Als der ehemalige US-Präsident Donald Trump 2019 versuchte, Dänemark Grönland abzukaufen, hielten das die meisten Menschen für einen schlechten Scherz oder eine irre Idee des amerikanischen Skandal-Präsidenten. Beides ist sicher nicht von der Hand zu weisen - und doch steckt hinter dem absurden Angebot auch ein handfester Konflikt. Es gibt sogar gute Gründe anzunehmen, dass der Konflikt um die Arktis einer der wichtigsten geostrategischen Konflikte der nächsten Jahre und Jahrzehnte werden wird - und von ihm eine handfeste Kriegsgefahr ausgehen könnte.

"Die Nato muss ihre Präsenz in der Arktis erhöhen", sagte auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg der Welt am Sonntag. Dies sei eine Reaktion auf die zunehmenden militärischen Aktivitäten Russlands in der Region um den Nordpol. Moskau sei dabei, Stützpunkte aus Sowjetzeiten wieder zu öffnen und dort neue hochmoderne Waffen wie Hyperschallraketen zu stationieren. Auch China interessiere sich zunehmend für die Arktis. Doch wie real ist die Gefahr eines "heißen" Konflikts? Fünf Gründe, warum der Konflikt um den Nordpol eskalieren könnte.

1. Die große Unbekannte: Die Arktis ist weniger bekannt als der Mond

Kaum eine Region der Welt ist so unbekannt, wie das Gebiet rund um den Nordpol. Nur fünf Prozent der Arktis soll überhaupt kartografiert worden sein. Ein US-Admiral soll sogar darauf hingewiesen haben, dass man genauere Karten von Mond und Mars habe, als vom Nordpolarmeer. Tatsächlich ist wenig bekannt über das Gebiet im hohen Norden. Zu unwirtlich die Region, zu schwer zugänglich und gefährlich. 

Doch genau das ist es, was die Arktis für viele Menschen so spannend macht. Nicht nur für Wissenschaftler*innen, sondern auch und vor allem für Unternehmen und politische Akteure. Doch wo verschiedene Akteure bei der Suche nach Geschäften und Gewinnen aufeinandertreffen, droht Konflikt. Im besten Fall diplomatischer, im schlimmsten Fall ein bewaffneter Konflikt.

2. Die Arktis als das letzte "El Dorado" der Erde

Die Ressourcen sind endlich. Diese bittere Wahrheit wird uns immer mehr vor Augen geführt. Umso wichtiger also, auch noch die letzten Ressourcen zu erschließen. Welche Schätze alle unter dem nicht mehr ganz so ewigen Eis in der Polarregion liegen, ist zwar noch nicht klar. Sicher ist aber schon jetzt: Die Vorkommen sind immens. Ein Großteil der russischen Erdgasreserven soll in der Region liegen. Erdöl, Kohle, Metalle - die wichtigsten Voraussetzungen unserer globalisierten und digitalisierten Welt sollen alle am Meeresboden rund um den Nordpol zu finden sein. 

Doch egal, wann und wo in der Menschheitsgeschichte wertvolle Ressourcen in großen Mengen entdeckt wurden: Es folgte immer Konflikt und Gewalt. Es spricht wenig dafür, dass es in der Arktis anders laufen könnte.

3. "Mein Schatz": Unklare Rechtslage am Nordpol

Denn damit der Streit um Ressourcen nicht in Konflikte oder sogar Krieg mündet, muss es klare und international anerkannte Regeln, Gesetze und Schiedsgerichte geben. Doch genau dies fehlt in der Arktis vielerorts. Wie weit reichen die Wirtschaftsregionen der Anrainerstaaten wie Russland, Kanada oder den skandinavischen Ländern in das Polarmeer? Wer hat Anspruch auf die Ressourcen auf offener See? 

Im Arktischen Rat, in dem neben Russland die sieben weiteren Anrainerstaaten USA, Kanada, Dänemark, Norwegen, Island, Finnland und Schweden sitzen, hat derzeit Russland den Vorsitz. Doch alle anderen sieben Staaten haben ihre Kooperationen derzeit ausgesetzt. Man spricht derzeit nicht miteinander - auch nicht über die Lage in der Arktis. Dies ist angesichts des Kriegs in der Ukraine verständlich - für die Lage am Nordpol aber gefährlich.

4. "Neue Seidenstraße": Klimawandel schafft neue Handelswege

Immense Ressourcen, unklare Rechtslage und streitende Anrainer - da stellt sich die Frage, warum es bisher so ruhig in der Arktis ist. Die Antwort: Bisher sind die Bedingungen vor Ort so widrig, dass die internationale Bedeutung der Region noch gering ist. Doch das ändert sich gerade dank des Klimawandels. In etwa 20 Jahren, so die Schätzung, könnte das arktische Meer komplett eisfrei sein.

In den 1930er Jahren gelang es erstmals, nördlich von Russland ohne Überwinterung von Atlantik gen Pazifik zu fahren. Auch heute noch ist die Fahrt schwierig und gefährlich. Doch in wenigen Jahren sollen ähnlich viele Schiffe die Nordostpassage nutzen, wie den Suez-Kanal. Die Route würde den Transport von Asien nach Europa massiv beschleunigen und vereinfachen - kein Wunder also, dass ausgerechnet China ein großes Interesse an der Region hat. 

Und natürlich ist auch die Ausbeutung der Ressourcenschätze der Arktis deutlich einfacher und lukrativer, wenn keine Eismassen das Meer bedecken oder Schifffahrt und Förderungstechnik gefährden. 

5. Der neue "Kalte Krieg" wird heiß: Nirgendwo sonst sind sich die Großmächte so nahe

Die Arktis - das hört sich zunächst weit weg an. Doch dies liegt vor allem an der eurozentristischen Perspektive auf unseren Globus. Blickt man "von oben" auf unsere Erde wird klar: Nirgendwo sonst sind sich die Großmächte so nahe. Und wenn sich die skandinavischen Länder von Russland bedroht fühlen und der Nato beitreten wollen, dann geht es vor allem auch um die Arktis.

Dass massive Ressourcenvorkommen gepaart mit unklarer Rechtslage zu massiven Konflikten führen kann, ist keine neue Erkenntnis. Schon seit vielen Jahren warnen Expert*innen vor Konflikten in der Region und einem neuen "Kalten Krieg". Doch bisher wurde die Gefahr stets relativiert: Die potenziellen Konfliktparteien, allen voran Russland, USA und China, seien zu eng verknüpft, zu sehr auf internationalem Handel angewiesen, als dass die schwierige Lage an der Arktis wirklich zu einer globalen (Kriegs-)Gefahr führen könnte.

Selbst als Russland vor einigen Jahren begann, massiv seine militärische Präsenz in der Region auszuweiten, wurde dies weniger als direkte Aggression interpretiert. Vielmehr hieß es, das russische Militär sei besser an die Kälte angepasst und würde deswegen als billige Arbeitskraft zum Aufbau ziviler Infrastruktur im hohen Norden missbraucht.

Angesichts der Eskalation in der Ukraine und der neuen Gefahr globaler Konflikte zwischen dem Westen und einem Block aus Russland und China muss diese Lage vielleicht neu bewertet werden. Zumindest sprechen einige Punkte dafür, dass der "Kalte Krieg" um die Arktis gar nicht mehr so kalt ist und neben der Ukraine und Taiwan ein weiterer Konfliktherd zwischen den globalen Supermächten droht. 

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