Zum 1. Januar 2015 ändert Facebook abermals seine Geschäftsbedingungen und Datenschutzrichtlinien. Bei einem Social-Media Unternehmen, mit über 800 Millionen täglichen Nutzern weltweit, lässt das aufhorchen. Besonders weil Facebooks Kerngeschäft die Kommunikation teils sensibler Daten ist. Doch was ändert sich zum 1. Januar? Viele Menschen sind verunsichert - werden sie noch mehr zum "gläsernen Nutzer"?
Wir haben bei Dr. Martin Schirmbacher, Fachanwalt für Informationstechnologierecht in Berlin, und Christoph Arend, Experte für Suchmaschinenoptimierung und Facebook Marketing in Bamberg, nachgefragt.

Herr Schirmbacher, was ist aus datenschutzrechtlicher Perspektive von den neuen AGB zu halten?

Schirmbacher Der Schwerpunkt der Diskussion sollte nicht auf den Richtlinien und Informationen liegen, sondern auf den Funktionen, mit denen die Nutzer Facebooks Umgang mit den Daten begrenzen können. Entscheidend ist nicht, was in einer langen Erläuterung steht, etwa in einer Datenschutzerklärung, sondern welche Einstellungsmöglichkeiten die Nutzer haben.

Facebook hat angekündigt, dem Nutzer an dieser Stelle mehr Entscheidungsfreiheit zu geben. Ist dies gelungen?

Schirmbacher Hier geht Facebook in jedem Fall den richtigen Weg. Ob das immer transparent und für alle verständlich ist, muss letztlich jeder selbst entscheiden. Mit jeder neuen Funktion erhöht sich die Komplexität und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzer gar nicht die Möglichkeiten erkennt, wie er die Datennutzung durch das Netzwerk unterbinden kann.

Herr Arend, Sie beschäftigen sich beruflich viel mit Facebook - was ändert sich am 1. Januar 2015 denn nun für die Nutzer konkret?

Arend Mit der neu eingerichteten Seite "Grundlagen zur Privatsphäre" erklärt Facebook ziemlich umfangreich, welche Informationen zu welchen Zwecken genutzt werden. Wenn man sich diese Seite genauer anschaut, entdeckt man etliche Funktionen, die bislang für viele Nutzer sicher unbekannt waren.

Kritisiert werden vor allem die Datennutzung und der Datenschutz von Facebook. Was halten Sie von der Kritik Herr Schirmbacher?


Schirmbacher Aus meiner Sicht sind nicht in erster Linie die Richtlinien von Facebook ein Problem. Problematisch ist vielmehr, dass sich viele Nutzer überhaupt keine Gedanken über ihre Postings machen. Es macht eben einen gravierenden Unterschied, ob ich meine Joggingstrecken öffentlich oder nur mit meinen Freunden teile, oder vielleicht sogar nur mit einem eingeschränkten Nutzerkreis.

Facebook will sich über die Einführung einer "Kaufen"-Schaltfläche auch als Marktplatz profilieren. Was bedeutet dies für den Nutzer?

Arend Nachdem Facebook seine Werbung ohnehin schon äußerst zielgerichtet ausspielen kann, wird sich hier für den Nutzer nicht sehr viel ändern. Facebook allerdings könnte mit der Schaltfläche "Kaufen" eine komplett neue Branche erschließen. Dadurch, dass der Nutzer auf Facebook mit Einführung der "Kaufen"-Schaltfläche noch mehr "erlebt", wird sich sicher die Verweildauer auf der Plattform erhöhen und es zu einer stärkeren Bindung der Mitglieder kommen.

Facebook lässt sich vor allem auch die Nutzung von Aufenthaltsdaten legitimieren, um Werbung noch zielgerichteter anzubieten. Wie kann man dieses Vorgehen bewerten?

Arend Facebook ist natürlich daran interessiert, so viele Daten des Nutzers wie möglich zu sammeln. Das Geschlecht, das Alter und die Vorlieben werden ja schon bei der Ersteinrichtung abgefragt, auch wo wir wohnen. Wo wir uns aber gerade aufhalten, gibt der ohnehin schon zielgerichteten Werbung eine neue Dimension. Damit könnten beispielsweise bei der Bewerbung einer Veranstaltung, nicht nur Nutzer erreicht werden, die in der Nähe des Veranstaltungsorts wohnen, sondern auch die, die vielleicht gerade nur zu Besuch in der betroffenen Stadt sind.

Für welche Werbenden ist dies überhaupt interessant? Gibt es eine Nachfrage für so spezifische Werbung?

Arend Für alle Werbenden ist das natürlich ein Paradies. Welches andere Medium kann einem Kunden einen Werbeplatz anbieten, der so reichweitenstark direkt vor der Nase der Zielgruppen platziert wird? Facebook bietet den Werbenden an, ihr Publikum nach Standort, Demografie, Vorlieben, Schlüsselwörtern und jedweden sonstigen Informationen auswählen, die Facebook über Nutzer erhält oder ableitet. Zudem handelt es sich um eine der fairsten Werbeformen, die es gibt: Bei einer Möglichkeit zahlt der Werbekunde nämlich nur, wenn der Nutzer tatsächlich auf seine Anzeige klickt.

Aber nicht jedem Nutzer "gefällt das". Herr Schirmbacher, gibt es für den Nutzer eine Möglichkeit, sich gegen die Änderungen zu wehren?


Schirmbacher Wer mit den Bedingungen nicht einverstanden ist, darf Facebook nicht weiter nutzen. Es gibt keine praktikable Möglichkeit sich gegen die Geltung der neuen Bedingungen zu wehren, aber dennoch Facebook-Nutzer zu bleiben.

Kritisch wird vor allem auch die Tatsache gesehen, dass sich Facebook die neuen AGB ohne explizite Zustimmung, nur durch Weiternutzung des Dienstes, genehmigen lässt. Ist dieses Vorgehen mit deutschem Recht vereinbar?

Schirmbacher Weil es sich um eine Vertragsänderung handelt, muss der Kunde grundsätzlich zustimmen. Das Gesetz lässt es aber zu, diese Zustimmung schon vorab zu erteilen. Dazu wird in die aktuellen AGB eine Bestimmung integriert, wonach eine AGB-Änderung in der Zukunft nach der Ankündigung automatisch in Kraft tritt. Wer die neuen Bedingungen nicht akzeptieren möchte, muss sein Konto schließen.

Was halten Sie von geposteten Widersprüchen, die man immer wieder auf Facebook findet?

Schirmbacher Solche Widersprüche an der Pinnwand bringen nichts. Es kann auch niemand in einen Bus einsteigen und ein Schild hochhalten, das er nicht zahlen werde, und sich so dem Entgelt entziehen. Selbst wenn das im Falle von Facebook klappen würde, müssten sich die Betroffenen überlegen, welche Regelungen im Übrigen gelten sollen. Ich bin nicht sicher, ob die Nutzer mit den alten AGB tatsächlich besser dran sind.

Sie sagten, Sie sind nicht sicher, ob die Nutzer mit den früheren AGB besser bedient wären. Gibt es aus Ihrer Sicht denn grundsätzliche Probleme bei der Datennutzung bei Facebook?

Schirmbacher Facebook macht nichts anderes als viele andere kostenlose soziale Netzwerke auch. Die Erhebung von Daten dient vor allem der Personalisierung von Werbung. Je spezifischer die Werbung zugeschnitten ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzer klickt. Das ist sinnvoll und legitim. Wichtig ist, dass die Nutzer darüber im Bilde sind und gegebenenfalls eine Wahlmöglichkeit haben. Hier ist Facebook mit den neuen Richtlinien und Informationsmöglichkeiten auf dem richtigen Weg. Allerdings merkt man Facebook natürlich weiterhin an, dass es ein Unternehmen mit Wurzeln in den USA ist, wo es eine deutlich weniger restriktive Grundeinstellung zur Datennutzung gibt.

In letzter Zeit wurde immer wieder berichtet, dass Facebook sich als soziales Netzwerk auf dem absteigenden Ast befindet. Herr Arend, stehen die Neuerungen auch mit dieser Entwicklung im Zusammenhang?


Arend Es ist richtig, dass -nicht nur in der letzten Zeit- schon häufiger berichtet wurde, dass Facebook kurz vor der Abschaltung steht. Fakt ist aber, dass diesen Berichten kaum belastbare Zahlen zugrunde liegen. So sind laut dieser Statistik 864 Millionen Nutzer täglich auf Facebook aktiv, das sind 64 Prozent aller (1,35 Milliarden) auf Facebook registrierten Nutzer. Von einem Abwärtstrend kann also keine Rede sein. (siehe auch Grafik)

Wie kommt es Ihrer Meinung nach dann, dass immer wieder von einer negativen Tendenz in den Nutzerzahlen berichtet wird?

Arend Für die meisten Meldungen, die das jugendliche Interesse an Facebook negativ darstellen, werden hauptsächlich Zahlen aus den USA verwendet. In Deutschland hingegen sieht dieses Interesse anders aus: So konnte Facebook von Januar 2011 bis Januar 2014 bei den 13-17 jährigen einen Zuwachs von 44 Prozent verbuchen. Bei den 18 - 24 jährigen sind es satte 68 Prozent und bei den sog. "Silversurfer", die Zielgruppen 55+, sind es sogar 249% Zuwachs. Stellt man diese Zahlen gegenüber, ist es sicher richtig, wenn man sagt, dass Facebook immer älter wird. Allerdings muss man auch sagen, dass so ein enormes Wachstum bei der jugendlichen Zielgruppe überhaupt nicht mehr möglich ist, da bereits ein Großteil dieser Gruppe bei Facebook aktiv sind.

Nutzen Sie selbst denn Facebook? Wird sich durch die neuen AGB für Sie persönlich etwas an Ihrem Nutzungsverhalten ändern?

Arend Ja klar nutze ich Facebook - sogar sehr intensiv. Durch die neuen AGB wird sich für meine Nutzung allerdings nichts ändern, da ich ohnehin sehr darauf achte, was ich aus meinem Leben preisgebe.

Schirmbacher Ich bin vergleichsweise spät auf den Zug aufgesprungen, aber ich nutze Facebook. Die neuen AGB waren für mich nur Anlass, mal wieder alle Datenschutzeinstellungen zu prüfen. Sonst ändert sich für mich nichts und dazu gibt es meines Erachtens auch keinen Anlass.

Das Interview führte Robert Wagner

Mehr Informationen zur Änderung der Facebook-AGB können Sie hier finden.