt-Status verloren hatte, klagte vergeblich. Das zuständige Verwaltungsgericht Bremen ließ die Stadtoberen wissen, sie hätten schlicht keinen Anspruch darauf, mit ihrer tatsächlichen Einwohnerzahl zu arbeiten. Schließlich sei das Zensus-Verfahren korrekt abgewickelt worden. Und das falsche Ergebnis? Uninteressant.